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Populationsstruktur von Wildbienen und ihren Parasiten (Hymenoptera: Apoidea) - analysiert mittels molekulargenetischer und populationsökologischer Methoden

Fachliche Zuordnung Ökologie und Biodiversität der Tiere und Ökosysteme, Organismische Interaktionen
Förderung Förderung von 1998 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5118296
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bienen stellen sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht ein bedeutendes Taxon dar: Als Bestäuber von Angiospermen spielen sie in nahezu allen terrestrischen Ökosystemen eine zentrale Rolle. Ein Rückgang der Populationen solitärer Bienen ist für Großbritannien und die Niederlande gut belegt - als Ursache werden Habitatfragmentierung und Intensivierung der Landnutzung, insbesondere der Landwirtschaft, in den vergangenen 50 Jahren angesehen. So führt eine Isolierung von Bienenpopulationen auf Habitatinseln nachweislich zu einem Bestäubungsrückgang und einer Abnahme des Fruchtansatzes insektenbestäubter Pflanzen. Bienen sind mobile, leistungsstarke Flieger mit einem mutmaßlich hohen Ausbreitungspotential. Vier Fünftel der Bienenarten, die nicht kleptoparasitischen Arten, erbauen ein komplexes Nest, in dem sie ihre Brut verproviantieren. Als „central place foragers" (Michener) tragen sie Blütenprodukte und andere pflanzlichen Ressourcen der Umgebung zu ihrem lokalen Nest. Doch ein gutes Flugvermögen zwischen Nest und Nahrungsressourcen darf nicht mit einem hohen Ausbreitungspotential und einer starken Vernetzung der Populationen gleichgesetzt werden. Vielmehr führt das eher mäßige Ausbreitungsverhalten vieler Bienen zu einer Untergliederung der Populationen und zu einem reduzierten Genfluß. So sind die Populationen der eusozialen Honigbienen und Hummeln oftmals genetisch strukturiert, ein Phänomen, das für ein begrenztes Ausbreitungsverhalten nach dem Schlupf spricht. Doch die überwiegende Mehrheit der Bienenarten (>90% der nichtkleptoparasitischen Arten) lebt solitär, d. h. jedes Weibchen baut sein eigenes Nest, in dem es seine eigenen Nachkommen verproviantiert. Und ihre Populationsgenetik wurde im Vergleich zu der der eusozialen Arten nur in sehr bescheidenem Umfang untersucht. Naturschutzbemühungen fur solitäre Bienen erfordern Informationen über Populationsvernetzungen, die oftmals nur durch genetische Analysen erlangt werden können. Viele solitäre Bienen weisen Charakteristika einer klassischen Metapopulationsstruktur auf Sie nisten in diskreten Aggregationen, die von ihren Nachbaraggregationen durch Entfernungen von Metern bis Kilometern getrennt sind. Die genetische Analyse ihrer Populationsstruktur verschafft damit zusätzlich Kenntnis über die Konsequenzen einer Metapopulationsstruktur auf die Populationsvernetzung und die Überlebensfähigkeit von Populationen. Das Hauptaugenmerk dieses Projekts galt der Untersuchung der fein- und grobskaligen genetischen Populationsstruktur der solitären Sandbienenart Andrena vaga. Populationsbiologische und ethologische Parameter, die zur Interpretation der Vernetzung und der Beständigkeit der Populationen beitragen, wurden ebenfalls erhoben. Unsere Untersuchungsflächen enthielten diskrete Nistaggregationen am Oberrhein, wo das Vorkommen der Art mit Hilfe des klassischen Metapopulationsmodells beschrieben werden kann. Die Anwendung eigens entwickelter, artspezifischer genetischer Mikrosatellitenmarker enthüllte nahezu panmiktische Verhältnisse über eine Distanz von 50 km. Überraschenderweise war dieses Phänomen mit einem hohen Grad an Inzucht und einer viscosen Populationsstruktur innerhalb von Nestaggregationen gekoppelt, was auf ein sehr begrenztes Ausbreitungsverhalten der Weibchen nach dem Schlupf hinweist. Verhaltensbeobachtungen an frisch geschlüpften, individuell markierten Männchen und Weibchen stützen die Annahme, dass die Tiere sehr ortstreu sind und ihr Ausbreitungsverhalten stark eingeschränkt ist: Die meisten markierten Individuen konnten innerhalb von zwei Metern Umkreis ihres