Synthese und Funktion von rekombinantem und nativem Mollusken-Hämocyanin
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Keyhole limpet-Hämocyanin (KLH) und Biomphalaria glabrata-Hämoglobin (BgHb) sind große extrazelluläre Sauerstoff-Transportproteine in der Hämolymphe von Schnecken. Das Kupferprotein KLH ist durch seine immunstimulatorischen Eigenschaften ein Modellprotein in der Immunologie und findet klinischen Einsatz als Hapten- und Vakzincarrier, sowie als Medikament gegen oberflächliches Harnblasen-Karzinom. KLH ist eine Art Fass mit 35 nm Durchmesser und einem Molekulargewicht von 8 Millionen. Es besteht aus 20 Untereinheiten (Molekulargewicht 400.000). Diese sind wie eine Perlenkette in acht „funktionelle Einheiten" unterteilt (Molekulargewicht 50.000); sie werden mit a bis h bezeichnet und unterscheiden sich. Auch das Hämoglobin BgHb ruft klinisches Interesse hervor, da Schistosoma mansonii, der Erreger der Tropenkrankheit Bilharziose, die Schnecke Biomphalaria glabrata als Zwischenwirt heimsucht. Dort scheint sich der Parasit mit Epitopen von BgHb zu tarnen. Das BgHb-Molekül hat 20 nm Durchmesser und ein Molekulargewicht von 1,4 Millionen; es besteht aus sechs Untereinheiten vom Molekulargewicht 240.000. Diese sind wiederum aus den 13 unterschiedlichen Häm-Domänen (a bis m, Molekulargewicht knapp 18.000) und einer N-terminalen plug-Domäne (p, Molekulargewicht 11.000) aufgebaut. Hämocyanine und extrazelluläre Hämoglobine wurden bislang nicht rekombinant hergestellt. Ihre „künstliche" Herstellung in Zellkulturen hätte jedoch sehr viele Vorteile bei ihrer weiteren Erforschung und klinischen Anwendung. Im Rahmen des Projekts gelang es, verschiedene cDNA-Konstrukte von KLH und BgHb in E. coli, Insektenzellen und Säugerzellen einzuführen, so dass sie exprimiert wurden. Je nach Länge des eingesetzten Konstrukts wurden Teile der Untereinheiten bis hin zu den kompletten Untereinheiten von KLH und BgHb rekombinant erhalten. Beim KLH war das rekombinante Protein in den meisten Versuchsansätzen nicht nativ gefaltet und daher biologisch ohne Funktion. Gegen Ende des Berichtszeitraums gelang es jedoch unter bestimmten Bedingungen, die Produkte durch Kupfereinbau weitgehend nativ zu falten, was durch eine Tyrosinaseaktivität nachgewiesen wurde. Bisher waren die Mengen an auf diese Weise gewonnenem rekombinantem KLH zu gering für weiterführende Analysen, doch arbeiten wir hier z.Z. schwerpunktmäßig an einer Verbesserung. Im Berichtszeitraum wurden in flankierenden Projekten mit Kryo-Elektronenmikroskopie und digitaler Bildverarbeitung 3D-Rekonstruktionen von KLH und anderen Hämocyaninen erstellt, deren Auflösung erstmalig molekulare Modelle ermöglichte. Durch diese lassen sich zahlreiche offene Fragen zur Quartärstruktur und Allosterie der Hämocyanine klären. BgHb wurde aus E. coli und aus Insektenzellen in biologisch aktiver Form erhalten. Aus dem Überstand der Insektenzellen aufgereinigtes, rekombinantes BgHb war immunologisch identisch mit nativem BgHb, was bedeutet, dass beide weitestgehend strukturgleich sind. Rekombinante Untereinheiten des BgHb wurden unter geeigneten Bedingungen dazu gebracht, über S-S-Brücken zu dimerisieren. Dies wiederum führte durch Selbstassemblierung von Dinieren zu Partikeln, die im Elektronenmikroskop der nativen Quartärstruktur des BgHb glichen. Wie die 3D-Rekonstuktion von nativem BgHb aus elektronenmikroskopischen Bildern zeigte, handelt es sich um ein hoch symmetrisches Gebilde aus drei Dinieren bzw. sechs Untereinheiten. Absorptionsspektren und Sauerstoffbindungsanalysen der rekombinanten Produkte im Vergleich zum nativen BgHb bestätigten deren funktionelle Ähnlichkeit. Damit ist es erstmalig gelungen, eines der großen, extrazellulären Invertebraten-Hämoglobine rekombinant als biologisch aktives Produkt zu exprimieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2004) 3-D reconstruction of hemocyanins and other invertebrate hemolymph proteins by cryo-TEM: an overview. Micron 35, 7-9
Meissner U, Martin AG, Schwarz BO, Stohr M, Gebauer W, Harris JR, Markl J
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(2004) Blood cells and the biosynthesis of hemocyanin in Sepia embryos. Micron 35, 115-116
Beuerlein K, Ruth P, Scholz FR, Springer J, Lieb B, Gebauer W, Westermann B, Schmidtberg H, von Boletzky S, Markl J, Schipp R
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(2004) cDNA sequence, protein structure, and evolution of the single hemocyanin from Aplysia californica, an opisthobranch gastropod. J Mol Evol 59, 536-545
Lieb B, Boisguerin V, Gebauer W, Markl J
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(2004) Evolution of molluscan hemocyanins as deduced from DNA sequencing. Micron 35, 117-119
Lieb B, Markl J
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(2004): 3D reconstruction of the hemocyanin subunit dimer from the chiton Acanthochiton fascicularis. Micron 35, 23-26
Harris JR, Meissner U, Gebauer W, Markl J
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(2006) Molecular mass of macromolecules and subunits and the quaternary structure of hemoglobin from the microcrustacean Daphnia magna. FEBSJ. 273, 3393-3410
Lamkemeyer T, Zeis B, Decker H, Jaenicke E, Waschbüsch D, Gebauer W, Markl J, Meissner U, Rousselot M, Zal F, Nicholson GJ, Paul RJ
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(2006) Red blood with blue-blood ancestry: Intriguing structure of a snail hemoglobin. PNAS 103, 12011-12016
Lieb B, Dimitrova K, Kang HS, Braun S, Gebauer W, Martin A, Hanelt B, Saenz SA, Adema CM, Markl J
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(2006) The hemocyanin from a living fossil, the cephalopod Nautilus pompilius: Protein structure, gene organization, and evolution. J Mol Evol 62, 362-374
Bergmann S, Lieb B, Ruth P, Markl J
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(2007) Minireview: Recent progress in hemocyanin research. Integr Comp Biol 47, 631-644
Decker H, Hellmann N, Jaenicke E, Lieb B, Meissner U, Markl J
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(2007) Nautilus pompilius hemocyanin: 9 A cryo-EM structure and molecular model reveal the subunit pathway and the interfaces between the 70 functional units. J Mol Biol 374, 465-486
Gatsogiannis C, Moeller A, Depoix F, Meissner U, Markl J
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(2007) The first complete cDNA sequence of the hemocyanin from a bivalve, the protobranch Nucula nucleus. J Mol Evol 64, 500-510
Bergmann S, Markl J, Lieb B
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2007) Comparative 11A structure of two molluscan hemocyanins from 3D cryo-electron microscopy. Micron 38, 754- 765 [epub 2006 ahead of print]
Meissner U, Gatsogiannis C, Moeller A, Depoix F, Harris J, Markl J