Gesteigerte Flexibilität in heterogen aufgebauten Materialflusssystemen auf Basis intelligenter Softwareagenten in selbstkonfigurierender Fördertechnik (iSikon)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Automatisierte MFS werden zum Beispiel in Distributionszentren und der Produktion eingesetzt. Derzeit ist eine Vielzahl an unterschiedlichen technischen Systemausprägungen erhältlich, die jeweils für ein spezifisches Einsatzgebiet optimiert sind. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen je nach Einsatzgebiet, aber auch innerhalb der Einsatzgebiete stark von Anwender zu Anwender. Somit ist jedes MFS einzigartig und kann nicht durch Standardlösungen abgedeckt werden, sondern wird individuell für den jeweiligen Anwender geplant und umgesetzt. Insbesondere die Entwicklung der Steuerungssoftware für ein automatisiertes MFS ist derzeit durch einen hohen manuellen Aufwand geprägt, da das anlagenspezifische Layout und die verwendeten Fördermittel in der Steuerung berücksichtigt werden müssen. Folglich besteht ein großes Potential die Inbetriebnahme neuer Systeme und Änderungen an bestehenden Systemen durch eine autonome Konfiguration der Systemmodule einfacher und schneller durchzuführen. Die Modularisierung von automatischen MFS in autonome MFM mit eigener Fördertechnikhardware, Steuerungshardware und -software mit der Fähigkeit sich selbstständig zu konfigurieren und den Materialfluss zu steuern, ermöglicht flexible und adaptierbare MFS. Die MFM werden mittels eines MAS gesteuert, wobei jedes MFM durch einen Modulagenten repräsentiert wird, der auf dem MFM implementiert ist und mit anderen Modulagenten kommuniziert, um die Steuerungsaufgaben des MFSs zu erfüllen. Das Projekt teilt sich in die beiden Themenblöcke Konfiguration und Materialflusssteuerung auf. Eine zentrale Koordinatorinstanz sorgt dafür, dass neue MFM initial im System registriert werden können und kritische Informationen allen MFM konsistent zur Verfügung gestellt werden. Um trotzdem die Vorteile der Redundanz und Skalierbarkeit dezentraler System zu nutzen, kann der Koordinator auf jedem MFM laufen, ist aber zu jeder Zeit nur auf einem MFM aktiv, nie auf mehreren gleichzeitig. Zusätzlich wurden auch Einschränkungen im Aufgabenspektrum des Koordinators getroffen, um die Skalierbarkeit nur minimal zu beeinträchtigen. Ausgangsbasis für die Selbstkonfiguration eines MFMs ist das Wissen über die eigene Position im System. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Ortungstechnologien untersucht und ein Konzept erstellt, wie sich die favorisierte Ultrabreitband Ortung in die Kommunikationsontologie des Systems integrieren lässt. Nach der Ortung eines MFMs im System können in einem zweistufigen Verfahren zunächst potentielle Nachbarn identifiziert werden, für die im zweiten Schritt eine umfangreichere Schnittstellenkonfiguration durchgeführt wird. Im Rahmen einer Marktrecherche und Literaturrecherche wurden die auftretenden Modultypen nach ihrer Möglichkeit Transporteinheiten abzugeben oder zu Empfangen kategorisiert. Für die Kombination jeder auftretenden Kategorie mit einer anderen konnten acht verschiedene Klassen an Interaktionsschnittstellen identifiziert werden. Für ausgewählte Klassen wurde exemplarisch ein Beschreibungsmodell für die Parameter und ein Ablauf für die Konfiguration entwickelt. Potentielle Nachbarmodule prüfen auf dieser Basis, ob es eine gemeinsame Schnittstelle gibt und für beide Module gültige Parameter ausgehandelt werden können. Nach erfolgreicher Konfiguration einer Schnittstelle übernimmt die Materialflussteuerung die Planung. Die Systemtopologie wird vom Koordinator konsolidiert und bei Bedarf jedem MFM zur Verfügung gestellt. Das Routing erfolgt über semi-statische Routen, die jeweils für eine Materialflussrelation (gleiches Start- und Zielmodul) eingerichtet werden und nur geändert werden, wenn sich die Anforderungen an das System ändern (z. B. Layout, Durchsatz, etc.). Semi-statische Routen sind für einen gewissen Zeitraum stabil und sorgen für Transparenz beim Materialfluss. Auf dieser Basis können Optimierungen im Materialfluss durchgeführt werden, die sich Online oder Offline durchführen lassen. Blockierungen werden durch einen modifizierten zeitfensterbasierten Reservierungsalgorithmus vermieden, der zusätzlich die Einhaltung einer geforderten Sequenz sicherstellt. Strategische Aspekte werden nicht im Reservierungsalgorithmus abgebildet, sondern in einer vorgelagerten Instanz koordiniert. Strategische Aspekte betreffen beim Sequenzieren beispielsweise die Zuweisung von Puffern an Transporteinheiten, die auf andere Transporteinheiten warten müssen. Das entwickelte MAS wurde sowohl in einer Ablaufsimulation, Hardwareemulation und an einem realen Demonstrator getestet, um die unterschiedlichen Aspekte des Systems, wie Durchsatzoptimierung, Durchführung des Konfigurationsablaufs und technische Umsetzbarkeit fokussiert untersuchen zu können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- “Efficient Messaging Through Cluster Coordinators in Decentralized Controlled Material Flow Systems,” in 5th International Conference on Transportation and Traffic Engineering (ICTTE 2016), Jul. 2016
C. Lieberoth-Leden, D. Regulin and W. A. Günthner
(Siehe online unter https://doi.org/10.1051/matecconf/20168106005) - “Model Based Design of Knowledge Bases in Multi Agent Systems for enabling Automatic Reconfiguration Capabilities of Material Flow Modules,” in 12th IEEE International Conference on Automation Science and Engineering (CASE), IEEE, Aug. 2016, pp. 133-140
D. Regulin, D. Schütz, T. Aicher and B. Vogel-Heuser
(Siehe online unter https://doi.org/10.1109/COASE.2016.7743371) - “Control Architecture and Transport Coordination for Autonomous Logistics Modules in Flexible Automated Material Flow Systems,” in 14th IEEE International Conference on Automation Science and Engineering (CASE), IEEE, Aug. 2018
C. Lieberoth-Leden, J. Fischer, J. Fottner and B. Vogel-Heuser
(Siehe online unter https://doi.org/10.1109/COASE.2018.8560471) - “Deployment of an Distributed Strategic Material Flow Control for Automated Material Flow Systems Consisting of Autonomous Modules,” in 15th International Material Handling Research Colloquium (IMHRC), Jul. 2018
C. Lieberoth-Leden and J. Fottner
- “Implementation, self-configuration and coordination of logistical functions for autonomous logistics modules in flexible automated material flow systems,” in 2018 International Conference on Mechatronics, Control and Robotics (ICMCR), Feb. 2018
C. Lieberoth-Leden, J. Fischer, B. Vogel-Heuser and J. Fottner
- “Model-based development of a multi-agent system for controlling material flow systems,” Automatisierungstechnik (at), vol. 66, no. 5, pp. 438-448, May. 2018
J. Fischer, M. Marcos and B. Vogel-Heuser
(Siehe online unter https://doi.org/10.1515/auto-2017-0107)