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Deutschsprachige SalafistInnen in der Schweiz: Skizze der gegenwärtig präsenten Spektren und Analyse ihrer moralischen Aushandlungsprozesse

Antragstellerin Dr. Mira Menzfeld
Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung von 2019 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 420579519
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt widmete sich der Teilnehmenden Beobachtung mit SalafitInnen in der Deutschschweiz. Nach Projektende kann wie geplant eingeschätzt werden, - welche Gruppen und Strömungen in der deutschsprachigen Schweiz derzeit vorherrschen; - auf welche religiösen Schlüsselkonzepte sie in welcher Weise Bezug nehmen; - zu welchen Bewertungen, Entscheidungen und Handlungen sie diese Auslegungen führen können; - welche emotional-affektiven Regulations- und Evaluationsstrategien mit ihrer jeweiligen Glaubensauslegung einhergehen. Weiterhin konnten unerwartet auch polygyn lebende Ehegemeinschaften beforscht und transnationale Verbindungen salafitischer SchweizerInnen zu sogenannten „Salafi-Dörfern“ festgestellt werden. Letztere weisen auf ein neuartiges Spektrum tradierten salafitischen Glaubens hin, das zurzeit noch komplett untypisch ist für den deutschsprachigen Raum – aber durch transnational lebende Personen möglicherweise auch in deutschsprachigen Gebieten abgewandelt etabliert werden kann. Ob sich diese besondere Form von salafiyya als Tradierung (und weniger als Konversionsreligiosität) transferieren wird oder aber eine Spezifität beispielsweise der Balkanregionen bleiben wird, müssen zukünftige Forschungen zeigen. Die Feldforschung ergab allgemein, dass gegenwärtige Salafiströmungen in der Deutschschweiz entgegen der lokalen medialen Rezeption weitestgehend weder politisch aktiv noch gar fremdgefährdend sind. SalafitInnen in der Deutschschweiz sind vorwiegend KonvertitInnen oder RekonvertitInnen, die sich aufgrund individueller Beweggründe oder Kleingruppendynamiken dazu entschließen, sich besonders stark an den vermuteten Lebensweisen der ersten drei Generationen muslimischer Glaubender zu orientieren – und dies meist ausschließlich im Privaten leben. Vorherrschend in der Schweiz sind momentan a) in ihrer Formierung volatile, sich mittels vielfältiger Quellen über Glaubensfragen informierende Kleingruppen mit Angehörigen eher jungen Alters, die meist keiner einzelnen salafitischen Strömung dauerhaft nahestehen; und b) eher stabil und persistent Glaubende tendenziell höheren Alters, die in vielen Fällen der sogenannten Madkhaliyya zuzurechnen sind (eine Gruppe, die aus theologischen Gründen u.a. höchste Gesetzestreue auch beim Aufenthalt in nichtmuslimischen Ländern fordert und klar abseits jeder Gewaltbereitschaft positioniert ist). Darüberhinaus existieren versprengt weitere Gruppen, wie etwa ehemalige und fortdauernde SympathisantInnen der moderat-inklusiven Salafyo Costa-Bewegung. Sehr vereinzelt gibt es potentiell gewaltbereite Personen, die sich von (theologisch meist recht dürftig belegbaren) Glaubensauslegungen angezogen fühlen, welche gewalttätige Angriffskonflikte rechtfertigen. Die meisten von ihnen sind aber aufgrund a) geringer religiöser Bildung und Selbstverortungskompetenz und b) aus theologischen Gründen wie bspw. einer engen Angliederung an bestimmte Rechtsschulen kaum als Salafis im engeren Sinne einzuordnen, und werden von der Mehrheit der Salafis nicht als solche angesehen, sowie oft sogar als Ungläubige betrachtet. Die explorative Ausrichtung der Projektagenda ermöglichte, wichtige Diskurse aus dem Feld nach Bedarf in den Fokus zu nehmen – vorrangig das Thema Gefühlssteuerungen und (un)erwünschte Gefühle. Hier fiel auf, dass insbesondere die mit salafitischer Religiosität einhergehenden Emotionsregulationsgebote und -optionen für diverse Salafis einen subjektiv empfundenen Gewinn an Lebensqualität bieten, da diese Empfindensregeln ihnen unangenehme Gefühle kanalisieren und modifizieren helfen. Religiös-moralisch begründete Gefühlsregeln können daher im beforschten Feld als einer der wichtigen Konversionstreiber und Glaubenspersistenzfaktoren betrachtet werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Empirical Approaches to Salafism in Europe. Special Issue Journal of Muslims in Europe, Vol. 9, No. 2
    Mira Menzfeld, Sabine Damir-Geilsdorf (eds.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1163/22117954-BJA10004)
  • 2021. „Composing Ethnographic Texts. How to Use Stylistic and Argumentative Techniques Properly.“ In: Ethnoscripts, Vol. 23, No.1
    Mira Menzfeld
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5167/uzh-208916)
 
 

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