Logarithmische Relaxation in Polymer-Additiv-Systemen studiert mit Hilfe zwei-dimensionaler NMR
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel der Arbeiten war es, die Dynamik von Polymer-Additiv-Systemen über den gesamten Konzentrationsbereich mit Hilfe der 31P- und 2H-NMR zu studieren. Spin-Gitter-Relaxation, 1D- und 2D-Spektren sowie Stimulierte-Echo-Zerfallskurven wurden über einen großen Temperaturbereich (80 K – 400 K) vermessen. Als Additive kamen die phosphorhaltigen Glasbildner m-Trikresyl- (m-TCP), Triethyl- und Tripropylphosphat (TPP), als Polymere PMMA und Polystyrol (PS) zum Einsatz. Des Weiteren wurden die niedermolekularen Mischsysteme Methyltetrahydrofuran-d3 (MTHF)/m-TCP und Toluol-d5/Aroclor studiert. In allen Fällen galt es, einen möglichst großen Tg-Kontrast der Komponenten einzustellen. Die Arbeiten umfassten neben der Charakterisierung der Hauptrelaxation auch das Studium der Sekundärprozesse (β-Prozesse), wobei für das Verständnis die am plastisch-kristallinen Cyanocyclohexan gewonnene Erkenntnisse von großer Wichtigkeit waren. Unter Verwendung der bewilligten Investitionsmittel wurde in Zusammenarbeit mit einem externen Partner ein H-31P-Phosphor-Probenkopf entwickelt, der für alle Messungen erfolgreich zum Einsatz kam. Der Durchbruch im Verständnis der komplexen Dynamik in den binären Gläsern kam als mit der Wahl des Systems TPP/PS ein systematisches Studium der dielektrischen Spektren allein des Additivs TPP möglich wurde. Sowohl für die Polymer-Weichmacher-Systeme als auch für die niedermolekularen Mischgläser finden sich für das Nieder-Tg-Additiv ausgeprägte dynamische Heterogenitäten, die sich durch Auftreten sog. Zwei-Phasen-NMR-Spektren zu erkennen geben: Infolge einer breiten Verteilung der Korrelationszeiten zeigt sich eine Überlagerung eines Festkörperund eines Flüssigkeitsspektrums. Im Gegensatz dazu ändert sich die Dynamik der Hoch-Tg- Komponente im Vergleich zum reinen System kaum. Die aus den Stimulierte-Echo- Zerfällen extrahierten Korrelationsfunktionen des Additivs erstrecken sich im mittleren Konzentrationsbereich über mehr als sechs Dekaden, und zeigen einen quasi-logarithmischen Zerfall, dessen quantitative Analyse aufgrund des zu kleinen Zeitfensters der 31P- NMR nicht ohne weiteres möglich ist. Hier erweisen sich die dielektrischen Messungen (DS) von großem Vorteil. Es können in den Mischsystemen drei Relaxationsprozesse nachgewiesen werden. Der eine kann der Matrix (α1-Prozess), der andere dem dynamisch entkoppelten Additiv (α2-Prozess) zugeordnet werden. Allerdings nimmt ein Teil der Nieder- Tg-Moleküle auch am α1–Prozess der Matrix teil, wobei sich der relative Anteil mit der Temperatur ändert. Die Zwei-Phasen-NMR-Spektren des Additivs finden somit ihre Erklärung in einer bimodalen Dynamik für das Additiv, wobei der α2–Prozess selbst durch eine breite Korrelationszeitenverteilung gekennzeichnet ist. Des Weiteren findet sich ein sekundärer (β–) Prozess. Schließlich zeigen die Ergebnisse aller eingesetzten Methoden (NMR, DS und DSC), dass sich für alle Konzentrationen zwei Glaspunkte (Tg1 und Tg2) finden. Ersterer reflektiert den Weichmachereffekt, letzterer zeigt als Funktion der Konzentration eine deutlich schwächere Temperaturabhängigkeit und durchläuft ein Maximum. Für T < Tg1 sind die Korrelationszeiten des α2–Prozesses durch eine Arrhenius-Temperaturabhängigkeit gekennzeichnet; das Additiv im „Confinement“ der Hoch-Tg-Moleküle verhält sich ähnlich wie ein β-Prozess; allerdings ist die Dynamik isotrop, d.h. flüssigkeitsähnlich. Die 2D-Spektren belegen einen Austausch innerhalb der breiten Verteilung der α2– Moleküle. Unsere dielektrischen und NMR-Arbeiten zum β–Prozess zeigen, dass durch entsprechende Wahl der Konzentration in einem Mischsystem (oder auch in reinem Cyanocyclohexan) α- und β-Prozess hinreichend getrennt werden können, um ihn auch oberhalb von Tg ohne Interferenz des α–Prozesses zu studieren. Die Analyse der NMR-Observablen im Rahmen des Modells „wobbling-on-a-cone“ liefert Relaxationsstärken, die nicht auf jene aus den dielektrischen Spektren abgebildet werden können. Wir gehen deshalb davon aus, dass auch der β–Prozess (wie der α–Prozess) kooperativer Natur ist. In dem Mischglas Aroclor/Toluol deutet sich mit abnehmender Toluol-Konzentration eine Immobilisierung von Toluol-Molekülen an. Beim Übergang von reinem Toluol zu dem Mischglas bilden sich somit „islands of rigidity“.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009), Evolution of Excess Wing and β–Process in Simple Glassformer, J. Chem. Phys. 131, 184510
C. Gainaru, R. Kahlau, E.A. Rössler, R. Böhmer
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(2009), Glassy Dynamics in Nano-Confinement as Revealed by 31P NMR, J. Phys. Chem. 113, 8443
S. Gradmann, P. Medick, E.A. Rössler
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(2010), Energy Landscape of Molecular Glasses Probed by High-Resolution Dielectric Experiments, Phys. Rev. B, 82, 104205
C. Gainaru, R. Böhmer, R. Kahlau, E.A. Rössler
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(2010), Generalizing the Cole-Davidson and Kohlrausch Function to Describe the Primary Response of Glass Forming Systems, J. Phys. Condens. Matter 22, 365101
R. Kahlau, D. Kruk, Th. Blochowicz, V.N. Novokov, E.A. Rössler
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(2012), Reorientational Dynamics of Organophosphate Glass Formers - A Joint Study by 31P NMR, Dielectric Spectroscopy and Light Scattering, Z. Phys. Chem. 226, 1149
S. Adishchev, D. Bock, C. Gainaru, R. Kahlau, B. Micko, N. Petzold, B. Pötzschner, E.A. Rössler
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(2013), Evolution of the Dynamic Susceptibility in Molecular Glass Formers – Results from Light Scattering, Dielectric Spectroscopy and NMR; J. Chem. Phys. 138, 12A510
N. Petzold, B. Schmidtke, R. Kahlau, D. Bock, R. Meier, B. Micko, D. Kruk, E.A. Rössler