Methodik zur Bewertung der Steuerungsfähigkeit globaler Wertschöpfungsnetzwerke durch kennzahlenbasierte Modellierung unter Berücksichtigung realer Entscheidungsstrukturen mit Hilfe der agentenbasierten Simulation
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Aufgrund des erhöhten Wettbewerbs- und Kostendrucks auf internationalen Märkten besinnen sich Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen zurück. Sie bauen global verteilte Wertschöpfungsnetzwerke auf, die durch eine intensive Kooperation mit Partnern wie beispielsweise Lieferanten und Kunden gekennzeichnet sind. Das Entscheidungsverhalten der Partner wird durch divergierende Ziele, wechselseitige Interdependenzen, asymmetrische Machtverhältnisse, inhomogene Informationsverteilung sowie dem Vertrauen zu anderen Netzwerkpartnern beeinflusst. Aufgrund der Vielzahl von Einflussfaktoren stellt die Steuerungsfähigkeit globaler Netzwerke eine Herausforderung dar. Zielsetzung des Forschungsprojekts war die Entwicklung einer Bewertungsmethodik für die strategische Steuerung von Produktionsprozessen in globalen Wertschöpfungsnetzwerken. Die Methodik sollte Unternehmen die Identifikation von Schwachstellen und Verbesserungspotentialen in den drei systemrelevanten Wirkdimensionen Kosten, Zeit und Qualität ermöglichen. Zudem sollte die Methodik die Auswahl geeigneter Steuerungsmaßnahmen befähigen und dabei die individuelle Netzwerkkonfiguration sowie spezifische Eigenschaften wie beispielsweise dezentrale Entscheidungsstrukturen, Interdependenzen und asymmetrische Machtverteilung berücksichtigen. Dieser Zielsetzung folgend wurden auf Basis einer Literaturrecherche in einem ersten Schritt auf Standortebene Standortrollen sowie auf Netzwerkebene Lieferanten- und Kundentypen charakterisiert. Zudem fand eine Eignungsprüfung verschiedener Bewertungsmethoden statt. Beide Arbeiten dienten als Vorbereitung zur Aufstellung einer durchgängigen Zielsystemtypologie für die Bewertung der Steuerungsfähigkeit von Wertschöpfungsnetzwerken. Im weiteren Verlauf wurden sowohl Kennzahlen zur Quantifizierung der Steuerungsfähigkeit aus den Bereichen Qualität, Kosten, Zeit, Flexibilität und Nachhaltigkeit als auch Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerung und des Managements von Wertschöpfungsnetzwerken recherchiert. Die Kennzahlen wurden anhand der zuvor entwickelten Zielsystemtypologie zu einem hierarchischen dimensionsübergreifenden Kennzahlennetz verknüpft. Dieses dient als Beschreibungsmodell für unternehmensübergreifende Produktionsprozesse in Wertschöpfungsnetzwerken. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerung und des Managements wurden auf Basis einer Expertenbefragung und Literaturrecherche mit einer Maßnahmenmatrix spezifiziert. Der weitere Projektverlauf beinhaltete eine detaillierte Charakterisierung der Maßnahmen anhand eines Maßnahmenkatalogs sowie deren Integration in ein Kennzahlenmodell. Im Anschluss wurden das kennzahlbasierte Beschreibungsmodell und der Maßnahmenkatalog in ein agentenbasiertes Simulationstool überführt. Aufgrund des generischen agentenbasierten Aufbaus von Prozessen und Standorten können mit dem Simulationsmodell zahlreiche Produktionsnetzwerke aus unterschiedlichen Branchen nutzerfreundlich und individuell modelliert werden. Die Validierung der Ergebnisse fand anhand eines Produktionsnetzwerks aus der Automobilzulieferindustrie sowie anhand eines Netzwerks aus der Lebensmittelindustrie statt. Die Validierung hat gezeigt, dass die Methodik eine Bewertung der strategischen Steuerungsfähigkeit globaler Wertschöpfungsnetzwerke ermöglicht. Anhand der Methodik können Steuerungsmaßnahmen auf verschiedenen Netzwerkebenen in Abhängigkeit von Wirksamkeit und Effizienz bei konkurrierenden Zielsystemen fallspezifisch und individuell ausgewählt werden. Die Ergebnisse der entwickelten Methodik sind als vielsprechend einzustufen. Die entwickelten Zielsystemtypologien und Kennzahlenhierarchien sind generisch aufgebaut und können für unterschiedliche Anwendungsfälle eingesetzt werden. Das Sirnulationsmodell ist aufgrund seines agentenbasierten Aufbaus beliebig skalier- und parametrisierbar. Beide Aspekte steigern das Venwertungspotential der Ergebnisse sowohl für einen Einsatz in nachfolgenden Forschungsprojekten als auch für den Einsatz in der Industrie. Die Programmierung leicht bedienbarer Benutzeroberflächen sowie die Möglichkeit zum Export des Simulationsmodells als plattformunabhängige Java-Anwendung fördern zudem die Weiternutzung in der Industrie. Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsaktivitäten ergeben sich beispielsweise durch die Berücksichtigung der Rolle von Transparenz und Informationsaustausch bei der Steuerung von Wertschöpfungsnetzwerken sowie durch die Berücksichtigung von Störungen, die eine Steuerung überhaupt erst notwendig machen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2015): Planning Support for the Design of Quality Control Strategies in Global Production Networks, Procedia CIRP, Vol. 41, S. 675-680
Arndt, T.; Lanza, G.
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(2016): Amplification of supply chain performance measurement systems by sustainability key performance indicators, 8th International Scientific Conference Management of Technology - Step to Sustainable Production (MOTSP), Poreč, Croatia
Lemmerer, C.; Schieder, P.; Biegler, C.; Sihn, W.
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(2016): Simulation-Based Evaluation of Quality Control Strategies in Global Manufacturing Networks, Advanced Materials Research, Vol. 1140, S. 473-480
Arndt, T.; Buderer, C.; Hofmann, M.; Lanza, G.
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(2016): Target System Based Design of Quality Control Strategies in Global Production Networks, Procedia CIRP, Vol. 50, S. 336-341
Arndt, T.; Lemrnerer, C.; Sihn, W.; Lanza, G.
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(2017): Managing Global Production Networks: Integrating Performance Measurement Into Agent Based Simulation to Support Strategie Decision Making, MOTSP 2017, 5th-7th April 2017, Dubrovnik, Croatia
Biegler, C.; Lemrnerer, C.; Schieder. P.; Sihn, W.
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(2017): Steuerung globaler Produktionsnetzwerke: Entwicklung eines Standortrollenmodells zur dynamischen Bewertung von Gestaltungsmaßnahmen, wt-online, Jahrgang 107, Heft 4, S. 241-246
Arndt, T.; Lemrnerer, C.; Biegler. C.; Sihn, W.; Lanza, G.