Methodenstudie zur Entwicklung inklusiver quantitativer Forschungsstrategien in der Jugendforschung am Beispiel von Freundschaften und Peerbeziehungen von Jugendlichen mit Behinderungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Jugendliche mit Behinderungen werden v.a. in der quantitativen Jugendforschung bislang kaum adressiert und sind in Forschungsprojekten und deren Stichproben nur selten vertreten. Als Begründung wird häufig das Argument vorgebracht, diese Jugendlichen seinen aufgrund von kognitiven, motorischen, psychischen oder kommunikativen Einschränkungen nicht in der Lage, sich an Forschungsprojekten zu beteiligen. Ziel und Inhalt des Projektes war es, diese Perspektive zu hinterfragen und empirisch zu erarbeiten, unter welchen methodischen und forschungsorganisatorischen Bedingungen Jugendliche mit Behinderung an quantitativen Studien teilnehmen können. Es wurden daher Erhebungsinstrumente und Befragungsstrategien gesichtet, geprüft und weiterentwickelt, die den individuellen Möglichkeiten junger Menschen mit unterschiedlichen Formen von Behinderungen gerecht werden und ihnen eine Beteiligung an quantitativen Befragungen ermöglichen. Dabei gilt es einerseits, das Prinzip der Standardisierung aufrecht zu erhalten, andererseits, auf die individuellen, durch eine Behinderung gegebenen Möglichkeiten und Grenzen der Jugendlichen einzugehen. Die zentralen Ergebnisse des Projektes zeigen, dass für die Befragung von Jugendlichen mit verschiedenen Formen und Graden von Behinderung Anpassungen bezogen auf das Erhebungsinstrument auf drei Ebenen notwendig sind. Es gilt erstens die Befragungsinhalte angemessen zu erheben, zweitens eine geeignete formale Präsentation zu wählen (dies betrifft v.a. den Kommunikationsweg und die Gestaltung des Befragungssettings) sowie drittens die Länge und Komplexität des Instruments den Möglichkeiten der Jugendlichen entsprechend zu gestalten. Vor dem Hintergrund der genannten häufig vermuteten eingeschränkten oder gänzlich fehlenden Befragbarkeit von Jugendlichen mit Behinderungen ergibt sich auf Basis der Erfahrungen des Projektes ein optimistisches Bild. Unter Berücksichtigung ihrer Möglichkeiten und Grenzen können Jugendliche mit Behinderung in quantitativen Studien durchaus befragt werden. Die grundsätzliche Perspektive der Jugendforschung, Jugendliche so weit wie möglich selbst zu befragen und nur in Ausnahmefällen (z.B. bei stärker ausgeprägter geistiger Behinderung) auf Fremdauskünfte bzw. Proxy-Interviews oder andere Forschungsmethoden wie Beobachtungen auszuweichen, gilt somit auch für die Gruppe der Jugendlichen mit Behinderung. Die Projektergebnisse können somit (Jugend)Forscher_innen ermutigten, die Befragung von Jugendlichen mit Behinderung in künftigen Forschungsvorhaben stärker als bisher als selbst zu befragende Zielgruppe in Betracht zu ziehen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2018): Quantitative Forschung mit Jugendlichen mit Behinderungen – Stand der Forschung, Entwicklungsbedarfe, Möglichkeiten und Grenzen einer inklusiven Jugendforschung. In: Inklusion - Online. 13 Jg., H. 2, o. S.
Gaupp, Nora/Ebner, Sandra/Schütz, Sandra/Brodersen, Folke
- (2018): „Ich hab‘ doch keine geistige Behinderung – ich sitze ja nicht im Rollstuhl“. Wege und Schwierigkeiten, Jugendliche nach dem Vorliegen einer ‚Behinderung‘ zu fragen. In: Journal für Psychologie, 26 Jg., H. 2, 133 -159
Brodersen, Folke/Ebner, Sandra/Schütz, Sandra/Gaupp, Nora
(Siehe online unter https://doi.org/10.30820/8248.08) - (2019). „How to …?“ Methodische Anregungen für quantitative Erhebungen mit Jugendlichen mit Behinderung. Erkenntnisse aus dem Projekt „Inklusive Methoden“. München: DJI
Brodersen, Folke/Ebner, Sandra/Schütz, Sandra
- (2019): Qualitätssicherung bei der Befragung von Jugendlichen mit einer sogenannten geistigen Behinderung in sozialwissenschaftlichen Studien. In: Menold, Natalja/Wolbring, Tobias (Hrsg.): Qualitätssicherung sozialwissenschaftlicher Erhebungsinstrumente. Reihe: Schriftenreihe der ASI. Wiesbaden: Springer VS, 371-406
Schütz, Sandra/Brodersen, Folke/Ebner, Sandra/Gaupp, Nora
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-24517-7_12)