Räumliche Gestaltung kommunikationsorientierter Fabrikprozesse an den Schnittstellen betrieblicher Arbeitsprozesse
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern industrieller Unternehmen kann systematisch erhoben und nach organisatorischen, räumlichen und prozesstechnischen Kenngrößen geordnet und ausgewertet werden. Diagrammatische Kartierungsverfahren in Form von Kommunikationsmatrixen (Netgraphen) bieten ein geeignetes Darstellungs- und Analysemedium, um Abhängigkeiten und Beziehungen zu visualisieren und typische Kommunikationsmuster zu identifizieren. Konkrete Kommunikationsmessungen in Fabriken haben gezeigt, wie die Kommunikation zwischen Mitarbeitern beeinflusst werden kann: technologische Parameter (Fertigungsprozess, Wertschöpfungskette), organisationale Parameter (Struktur des Unternehmens, Gliederung der Abteilungen) wie auch architektonische Parameter (räumliches Layout, Lage von Arbeitsplätzen, Distanzen) zeitigen nachvollziehbare Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten in der Fabrik. Um dieses umfassend zu untersuchen, wurde anhand von Fallstudien in vier Fabriken die direkte Kommunikation in persönlichen Gesprächen (Face-to-face) wie auch mediale Kommunikation über Telefonate und E-Mail andererseits erhoben. Die Messungen ergaben eine signifikant hohe Anzahl persönlicher Kontakte im Verhältnis zur technisch-medialen Kommunikation. Qualitative Befragungen haben herausgearbeitet, dass sie die entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung der betrieblichen Prozesse spielen. Die mediale Kommunikation zwischen Mitarbeitern ist in der Fabrik hingegen nur von untergeordnetem Belang. Dieses Verhältnis der Kommunikationsarten „Persönliche Gespräche“ und „Mediale Kommunikation“ wurde in bisherigen Studien noch nicht nachgewiesen. Mit den vorliegenden Ergebnissen können Forschungsarbeiten, die vorrangig die – relativ einfach zu erhebende – Kommunikation via E-Mail untersuchten, relativiert werden. Vor allem jedoch erlangt das unmittelbare Umfeldes (Arbeitsplatz, Gebäude, architektonischer Raum) besondere Bedeutung. Denn mit den „Persönlichen Gesprächen“ stellt sich diejenige Kommunikationsart als die für Fabrikprozesse wichtigste heraus, die am stärksten durch die die Gestaltung der der baulich-architektonischen Umgebung beeinflusst werden kann. Die diagrammatischen Visualisierungen der Kommunikationsdaten haben deutlich gemacht, welche Kenngrößen (z.B. Arbeitsprozess, Mitarbeiterstruktur, Gebäudekonfiguration) in den jeweiligen Unternehmen maßgeblich das Kommunikationsverhalten bestimmen. Damit bieten sich die entscheidenden Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Kommunikationsgestaltung in Fabriken. Industrielle Unternehmen können auf Grundlage von Kommunikationsanalysen spezifischen Kommunikationstypen zugeordnet werden und anhand von Ist-Soll Gegenüberstellungen ihrer Muster strategisch geplant werden. Vor dem Hintergrund der konkreten Anforderungen an die einzelnen Unternehmen können geeignete organisatorische und architektonische Maßnahmen implementiert werden, die zur Etablierung (ggfs. auch Reformierung) einer bestimmten Kommunikationsart führen. Entwicklung eines dynamischen Modells für Kommunikation: Unternehmen agieren in einem dynamisch veränderlichen Umfeld, durch das ständig neue Anforderungen an die Unternehmen gestellt werden. Interviews mit den beteiligten Unternehmen haben im Projekt deutlich gemacht, dass die Kommunikation zwischen Mitarbeitern als wirksame „Stellgröße“ wahrgenommen wird, um die Reaktionsfähigkeit auf veränderliche Anforderungen zu beeinflussen. Ein