Neurokognitive Grundlagen der Theory of Mind
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Einen zentralen Meilenstein in der Entwicklung der Theory of Mind (ToM) bildet das Verständnis falscher Überzeugungen. Ein Hauptziel des vorliegenden Kooperationsprojekts war die Beantwortung der Frage nach der neuronalen Spezifität dieser Fähigkeit. Dazu wurden in einer Reihe von fMRT- und EKP-Studien falsche Überzeugungen mit wahren Überzeugungen, Realitätsbeurteilungen und symbolischen Spielhandlungen (pretense) verglichen. Die Ergebnisse dieser Studien weisen darauf hin, dass 1) die Zuschreibung von Überzeugungen, wahrer wie falscher, zu Aktivierungen in der bilateralen temporo-parietalen Junction (TPJ) führen, was für einem Abgleichsprozess zwischen internalen Modellen und externen Reizen bei der belief-Attribution spricht; 2) die Zuschreibung falscher Überzeugungen mit einer späten anterioren slow-wave sowie einem Aktivierungsanstieg im dorsalen medialen Präfrontalkortex (dmPFC) assoziiert ist, was mit der notwendigen metarepräsentationalen Verarbeitung falscher Überzeugungen im Zusammenhang stehen könnte; und dass 3) pretense durch eine höhere P2-Amplitude an parieto-okkzipitalen Arealen gekennzeichnet ist, was darauf hinweist, dass für das pretense-Verständnis die Zuschreibung intentionaler Handlungsabsichten, nicht aber metarepräsentationales Verständnis, notwendig ist. Darüber hinaus zeigen die Studien mit Kindern im Altersbereich zwischen 6-8 (EKPs) und 10-12 Jahren (fMRT), dass es noch nach dem Zeitpunkt, zu dem Kinder ein Verständnis falscher Überzeugungen entwickelt haben, zu Modulationen des beteiligten kortikalen Netzwerkes kommt. Insbesondere zeigen Kinder sowohl im fMRT wie auch bei den EKPs breitere frontale Aktivierungen während der Attribution falscher Überzeugungen. Ein zweites Ziel bestand in der Erforschung der neuronalen Grundlagen des Verständnisses von Wünschen und Intentionen, das dem der Überzeugungen vorausgeht. Untersucht wurde die Emotionszuschreibung aufgrund der Erfüllung oder Nicht-Erfüllung eines subjektiven moralischen oder nicht-moralischen Wunsches. Die fMRT wie auch die EKP-Daten zeigten, dass bei Erwachsenen E- motionsattribution im Vergleich zur belief-Attribution eher mit Aktivierungen im ventralen medialen Präfrontalkortex (vmPFC) einhergeht und dass die Attribution unmoralischer Wünsche mit einem erhöhten Verarbeitungsaufwand verbunden ist. Bei Kindern (10-12 Jahre (fMRT) und 5-8 Jahre (EKPs)) führte die Emotionsattribution auf Grundlage wunschbasierter neutraler und unmoralischer Handlungen zu erhöhten Aktivierungen posteriorer Areale zwischen 500-700 ms. Während also die frontale Aktivierung bei der belief-Attribution auf eine repräsentationale Verarbeitung schließen lässt, verweisen die posterioren Aktivierungen auf eine eher stimulusbasierte Verarbeitung, was den behavioral zu beobachtenden Entwicklungsverlauf vom belief- zum desire-Verständnis neuronal widerspiegelt. Das dritte Ziel bestand in der Untersuchung der neuronalen Korrelate der Mentalisierung bei Patienten mit bekannten ToM-Defiziten. Bei forensischen Patienten mit der Persönlichkeitsstörung der Psychopathie wurden die neuronalen Grundlagen der Emotionsattribution auf Grundlage subjektiver Wünsche und moralische Alltagsentscheidungen untersucht. Dabei spiegelten die neuronalen Studien das komplexe Verhalten der Patienten wider. Während behavioral kaum Unterschiede zu einer nichtpsychopathischen forensischen Gruppe bestanden, zeigten die psychopathischen Patienten distinkte Aktivierungsmuster, die zum einen auf eine defizitäre Entwicklung wichtiger ToM-Vorläuferfunktionen verweisen und zum anderen die mangelnde Beteiligung emotionsverarbeitender Areale (Amygdala) bei moralischen Entscheidungsprozessen zeigen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Sommer, M., Döhnel, K., Sodian, B., Meinhardt, J., Thoermer, C., & Hajak, G.
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(2008). Metacognition, Theory of Mind, and self-control: The relevance of highlevel cognitive processes in Development, Neuroscience, and Education. Mind, Brain, and Education, 2, 111-113
Sodian, B., & Frith, U.
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Encyclopedic Reference of Neuroscience, Heidelberg, Germany: Springer
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Sommer, M., Sodian, B., Schwerdtner, J., Döhnel, K., Meinhardt, J., & Hajak, G.
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(2010). Modulation of the cortical false belief network during development. Brain Research, 1354, 123-131
Sommer, M., Meinhardt, J, Eichenmüller, K., Sodian, B., Döhnel, K., & Hajak, G.
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How should I decide? The neural correlates of everyday moral reasoning. Neuropsychologia, 48, 2018-2026
Sommer, M., Rothmayr, C., Döhnel, K., Meinhardt, J., Schwerdtner, J., Sodian, B., & Hajak, G.
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(2011). Common and distinct neural networks for false-belief reasoning and inhibitory control. NeuroImage, 56, 1705-1713
Rothmayr, C., Sodian, B., Hajak, G., Döhnel, K., Meinhardt, J., & Sommer, M.
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(2011). True- and false belief reasoning in children and adults: An event-related potential study of theory of mind. Developmental Cognitive Neuroscience, 1, 67-76
Meinhardt, J., Sodian, B., Thoermer, C. Döhnel, K., & Sommer, M.
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(2012) Entwicklung der Theory of Mind in der Kindheit. In H. Förstl (Ed.), Theory of Mind: Neurobiologie und Psychologie sozialen Verhaltens. Heidelberg: Springer
Sodian, B., Eisenbeis, H., Meinhardt, J.
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(2012) Functional activity of the right temporo-parietal junction and of the medial prefrontal cortex associated with true and false belief-based behaviour attribution. NeuroImage, 60, 1652-1661
Döhnel, K., Schuwerk, T., Meinhardt, J., Sodian, B., Hajak, G. & Sommer, M.
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(2012). Distinct neural correlates underlying pretense and false belief reasoning: Evidence from ERPs. NeuroImage, 63, 623-631
Meinhardt, J., Kühn-Popp, N., Sommer, M. & Sodian, B.
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(2012). Neuronale Grundlagen der Theory of Mind. In H. Förstl (Ed.), Theory of Mind: Neurobiologie und Psychologie sozialen Verhaltens. Heidelberg: Springer
Sommer, M., Döhnel, K., Schuwerk, T. & Hajak, G.