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FOR 2928: Fluchtmigration nach Deutschland: ein „Vergrößerungsglas“ für umfassendere Herausforderungen im Bereich Public Health
Fachliche Zuordnung
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Medizin
Medizin
Förderung
Förderung seit 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 409654512
Fluchtmigration und die sich daraus ergebenden Herausforderungen der „Flüchtlingsgesundheit“ werden momentan als Ausnahmeerscheinung, als Singularität gesehen. Wir postulieren, dass dies sozial wie wissenschaftlich eine Engführung darstellt: Erstens kann eine solche Singularitätsperspektive negative Auswirkung auf die Gesundheit Geflüchteter haben, indem sie durch Prozesse des ‚Othering‘ („Veranderung“) u.a. zu Exkludierung und Separierung und damit zu einer weiteren Marginalisierung der Geflüchteten beiträgt. Zweitens folgt aus einer solchen Engführung eine verpasste Gelegenheit, die Gesundheit der Gesamtbevölkerung zu verbessern, denn das sich bietende, inhärente analytische Potenzial, umfassendere Defizite zu bearbeiten, wird nicht genutzt. Angesichts der gesellschaftlichen Heterogenität in Deutschland können die Herausforderungen der „Flüchtlingsgesundheit“ als eine Steigerung und Akkumulierung von Faktoren angesehen werden, die auch die Gesundheit anderer Untergruppen und letztlich – wenn auch in unterschiedlichem Maße – aller Menschen in Deutschland betreffen.In der Forschungsgruppe PH-LENS untersuchen wir zwei solcher Faktoren sowie deren Interaktionen aus einer betont interdisziplinären Perspektive: zum einen kontextuelle (kleinräumige) Einflüsse auf Gesundheit; zum anderen spezifische Herausforderungen an das Gesundheitssystem (die wir mithilfe des Konzepts der Resilienz des Gesundheitssystems untersuchen). ‚Othering‘ als Analyseperspektive dient uns als theoretische Klammer zwischen beiden Faktoren. Wir werden gesundheitliche Ungleichheiten identifizieren, die mit diesen beiden Faktoren zusammenhängen; die zugrunde liegenden Mechanismen wie soziale Schließungsprozesse analysieren; und Konzepte sowie Strategien zur Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten vorschlagen. Indem wir die Singularitätsperspektive ablehnen, werden unsere – inhaltlichen wie methodischen – Ergebnisse auch breiter für Public-Health-Herausforderungen in der zunehmend heterogenen Bevölkerung Deutschlands anwendbar sein. Durch dieses innovative Konzept unterscheidet sich PH-LENS grundlegend von vielen derzeit laufenden Projekten zur „Flüchtlingsgesundheit“.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Projekte
- Analyse kontextueller Faktoren und Faktoren des Gesundheitssystems auf die Versorgung geflüchteter Frauen in Schwangerschaft und Geburt (PROREF) (Antragstellerinnen / Antragsteller Borde, Theda ; David, Matthias )
- Identifizierung, Konzeptualisierung und kleinsträumige Modellierung kontextueller Determinanten der Gesundheit vulnerabler Bevölkerungsgruppen (DEPRIV) (Antragstellerinnen / Antragsteller Razum, Oliver ; Sauzet, Odile )
- Interaktion zwischen Gesundheit und Integration Geflüchteter in Deutschland aus einer längsschnittlichen Perspektive (LARGE) (Antragsteller Schupp, Jürgen )
- Konzeptualisierung und empirische Analysen des Othering in Public Health und der Gesundheitsversorgung (OTHER) (Antragsteller Razum, Oliver ; Zick, Andreas )
- Koordinationsfonds (Antragsteller Razum, Oliver )
- Mental health Behandlung von Flüchtlingen in Deutschland: Bedürfnisse und Barrieren (TREAT) (Antragsteller Neuner, Frank )
- Natürliches Experiment zu kontextuellen Einflüssen auf die Gesundheit und Gesundheitsversorgung von Geflüchteten (NEXUS) (Antragsteller Bozorgmehr, Kayvan )
- Sicherstellung valider Vergleiche von Selbstberichten in heterogenen Populationen und Randgruppen (ENSURE) (Antragstellerin Menold, Natalja )
- Vulnerabilität und Empowerment: Partizipative Ansätze der Gesundheitsförderung mit Geflüchteten (EMPOW) (Antragstellerin von Unger, Hella )
Sprecher
Professor Dr. Oliver Razum