Erfolg versprechender Ansatz besteht darin, Kommunikation in Unternehmen nicht in Form statischer Zustände zu erheben und zu analysieren, sondern Kommunikationsprozesse vor den Umwelt- bzw. Rahmenbedingungen der jeweiligen Unternehmen dynamisch zu modellieren. Zu untersuchen sind dann, welche Entwicklungen die Kommunikationsmuster in einem volatilen Umfeld bei sich wandelnden Anforderungen nehmen. Hier ist zu erwarten, dass weitere prozessuale Kommunikations-Typen erkennbar werden. Modellierung der Beziehungen Operatives Umfeld – Kommunikation: Als wesentliche Größen zur Qualifizierung der erhobenen Kommunikationsdaten können die Anwendungszwecke „Wissensgenerierung“ und „Wissensanwendung“ herangezogen werden. Art und Umfang der „Wissensgenerierung“ bzw. „Wissensanwendung“ wird maßgeblich durch das opperative Umfeld des Unternehmens und seiner Geschäftsprozesse bestimmt. Das mit Kommunikationsanalysen belegbare Verhältnis der bestehenden Kommunikationszwecke gegenüber den notwendigen bzw. strategisch intendierten stellt einen einfachen Bewertungsmaßstab für Kommunikation dar. Die adäquate Bestimmung und Bewertung von „Wissensanwendung“ bzw. „Wissensgenerierung“ sowie ihre Korrelation auf Kommunikationsprozesse ist in Folgeforschungen zu klären. Methodische Differenzierung der zu beobachtenden Größen Die Auswertung der Studie mit den beteiligten Unternehmen machte deutlich, dass der Begriff „Kommunikation“ u.U. zu eng gefasst ist, um arbeitsrelevante Interaktionen von Personen ausreichend zu beschreiben. Vertiefende Studien sollten verstärkt „Wahrnehmung“ als Grundlage von Kommunikation untersuchen. Zu erforschen wäre u.a., inwieweit „kommunizierende Wahrnehmung“ ebenfalls durch architektonisch-räumliche Interventionen gezielt beeinflusst werden kann.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Knowledge Spaces of the Financial Market: The Architecture of Trading Rooms, Dissertation, TU Dresden, 2008
Tsen, S.
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Kommunikationsorientierte Fabrikprozesse. Erfolgreiche Koordination an Schnittstellen durch gezielte Prozessund Gebäudeplanung. In: ZWF - Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, Jahrg. 103,Nr. 10, 2008, S. 666-670
Langer-Wiese, A.; Henn, G.; Heinen, T.; Nyhuis, P.
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Wie kann der Raum bei der Fabrikation mitarbeiten? In: Fragen! 12 Versuche zur Wissensarchitektur, TU Dresden 2008, ISBN-Nr.: 978-3-940046-86-4
Langer-Wiese, A.
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Communication in Knowledge Creating Cities. An alternative Approach to the Social Sustainability of Knowledge Cities; in: “The Second Knowledge Cities Summit”, Shenzen, China; 2009
Henn, G.; Noennig, J.R.; Richter, S.
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Wissensgenerierung und Kommunikation. Fallbeispiel einer Kommunikations-untersuchung in einem Anlagengeschäft. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, Jahrg. 104, Nr. 12, 2009, S. 1103-1108
Heinen, T.; Noennig, J. R.; Nyhuis, P.; Schulze, M.; Richter, S.
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Kommunikationsgestaltung in Fabriken. Methode zur Beherrschung schnittstellenübergreifender Kommunikationsbeziehungen in Fabriken. In: wt Werkstattstechnik online, Nr. 4, 2010
Heinen, T.; Nyhuis, P.; Noennig, J. R.; Schulze, M.
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The Space-Organisation Relationship. On the Shape of the Relationship between Spatial Configuration and Collective Organisational Behaviours, Dissertation, TU Dresden, 2010
Sailer, K.