Statuserhalt in der sozialen Mitte. Intergenerationale Stabilisierung in Berufsfeldern der Mittelschicht
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Lage der Mittelschichten ist Gegenstand aktueller Debatten um sozialen Zusammenhalt und soziale Sicherheit. Dabei stellt sich die bislang weitgehend unbeantwortete Frage, wie es Familien gelingt, ihren sozialen Status über mehrere Generationen erfolgreich zu stabilisieren. Das Projekt erforschte familiale Strategien des Statuserhalts mithilfe von Familieninterviews, bei denen drei Generationen einer Familie zusammen interviewt wurden. Untersucht wurden drei typische Berufsfelder der Mitte: Akademische Professionen in staatsnahen Sektoren (z.B. Lehrer:innen, Ärzt:innen), mittelständiges Handwerk und qualifizierte Angestellte im technischen Bereich (z.B. Ingenieur:innen). Überrascht wurde das Projekt durch die Covid-19- Pandemie, welche zu Veränderungen im empirischen Design sowie veränderten Status-, Arbeitsund Lebensbedingungen bei den Familien führte. Aufgrund des qualitativen Designs konnte darauf reagiert werden und so auch Befunde zu den Lebenswirklichkeiten von Mittelschichtsfamilien unter Pandemiebedingungen generiert werden. Auf der Grundlage von 30 Interviews finden sich zwei Formen des familialen Statuserhalts und fünf verschiedene Typen. Die erste Form kann als „familialer Statuserhalt auf Basis interdependenter individueller Berufswege“ bezeichnet werden. Hierbei kommen familiale Statuserhaltsstrategien in den Blick, die auf individuellen beruflichen Karrieren basieren, die von anderen Familienmitgliedern zwar mitbeeinflusst und unterstützt werden, aber dennoch individuell vollzogen werden müssen. Drei verschiedene Typen sind zu unterscheiden: „Strategisch-karriereorientierte Familien“ streben Führungspositionen an, planen ihre Karrieren langfristigstrategisch und verorten sich in der oberen Mitte. „Pragmatisch-erfahrungsorientierte Familien“ treffen berufliche Entscheidungen sukzessive und auf Basis ihrer Erfahrungen, zeichnen sich durch Pragmatismus, Bodenständigkeit und eine Praxisorientierung aus und verorten sich in der mittleren Mitte. „Selbstverwirklichend-entwicklungsorientierte Familien“ begreifen ihren Beruf als Berufung und Bildung als Selbstzweck, streben nach gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme und sind im Generationenverlauf häufig Bildungsaufsteiger:innen. Die zweite Form kann als „familialer Statuserhalt als Ergebnis kollektiver Kooperation“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass die Berufskarrieren der Familienmitglieder nicht separat gedacht werden, der Lebensunterhalt auf gemeinsame, aufeinander bezogene Weise in einem Familienbetrieb erwirtschaftet wird und der Statuserhalt nur erfolgreich ist, wenn die Familienmitglieder zusammenhalten. Bei den „Traditionserhaltend-kontinuitätsorientierten Familien“ stehen der Erhalt des Familienerbes und Bodenständigkeit im Vordergrund, sie verorten sich in der unteren Mitte und ihre beruflichen Wege ergeben sich in unhinterfragter Weise aus der Familientradition. Bei den „Traditionserweiternd-aufstiegs-orientierte Familien“ steht eine stärkere Professionalisierung und strategische Planung im Zentrum ihrer Weiterentwicklung des Familienerbes, wobei sie sich in der oberen Mitte verorten. Im Kontext der Covid-19-Pandemie zeigten sich die Mittelschichtsfamilien als grundsätzlich resilient. Ihre sozialen Beziehungen veränderten sich durch die Kontaktbeschränkungen jedoch zeitweise drastisch und es ergaben sich Irritationen in Abhängigkeit von Geschlechterarrangements und der Generationenzugehörigkeit. Berufliche Nachteile trafen vor allem Frauen und die jüngste Generation, wohingegen die älteste Generation insbesondere von der Einschränkung ihrer sozialen Nahbeziehungen betroffen war.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2018): Intergenerationale Statusstabilisierung in der Mittelschicht – eine exemplarische Analyse zweier Unternehmensfamilien. In: WestEnd Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 1/2018, S. 99-108
Schad, Miriam; Burzan, Nicole
- (2018): Von Generation zu Generation. Strategien des Statuserhalts im Kontext von Familien- und Berufsmentalitäten in der Mittelschicht. In: Schöneck, Nadine; Ritter, Sabine (Hg.): Die Mitte als Kampfzone. Wertorientierungen und Abgrenzungspraktiken der Mittelschichten. Bielefeld: transcript. S. 109‒123
Schad, Miriam; Burzan, Nicole
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783839440346-008) - (2019): Verunsicherung in den Mittelschichten? Konzeptionelle und methodische Erwägungen sowie empirische Befunde zur aktuellen Entwicklung in Deutschland. In: sozialpolitik.ch, Vol. 1/2019 („Erosion der Mittelschicht?“), Artikel 1.3.
Burzan, Nicole; Kohrs, Silke; Schad, Miriam
(Siehe online unter https://doi.org/10.18753/2297-8224-131) - (2020): Continuities and Discontinuities. A Methodological Reflection on Sociological Analyses of Time in Multigenerational Family Interviews. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research 2020, 21(2), Art. 2 [auch auf Deutsch]
Burzan, Nicole
(Siehe online unter https://doi.org/10.17169/fqs-21.2.3427) - (2021): Intergenerationaler Statuserhalt und berufsfeldspezifische Bildungsaneignung, In: Forum Erwachsenenbildung, 54. Jg., Heft 1/2021, S. 35-38
Hense, Andrea; Schad, Miriam
(Siehe online unter https://elibrary.utb.de/doi/10.31244/feb.2021.01.11)