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Götzenkammern - Entsorgung, Umdeutung und prämuseale Bewahrung vorreformatorischer Bildkultur im Luthertum (1517-1817)
Antragsteller
Dr. Stefan Dornheim
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Kunstgeschichte
Ethnologie und Europäische Ethnologie
Kunstgeschichte
Förderung
Förderung von 2017 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 325467679
Entgegen der populären Auffassung eines bilderarmen, ja bilderfeindlichen Protestantismus sieht sich die kulturhistorische Forschung mit der Tatsache konfrontiert, dass sich im deutschen Sprachraum gerade in den lutherischen Gebieten bis gegenwärtig mehr Artefakte spätmittelalterlicher Kirchenausstattungen erhalten haben als in katholischen Territorien. Nicht selten im Verlauf der Frühen Neuzeit aus ihren ursprünglichen kirchlichen Standorten und Bedeutungsgefüge herausgelöst, bildeten sie seit dem frühen 19. Jahrhundert vielerorts die Objektgrundlage einer politisch und nationalhistorisch motivierten Museumsgründungswelle der bürgerlichen Altertumsvereine. Fragt man nach der Überlieferungsgeschichte dieser plötzlich vielerorts wiederentdeckten altdeutschen Kunstaltertümer, so stößt man auf ein kulturhistorisch bemerkenswertes und zugleich unerforschtes Phänomen, welches der zeitgenössische Begriff Götzenkammer beschreibt. Es handelt sich um die Verbergung theologisch problematisch gewordener sakraler Objekte (Figuren, Bildnisse, Reliquien, etc.) in speziellen, mehr oder minder unzugänglichen Räumen der Kirchengebäude. Zugleich lassen sich erste Formen prämusealer Bewahrungs- und Historisierungsstrategien erkennen, welche für die spezifisch lutherische Erinnerungskultur durchaus typisch sind. Die erstmalige Untersuchung der Entwicklungsgeschichte dieser Phänome vormoderner kirchlicher Objekt- und Bildnisdepots verspricht wichtige Aufschlüsse über den spezifisch lutherischen Umgang mit altkirchlicher Bild- und Symbolkultur und über Strategien der Umdeutung und Neukodierung von einst zentralen Objekten kommunaler bzw. kollektiver Glaubens-, Erinnerungs- und Repräsentationspraxis. Der bildwissenschaftliche Blick und der Ansatz der Materiellen Kultur eröffnen dabei eine neue Perspektive auf die Herausbildung von Konfessionskulturen, welche noch stärker als regional differenter und vielgestaltiger Langzeitprozess konturiert werden können. Ablesbar am Umgang mit den ererbten Bildobjekten erscheint die vormoderne Konfessionskultur auch als ein Ergebnis kultureller Umkodierungsprozesse wie Entsakralisierung, Entzauberung, Pädagogisierung, Historisierung und vielfältiger Traditionsneuschöpfungen. Anhand des mitteldeutschen Raumes als dem Mutterland der Reformation soll diesen Phänomenen für den Zeitraum des 16.-18. Jahrhunderts aus interdisziplinär kulturhistorischer Perspektive nachgegangen werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich
Professor Dr. Winfried Müller