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FOR 2828: De/Sakralisierung von Texten
Fachliche Zuordnung
Geisteswissenschaften
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 398344141
Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass in Gesellschaften Texte zirkulieren, die insgesamtoder für bestimmte Gruppen einen normativen und identitätsstiftenden Charakter haben unddenen eine signifikante Autoritäts- und Relevanzdifferenz zu anderen Texten zugeschriebenwird. Sie sind mit kulturellen und religiösen Praktiken des Gebrauchs, d.h. der Auslegung, derInszenierung und Attribuierung verbunden, durch die ihre Besonderheit und ihre Geltungsansprüchehervor- und zum Ausdruck gebracht werden. Diese Prozesse bezeichnen wir als Sakralisierung.Neben den vermeintlich offensichtlichen Beispielen für sakralisierte Schriften, denkanonischen Büchern von Religionsgemeinschaften, interessieren wir uns auch für sakralisierteSchriften im Bereich der Literatur, des Rechts und der Politik. Alle diese Texte können ihre Besonderheitenganz oder teilweise wieder verlieren, wenn die entsprechenden Praktiken sich ändernoder nicht mehr greifen bzw. im Zuge historischer Wandlungsprozesse Autoritätsansprüchenicht mehr anerkannt werden. Die interdisziplinäre und komparative Analyse dieser gegenläufigenDynamiken von Sakralisierung und Desakralisierung in unterschiedlichen sozialen, kulturellenund religiösen Kontexten stellt das gemeinsame mittel- und langfristig angelegte Forschungsvorhabendar. Ein intuitives Verständnis von vermeintlich säkularen oder vermeintlichsakralen Texten soll durch unseren praxistheoretischen Forschungsansatz überwunden werden.Wir wollen besser verstehen, durch welche Lese- und Gebrauchspraktiken und welchespezifischen institutionellen Rahmenbedingungen Texte sakralisiert bzw. desakralisiert werden.Dabei rechnen wir auch mit graduellen Abstufungen und Überlappungen in Sakralisierungs- undDesakralisierungs-prozessen, die eine kategoriale Grenzziehung sakral versus profan nicht immerals klar durchführbar erscheinen lassen. Als interdisziplinäre Gruppe, in der unterschiedliche religiöse Traditionen und Regional-wissenschaftenvertreten sind, wollen wir uns diesem Komplex in dezidiert komparatistischer Weisewidmen und zu dem kulturwissenschaftlichen, in sich interdisziplinären Diskurs über Sakralitäteinerseits und seiner Rezeption in den von der Gruppe vertretenen Fachwissenschaften andererseitsbeitragen.Das Forschungsvorhaben zielt auf funktionale und prozesshaft zu verstehende Differenzmerkmalevon kulturell prägnanten Texten (Cassirer 1982, 235), indem diese etwa identitätsstiftendfür ihre jeweiligen Auslegungsgemeinschaften wirken, Orientierungskraft für die Gestaltungdes individuellen und sozialen Lebens entfalten und eine diskursive Referenzgröße für gesellschaftlicheVerständigungsprozesse über Werte und Normen bilden. Dabei können sie gegensätzlicheFunktionen erfüllen, indem sie existierende Normen, Institutionen und Autoritäten stützenoder in Frage stellen. Die Texte sowie die aus ihnen abgeleiteten Ansprüche erscheinen inbestimmten Kontexten als nicht verhandelbar, haben Anteil an Rhetoriken der Unverfügbarkeitund sie erzeugen Spannungen, wenn sie etwa in Konkurrenz zueinander treten. Die Konstitutionsbedingungensakralisierter bzw. desakralisierter Texte können durch den hier zugrunde gelegtenpraxistheoretischen Forschungsansatz als Dynamiken der Steigerung bzw. Einebnungder ihnen zugeschriebenen Besonderheiten und Orientierungsleistungen analysiert werden.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Internationaler Bezug
Großbritannien, USA
Projekte
- American Scriptures: Transformationen von Schriftautorität und -kanon im amerikanischen Protestantismus des 18. und 19. Jahrhunderts (Antragsteller Stievermann, Jan )
- De/Sakralisierung von Texten (Antragstellerin Weyel, Birgit )
- Der antike Literaturkanon im Kontext des Neuhumanismus und der Bildungs- und Universitätsreformen bis etwa 1850 (Antragsteller Leonhardt, Jürgen )
- „Der Beweis aus der Schrift“ (Dalīl al-Naql): Muslimische Wahrnehmungen der Bibel in früher osmanischer Zeit (16.–17. Jahrhundert) (Antragstellerin Demiri, Ph.D., Lejla )
- Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als de/sakralisierter Text? (Antragsteller von Bernstorff, Jochen )
- Figurationen der Inspiration, Autorisierung und Auratisierung in der englischen Literatur (Antragsteller Bauer, Matthias )
- Sacred Narrative – die politische Dimension der japanischen Mythologie (Antragsteller Antoni, Klaus )
- Sakralisierung und Desakralisierung in und von Texten des Neuen Testaments (Antragsteller Landmesser, Christof )
- Textgebrauch und Lebensdeutung anlässlich von Bestattungen (Antragstellerin Weyel, Birgit )
- Textverständnis und Krieg: Politikwissenschaftliche Analyse des Zusammenhangs von Auslegungspraktiken und Gewaltlegitimation in afrikanischen Ländern (Antragsteller Hasenclever, Andreas )
Sprecherin
Professorin Dr. Birgit Weyel