Geschichtssymbolik als Geltungsgrund. Untersuchungen zur Kontinuitätsstiftung im anglo-normannischen Mönchtum (1066 bis Ende 13. Jahrhundert)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Dieses Forschungsprojekt analysierte Konstruktionsmechanismen klösterlicher Eigengeschichte. Forschungsleitend war die Frage, wie monastische Gemeinschaften auf ihre Geschichte Zugriffen bzw. diese konstruierten, um daraus konkreten Stabilisierungsgewinn im Sinne von zeitlicher Kontinuierung und Prestigezuwachs zu erlangen. Die dabei durchgeführten Untersuchungen knüpften an der Tatsache an, daß Klöster als symbolisch verdichtete Ordnungen von Dauer und Stabilität ganz entscheidend darauf angewiesen waren, ihre Institution als eine von hohem Alter, von auratischer Bedeutung und vor allem von Beständigkeit und Krisenresistenz darzustellen. Insbesondere in Zeiten erhöhten Geltungsdrucks, wie er in Klöstern etwa durch Kulturbrüche, Reformen, kriegerische Ereignisse oder verschärfte Konkurrenzsituationen auf dem , Angebotsmarkt' religiöser Einrichtungen ausgelöst werden konnte, scheint die symbolische Ausgestaltung von Suggestionen ,verewigter Tradition' eine wesentliche instrumenteile Leistung zur Sicherung von Dauer und kollektiver Identität in diesen Gemeinschaften erbracht zu haben. Dieser Funktionszusammenhang von symbolischem Zugriff auf die Geschichte und instrumentellem S icherungs gewinn konnte mit der durchgeführten Arbeit weiter erhellt werden. Im Mittelpunkt stand die institutionelle Eigengeschichte angelsächsischer Benediktinerklöster vor dem konkreten geschichtlichen Hintergrund der normannischen Eroberung Englands von 1066 - eine politische und kulturelle , Wendezeit', die zahlreiche traditionelle Klöster unter Legitimationsdruck brachte und mit der Notwendigkeit neuer Geltungsbegründung konfrontierte. An drei exponierten und dann zum Vergleich gebrachten Einzelfallstudien konnte für die Benediktinerklöster Glastonbury, Ely und Bury St. Edmunds gezeigt werden, wie Klostergemeinschaften ihre aus der angelsächsischen Vergangenheit hergeleiteten Ansprüche symbolisch präsent gemacht und daraus Geltungsgründe für ihre Zukunft akkumuliert haben. Durch Einbezug der im weitesten Sinn eigengeschichtlichen Werke, neben den traditionellen Großformen der Legenden, Chroniken und Annalen fanden etwa auch Einschübe von historiae fundationum in hagiographischen Texten oder Chartularchroniken Berücksichtigung, wurde bewußt ein breiter Zugang zu den Quellen gewählt, der es erlaubte, die Darstellungsformen solcher symbolisch reflektierten Eigengeschichte in ihrem großen Facettenreichtum zu erfassen, systematisch zu strukturieren und letzthin zu vergleichen. Die durchgeführte Untersuchung, möchte sich verstanden wissen als historisch-empirische Basisarbeit für eine um interdisziplinäre Bezüge erweiterte und auf den breiteren Vergleich fokussierte Erforschung von Stabilisierungsmechanismen in klösterlichen Ordnungen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
Conflicting Loyalty: The Irish Franciscans and the English Crown in the Middle Ages, in: Proceedings of the Royal Irish Academy/C 107 (2007), S. 87-106.
-
Entcharismatisierung als Geltungsgrund? Gilbert von Sempringham und der frühe Gilbertinerorden, in: Charisma und religiöse Gemeinschaften im Mittelalter. Akten des 3. Internationalen Kongresses des "Italienisch-deutschen Zentrums für vergleichende Ordensgeschichte, hg. von Giancarlo Andenna / Mirko Breitenstein / Gert Melville (Vita Regularis. Abhandlungen 26), Münster/Hamburg/London 2005, S. 151-172.
-
Frances Andrews, The Other Friars: Carmelite, Augustinian, Sack and Pied Friars in the Middle Ages (Boydell Press), Woodbridge 2006, in; History. The Journal of the Historical Association 93 (2007), S. 116f.
-
Institutionalisation and Vita Religiosa. New Approaches towards the History of the Medieval Religious Orders, in: Journal of the Oxford University History Society 3 (2005), S. 1-10.
-
Klostermythen "made in England", in: Agora. Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt 22/1 (2006), S. 24-26.
-
Loyalitätskonflikte als Folge nationaler Dualität? Beobachtungen zu den Strukturen des Gehorsams bei den walisischen Cisterziensern während der englischen Eroberungskriege vom 12. bis 14. Jahrhundert, in: Oboedientia. Zu Formen und Grenzen von Macht und Unterordnung im mittelalterlichen Religiosentum, hg. von Giancarlo Andenna / Sebastien Barret/Gert Melville (Vita Regularis. Abhandlungen 27), Münster/Hamburg/London 2005, S. 335-362.
-
Managing Crises. Institutional Re-stabilization of the Religious Orders in England after the Black Death (1347-1350), in: Revue Mabillon 16 (2005), S. 205-219.
-
Mittelalterliche Orden und Klöster im Vergleich. Methodische Ansätze und Perspektiven (Vita Regularis. Abhandlungen 34), Münster/Hamburg/London 2007 (hg. gemeinsam mit Gert Melville) (372 S.).
-
New International Research Center for the Comparative History of Medieval Religious Orders in Eichstätt (Germany), in: Monastic Research Bulletin 13 (2007), S. 21-24
-
Symbolizität als Differenzmerkmal. Überlegungen zur systematischen Analyse symbolischer Repräsentationsformen im Religiosentum, in: Mittelalterliche Orden und Klöster im Vergleich. Methodische Ansätze und Perspektiven, hg. von Gert Melville / Anne Müller, (Vita Regularis. Abhandlungen 34), Münster/Hamburg/London 2007, S. 187-209.