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Gute Pflege für Menschen mit Demenz - Rekonstruktion von Pflegehabitus in der stationären Langzeitpflege

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2016 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 316201566
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Da Medizin und Pharmazie bislang keine befriedigenden therapeutischen Antworten auf die gesellschaftliche Herausforderung zunehmender dementieller Erkrankungen zu geben vermag, rücken Notwendigkeit und Potentiale einer „person-zentrierten“ „therapeutischen“ Pflegebeziehung (DNQP 2018) die Pflege als Beziehungsberuf in den Vordergrund. Damit stellt sich aber die Frage, worin eigentlich das therapeutische Agens in der personzentrierten Pflegebeziehung besteht. Außer diesem ungeklärten theoretischen Problem wird der von dem britischen Gerontologen und Sozialpsychologen Tom Kitwood so genannte Ansatz einer person-zentrierten Pflege (Person-Centred Care / PCC) von Menschen mit Demenz, die beansprucht die Person und nicht die Krankheit in den Mittelpunkt pflegerischer Bemühungen rücken zu wollen, von Anbeginn an von der Klage begleitet, dass sich eine personzentrierte Haltung bei Pflegenden nicht stabilisieren lasse. Das DFG-Forschungsprojekt hat diese Probleme zum Ausgangspunkt genommen und in zwei Altenpflegeheimen, die sich selbst als Best-Practice-Einrichtungen für die Pflege von Menschen mit Demenz verstehen, in einem qualitativen empirischen Forschungsdesign teilnehmende Beobachtungen, episodische Interviews und Gruppendiskussionen durchgeführt und mit Hilfe der Dokumentarischen Analyse nach Bohnsack ausgewertet. Es wurden drei Pflegehabitustypen bei insgesamt zwölf weiblichen Pflegefachkräften rekonstruiert, die zeigen, dass es durchaus Pflegekräfte gibt, die Handlungsorientierungen zeigen, die mit Fug und Recht als Person-zentriert angesprochen werden dürfen, allerdings auch solche, deren Talente eindeutig in anderen Bereichen liegen. Zudem konnten soziogenetische Faktoren identifiziert werden, die einen person-zentrierten Pflegehabitus eher befördern oder behindern. Herausgearbeitet wurde auch die besondere psychische Herausforderung, die die Pflege und Kommunikation von Menschen mit Demenz darstellt. Zu den wichtigen Einsichten gehören zum einen die unbedingte Notwendigkeit einer ressourcenerhaltenden Qualifizierung und Professionalisierung der Pflegekräfte für die sich von der allgemeinen Altenpflege deutlich unterscheidenden kommunikativen Anforderungen insbesondere mit dementiell erkrankten Personen mit stark veränderten, belastenden Verhaltensweisen. Zum anderen zeigte sich deutlich, dass die Qualifizierung der Demenzpflege sich nicht darin erschöpfen darf, ein add-on für einzelne Pflegekräfte zu sein, sondern als Demenzpflegekonzepte im Sinne eines pflegekulturverändernden Prinzips in der stationären Altenpflegeeinrichtung wie auch bei den Trägern der Einrichtungen wirksam werden müssen. Die Frage nach der Anerkennung von Menschen mit Demenz als Personen muss damit neu ins Zentrum von Forschung, Politik und Praxis gerückt werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2017). Anerkennung in der partnerschaftlichen Pflege mit (pflegenden) Angehörigen älterer Menschen. ZfmE 63 (1), 25–35
    H. Güther
    (Siehe online unter https://doi.org/10.14623/zfme.2017.1.25-36)
  • (2017): Personzentrierte Langzeitpflege – Herausforderungen und Perspektiven: Themenheft „Personzentrierte Langzeitpflege“ Zeitschrift für medizinische Ethik (ZfmE) 63 (1), 3–14
    H. Brandenburg, H. Baranzke
    (Siehe online unter https://doi.org/10.14623/zfme.2017.1.3-14)
  • (2017): Standpunkt zur Frage des Einsatzes von Scheinwelten und Lügen in der Pflege von Menschen mit Demenz, in: Altenheim. Lösungen fürs Management 3, 56. Jg., S. 30
    H. Brandenburg, H. Baranzke
  • (2018). Demenz: Deutungskämpfe, Versorgung, gutes Leben. In: Bockenheimer-Lucius, G. (Hrsg.). Zwischen Akutklinik und Pflegeeinrichtung. Herausforderungen für eine institutionsübergreifende Medizin- und Pflegeethik, 187-198
    H. Brandenburg
  • (2018): Ethik des Alterns, in: Karsten Hank, Frank Schulz-Nieswandt, Michael Wagner, Susanne Zank: Alternsforschung. Handbuch für Wissenschaft und Studium. Nomos-Verlag: Baden-Baden, 635-662. ISBN 978-3-8487-3328-6
    H. Baranzke, H. Güther, L. Luft, H. Brandenburg
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5771/9783845276687-631)
  • (2018): „Person-zentrierte Pflege – Was steht ihr im Weg?“ Pro Alter (1)
    Simone Helck
  • (2019): Einige Bemerkungen zur Theoriediskussion in der Pflegewissenschaft. Pflege & Gesellschaft 24, 2, 43–54
    H. Brandenburg
  • (2019): Personenzentrierung. Bausteine für einen heilsamen Umgang bei Menschen mit Demenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, in: Ingo Proft, Holger Zaborowsky (Hg.): Gesundheit – das höchste Gut? Herder: Freiburg/Br., 65–81. ISBN 978-3-451-38311-3
    H. Brandenburg
  • (2019): Stationäre Altenpflege und hospizlich-palliative Sterbebegleitung in Deutschland. Einander kennenlernen – voneinander lernen – miteinander gestalten. In: Olivia Mitscherlich-Schönherr (Hg.): „Boundary Studies in Philosophical Anthropology / Philosophische Anthropologie der Grenzfragen menschlichen Lebens“, Bd. 1: Zeitgenössische Theorien über gelingendes Sterben in der Diskussion. Berlin, 275–297
    H. Brandenburg, H. Baranzke, H. Kautz
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110599930)
  • (2019): Von der Suche nach dem Heil in und jenseits der Heilung. Biblischtheologische Impulse für eine personzentrierte Gesundheitsfürsorge, in: Ingo Proft, Holger Zaborowsky (Hg.): Gesundheit – das höchste Gut? Herder: Freiburg/Br., 82-103. ISBN 978-3-451-38311-3
    H. Baranzke
  • (2019): „Wir brauchen einen Kulturwandel!“ Wie gelingt gute Pflege trotz Fachkräftemangel? NOVAcura 9, 1–4
    D. Leopold, H. Brandenburg
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1024/1662-9027/a000094)
 
 

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