Schlupfortes wiedergefunden werden. Diese Daten deuten daraufhin, dass die Populalionsvernetzung auf Landschaftsebene durch gelegentliche Fernausbreitung gewährleistet wird. So sind die Bienen gute Kolonisten, die neu entstandene Habitate schnell besiedeln können. Eine auf Bayesscher Statistik basierende Analyse der aktuellen Migration deutet auf einen extrem begrenzten Genfluss - und zwar nur zwischen benachbarten Aggregationen, die nicht weiter als 500 m voneinander entfernt sind. Ein Rheinhochwasser während des Frühsommers 1999 überflutete zwei Aggregationen und führte überraschenderweise zu massiven Populationsrückgängen, die für eine typische Art der Flussauen so nicht erwartet wurden. Eine in sechs Kilometer entfernte Aggregation, die von der Überschwemmung nicht betroffen war, hatte keinen Populationsrückgang. Dies verdeutlichte klar, dass die Populationen demografisch nicht verknüpft sind. Der Parasitierungsgrad durch Kleptoparasiten war allgemein sehr niedrig (<1%). Wirt-Parasit-Interaktionen führten zu keinen Populationsschwankungen der Wirtsart A. vaga. Von größerem Einfiuß auf diese Bienenart - und andere mit ähnlicher Biologie - sind menschgemachte Habitatveränderungen (z. B. Überflutungen, Abholzungen). Unsere genetischen Analysen brachten auch zum Vorschein, dass nur eine sehr geringe Rate diploider Männchen (effektiv steriler Männchen) erzeugt wurde - ganz offensichtlich beeinflusst dieser genetische Faktor (Alleldiversität am Geschlechtslokus) die Populationsdynamik von A. vaga nichl. Die drängende Frage ist, in wie weit sich die Ergebnisse auf verwandte Bienenarten verallgemeinern lassen. Will man die Überlebenswahrscheinlichkeit von Bienenpopulationen erhöhen, so kommt nach unseren Daten dem Habitatmanagement eine entscheidende Rolle zu: ein Verbundnetz aus geeigneten Korridoren und Trillsteinbiotopen mit Nist- und ausreichend Nahrungsressourcen ist für den Erhalt der Arten und ihrer genetischen Diversität essentiell.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2000): Dinucleotide microsatellite loci for Andrena vaga and other andrenid bees from non-enriched and CT-enriched libraries. Molecular Ecology 9: 2189-2191
    Mohra, C., Fellendorf, M., Segelbacher, G. & Paxton, R. J.
  • (2001): Microsatellite analysis of the population genetic structure of Andrena vaga, a solitary bee, that nests in aggregations. In: Menzel, R. & Rademacher, E. (Eds) Proceedings of the 2001 Berlin meeting of the European sections of IUSSI (Internalional Union for the Sludy of Social Insects). Sept. 25-29, 2001. Berlin, S. 153
    Mohra, C., Fellendorf, M. & Paxton, R. J.
  • (2002): Beitrag zur Kenntnis der Populationsbiologie von Andrena vaga (Apoidea, Andrenidae). Beiträge der Hymenopterologen-Tagung in Stuttgart (4.-6.10.2002), S. 44
    Fellendorf, M., Mohra, C. & Paxton, R. J.
  • (2002): Population genetic structure, gene flow and the conservation of a wild bee, Andrena vaga, in Southwest Germany. In: Jones, R. (Ed.) Proceedings of the Sixth European Bee Conference, 1-5 July 2002. University of Wales Institute Cardiff, Wales. International Bee Research Association, Cardiff, UK, S. 105
    Mohra, C., Fellendorf, M. & Paxton, R. J.
  • (2002): Populationsgenetische Untersuchungen an Aggregationen der Weidensandbiene Andrena vaga (Apoidea, Andreidae). Beiträge der Hymenopterologen-Tagung in Stuttgart (4.-6.10.2002), S. 51
    Mohra, C., Fellendorf, M. & Paxton, R. J.
  • (2004): Devastating effects of river flooding to the ground-nesting bee Andrena vaga (Hymenoptera, Andrenidae) and its associated fauna. Journal of Insect Conservation, 8: 311-322
    Fellendorf, M., Mohra, C. & Paxton, R. J.
  • (2004): The population dynamics and genetics of solitary bees: a European case study, Andrena vaga (Hymenoptera, Andrenidae). In: Freitas, B. M. & Pereira, J. O. (Eds) Solitary Bees. Conservation, Rearing and Management for Pollination. Fortaleza, CE, Brazil: Imprensa Universitaria, S. 85-95
    Mohra, C., Fellendorf, M. & Paxton, R. J.
 
 

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