Inszenierung des "Germanischen" im Neuheidentum der Gegenwart
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel der religionssoziologischen Feldstudie war es, einen Überblick über die unterschiedlichen Formen „germanisch-neuheidnischer“ Religiosität im deutschsprachigen Raum zu erlangen. Weil in der bisherigen Forschung in diesem Bereich vor allem politisch-ideologische Aspekte im Vordergrund standen, wurde das Augenmerk nun explizit auf die religiösen Sinnwelten gelegt. Zur neutralen Bezeichnung des religiösen Feldes wurde das Konzept des Asatheismus – die polytheistische Verehrung der Asen als Götter der altskandinavischen Mythologie – eingeführt. Wie kommen Menschen heute dazu, sich als „germanische Heiden“ zu definieren? Was wissen und woran glauben sie? Welche Riten üben sie zur Kommunikation mit ihren Göttern aus und welche Bedeutung kommt diesen überhaupt zu? Diese und andere Fragen wurden insgesamt 28 Asatheisten aus 14 unterschiedlichen Gruppen in ausführlichen qualitativen Interviews zur Beantwortung vorgelegt. Außerdem wurden die Rituale von sechs Gruppierungen in teilnehmender Beobachtung dokumentiert und ausgewertet. Zusätzlich wurden vielfältige schriftliche Quellen und materielle Artefakte untersucht. Den Kern der asatheistischen Religion bildet die Verehrung einer Vielzahl von Göttern. Neben religiös-spirituellen Erfahrungen spielen aber auch die Faszination für ‚Archaisches’, die soziale Erfahrung religiöser Gemeinschaft und die individuelle Bewältigung kritischer Lebenssituationen eine bedeutsame Rolle für die Hinwendung zum Asatheismus. Zur Konstruktion der modernen „germanischen Religion“ dienen, neben weltanschaulichen Überzeugungen, diverse polytheistische, neoschamanische und allgemein esoterische Konzepte. Ihr religiöses Wissen beziehen die Befragten vielfach aus aktuellen archäologischen und religionshistorischen Forschungsarbeiten, aber auch aus esoterischer Literatur und fiktionalen Medienformaten (Rockmusik, Filme, Fantasy-Romane). Obwohl sich das religiöse Selbstverständnis der Asatheisten auch aus einer allgemeinen Christentumskritik speist, kann von einer durchgängigen Frontstellung nicht gesprochen werden. Vielmehr herrscht eine differenzierte Wahrnehmung von christlicher Religion und Kirche vor und einige Befragte integrieren sogar ausgewählte christliche Elemente in ihre Spiritualität. Letztlich zeigte sich, dass religiöse Sinnbezüge auf „Germanisches“ in der Gegenwart nicht notwendigerweise Ausdruck einer kulturkritischen oder gar rechtsextremistischen Weltanschauung sein müssen, sondern ebenso Elemente einer pluralistischen Form spiritueller (Wieder-)beheimatung in der Moderne bilden können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2008): Germanisches (Neu-)Heidentum in Deutschland. Entstehung, Struktur und Symbolsystem eines alternativreligiösen Feldes. Berlin: Logos
Gründer, René
- (2009): Asatheismus. Eine Religionsethnographie germanischneuheidnischer Glaubensformen. Diss. Universität Freiburg, Philosophische Fakultät
Gründer, René
- (2009): Asatru in Deutschland – Strömungen einer alternativreligiösen Bewegung. In: Gründer, René; Schetsche, Michael; Schmied-Knittel, Ina (Hg.): Der andere Glaube. Europäische Alternativreligionen zwischen heidnischer Spiritualität und christlicher Leitkultur. Würzburg: Ergon, 77-99
Gründer, René
- (2009): Der andere Glaube – soziologische Dimensionen europäischer Alternativreligionen. In: Gründer, René; Schetsche, Michael; Schmied-Knittel, Ina (Hg.): Der andere Glaube. Europäische Alternativreligionen zwischen heidnischer Spiritualität und christlicher Leitkultur. Würzburg: Ergon, 167-194
Gründer, René; Schetsche, Michael; Schmied-Knittel, Ina
- (2009): Der andere Glaube. Europäische Alternativreligionen zwischen heidnischer Spiritualität und christlicher Leitkultur. Würzburg: Ergon
Gründer, René; Schetsche, Michael; Schmied-Knittel, Ina
- (2009): Runengeheimnisse. Zur Rezeption esoterischen Runen-Wissens im germanischen Neuheidentum Deutschlands. In: Aries 9, N2: 137-174
Gründer, René
- (2009): Traditionen des germanischen Heidentums in der Moderne. In: Gnostika 42, 35-46
Gründer, René