Das Netzwerk gotischer Bauhütten - die zentrale Rolle des Ulmer Münsterbaus
Kunstgeschichte
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das DFG-Forschungsprojekt „Das Netzwerk gotischer Bauhütten – die zentrale Rolle des Ulmer Münsterbaus“ konnte neue Erkenntnisse zum Bau des Ulmer Münsters und darüber hinaus zum Bauwesen im 15. Jahrhundert erbringen. Die Auswertung des Quellenmaterials unter Einbeziehung des Münsterbaus ermöglichte neue Einblicke in Ausbildung und Aufgabenbereichen von Werkmeistern und Steinmetzen an großen Kirchenbaustellen, zum Baufortgang, Bauformen, Bautechniken und Bauleitung am Ulmer Münster zwischen 1417 und 1518, zur Fluktuation und Sesshaftigkeit der Steinmetze am Ulmer Münster zwischen 1417 und 1456, am Wiener Stephansdom zwischen 1404 und 1430, dem Basler Münster zwischen 1399 und 1423 und der Stadtkirche in Bayreuth zwischen 1437 und 1443, zu den verschiedenen Einflüssen auf die Zusammensetzung der Steinmetzmannschaft, zu den Gründen für die Fluktuation der Steinmetze, zur Papierrevolution im 15. Jahrhundert und deren Auswirkungen auf die Architektur, zum Aufkommen der Druckgrafik und deren Rolle für die Verbreitung von Architekturformen, zur Zugänglichkeit von Architekturfachwissen, zu den Auswirkungen der Fluktuation auf die Baugestalt und dem Einfluss des Netzwerkes der Werkmeister auf die Architekturformen sowie dem Einfluss der Bauherren auf die Baugestalt. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts konnten verschiedene Entwicklungen festgestellt werden, nach 1420 ein Konkurrieren verschiedener neuer Bauzentren nach der Auflösung der Prager Dombauhütte, Mitte des 15. Jahrhunderts eine Neuordnung im Bauwesen, ab 1465 eine Zunahme an neuen Bautechniken, Standardisierung und Kosteneffizienz und um 1500 eine Zunahme an Bauunternehmertum und Auslagern von Bauaufgaben. Über Ulm hinaus konnten Erkenntnisse zur Entwicklung des Scharrierens, zur Normierung und Standardisierung im Bauwesen, der Steinmetzausbildung im Verlauf des 15. Jahrhunderts, der Bedeutung des Meisterstücks, zu Bewerbung und Kriterien der Anstellung erbracht werden. Zudem konnten neue Erkenntnisse zu den Steinbrüchen des Ulmer Münsters, zu Steintransport, Steinbearbeitung, Vorfertigung und Versatz erbracht und publiziert werden. Bei der Begehung und Untersuchung des Ulmer Münsterbaus zur Rekonstruktion des Bauablaufes wurden unter dem Chordach und in den Chortürmen gelagerte Werksteine als Reste des Ulmer Ölbergs von Matthäus Böblinger und Reste des spätmittelalterlichen Turmoktogons identifiziert werden. Vom Turmoktogon fand sich ein Strebepfeiler, vom Ölberg zwei Strebepfeiler und Teile des Felsens. Mit der Edition der Ulmer Münsterbaurechnungen zwischen 1418 und 1518 liegt spätestens im Frühjahr 2020 eine neue Grundlage zur Erforschung des Ulmer Münsters und der Ulmer Münsterbauorganisation vor.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Von dem stain ze brechen“. Die Werksteine des Ulmer Münsters anhand der archivalischen Quellen 1417–1512. Klemm & Öelschläger, Ulm 2015
Anne-Christine Brehm
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Architektur und Wettbewerb: Auswahl und Absetzung der spätgotischen Werkmeister. KIT scientific working papers 62 (2017). ISSN: 2194-1629
Anne-Christine Brehm
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Ölberg und Oktogon. Fragmente unter dem Chordach des Ulmer Münsters. In: Ulm und Oberschwaben 60 (2017), S. 92–115
Anne-Christine Brehm
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Normierung und Effizienzsteigerung im Bauwesen des 15. Jahrhunderts. In: „Mit den wohlfeilsten Mitteln dauerhaft, feuersicher und bequem“. Sparsamkeit als Prinzip, Rationalität als Weltsicht? Tagungsband der Dritten Jahrestagung der Gesellschaft für Bautechnikgeschichte vom 4. bis 6. Mai 2017 in Potsdam. Dresden 2019, S. 33-46
Anne-Christine Brehm
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Netzwerk Gotik. Das Ulmer Münster im Zentrum von Architektur- und Bautechniktransfer. Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 36. Kohlhammer Stuttgart 2020. 607 S.
Anne-Christine Brehm