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Prävalenz, Prädiktoren und Qualität psychopharmakologischer und psychotherapeutischer Behandlung von Menschen mit intellektueller Behinderung

Fachliche Zuordnung Public Health, Gesundheitsbezogene Versorgungsforschung, Sozial- und Arbeitsmedizin
Förderung Förderung von 2017 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 336778916
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Psychopharmaka sind bei klarer Indikationsstellung auch bei Personen mit Intelligenzminderung (IM) ein wesentlicher Bestandteil einer in der Regel multimodalen Behandlung. Der Forschungsstand deutet allerdings darauf hin, dass Psychopharmaka häufig nicht in Übereinstimmung mit vorliegenden Leitlinien verordnet und die Möglichkeiten nicht-psychopharmakologischer Behandlungsoptionen nur ungenügend berücksichtigt werden. Ziel der PROMPT-ID-Studie war die Erfassung der Prävalenz psychopharmakologischer und psychotherapeutischer Behandlung von Personen mit leichter bis schwerster IM. Parameter der Verordnungspraxis von Psychopharmaka sollten untersucht und die Leitlinienadhärenz ermittelt werden. Es konnten Informationen für n=197 Personen mit IM erhoben werden, von denen 13,7% zum Untersuchungszeitpunkt psychopathologisch auffällig waren und 51,8% ein Problemverhalten zeigten. Die Prävalenz einer Psychotherapie lag bei 0,0%, die Prävalenz einer Psychopharmakotherapie bei 64,0%, Antiepleptika und Antiparkinsonmittel ausgenommen bei 55,3%. Die Prävalenz einer Behandlung mit Neuroleptika lag bei 43,7%, wobei Typika und Atipyka in gleicher Häufigkeit verordnet waren. Die meisten Psychopharmaka, nämlich 65,3%, wurden bereits seit mehr als fünf Jahren eingenommen. Im Durchschnitt nahmen die Studienteilnehmer 1,6 Psychopharmaka ein; 65,3% nahmen mind. zwei, 13,7% mehr als fünf Psychopharmaka ein. Die Leitlinienadhärenz war, dies zeigten die an Teilstichproben durchgeführten Untersuchungen, in zahlreichen Bereichen nur ungenügend. Dies gilt speziell für den Off-Label-Gebrauch und das Monitoring medikamentenspezifischer Laborparameter, das in 69,4% und damit ganz überwiegend zu selten stattfand. Die Verordnung ergänzender oder alternativer nicht-psychopharmakologischer Behandlungsoptionen ist in 58,9% und damit angesichts der geringen Prävalenzen entsprechender Maßnahmen überraschend häufig zumindest in Betracht gezogen worden. Das Ausmaß der Leitlinienadhärenz erwies sich als von Personenmerkmalen weitgehend unabhängig, scheint aber von Merkmalen der beteiligten institutionalisierten Wohnformen beeinflusst: Es fand sich zumindest der Hinweis, dass die Leitlinien in Intensivpädagogischen Wohnstätten (IPW), in denen Personen mit IM und schwersten Verhaltensauffälligkeiten in kleineren Wohngruppen leben, eher eingehalten werden als in der Regelversorgung. Die PROMPT-ID-Studie liefert bezüglich der Prävalenzzahlen, vor allem aber in ihren Untersuchungen zur Leitlinienadhärenz, einen über den bisherigen Forschungsstand hinausgehenden Erkenntnisbeitrag. Mit dem ‚Interview zur Beurteilung der Qualität einer psychopharmakologischen Behandlung von Personen mit Intellektueller Behinderung‘ (IQP-ID) legt sie zudem ein teststatistisch überprüftes Erhebungsverfahren vor, das in zukünftigen Studien gewinnbringend eingesetzt werden kann. Die Aussagekraft der PROMPT-ID-Studie unterliegt angesichts der im Rahmen von Untersuchungen mit Personen mit IM häufig zu beobachtenden Schwierigkeiten in der Rekrutierung von Studienteilnehmern Limitierungen. Der Umstand, dass mehr als 50% der Studienteilnehmer Psychopharmakotherapie erhielten, aber kein einziger Studienteilnehmer im letzten Jahr in ambulanter Psychotherapie war, bestätigt dessen ungeachtet das Bild einer diesbezüglichen Unterversorgung, obwohl die Verordnung und Implementierung ergänzender oder alternativer nicht-psychopharmakologischer Behandlungsoptionen im Rahmen der Behandlung häufig in Betracht gezogen worden ist. Dies deutet darauf hin, dass dieses Bild ganz wesentlich darin begründet scheint, dass es in Deutschland kaum Psychotherapeuten gibt, die sich auf die Behandlung von Personen mit IM spezialisiert haben. Allerdings ist die Wirksamkeit psychotherapeutischer und anderer nicht-psychopharmakologischer Interventionen zwar in Teilbereichen nachgewiesen, aber insgesamt und speziell mit Blick auf die Reduktion von herausforderndem Verhalten noch immer zu wenig untersucht.

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