Geschichte der kurdischen Bedirhani-Familie in osmanischen und post-imperialen Kontexten: Narrative Kontinuitäten und Brüche
Afrika-, Amerika- und Ozeanienbezogene Wissenschaften
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Bearbeiterin legte eine extensive Mikrostudie vor, die stets dem Ziel der Anschlussfähigkeit an größere Fragestellungen verpflichtet bleibt. Die methodisch sorgfältig reflektierte Bescheidung auf die Identitätsnarrative des Übergangs hindert allerdings nicht daran, dass die Arbeit zugleich einen wichtigen prosopographischen und biographiegeschichtlichen Beitrag zum späten Osmanischen Reich und der postosmanischen Nachkriegsordnung liefert. Die Arbeit gliedert sich in acht Kapitel, darunter die Einleitung und die Conclusio. Nach der Einleitung, die eine ausführliche und differenzierte Auseinandersetzung mit den grundsätzlicheren methodologischen Herausforderungen des Themas und dem kulturtheoretischen Instrumentarium zu seiner Bewältigung enthält, folgt in Kapitel 2 eine Einführung in die Geschichte und Soziologie der Bedirhanis als Familie. Es schließen sich im wesentlich chronologisch angeordnete Kapitel zu den Nachfahren des 1869 im Exil in Damaskus verstorbenen Emir Bedirhans an. Dabei wurde keine vollständige Familiengeschichte angestrebt (bei 23 nachgewiesenen Söhne und 18 Töchtern des Emirs und der insgesamt problematischen Quellenlage eine im Rahmen einer Dissertation und darüber hinaus forschungspraktische Unmöglichkeit), sondern es wurden methodisch und inhaltlich jeweils einzeln begründete biographisches Fallstudien angelegt. Die Quellenbasis der Arbeit ist breit aufgestellt und umfasst neben gedruckten und ungedruckten Selbstzeugnissen handschriftliches osmanisches sowie deutsch-, englisch- und französischsprachiges Archivmaterial. Methodisch ließ sich das Projekt von einer auf den Stand der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion gebrachten Version der „dichten Beschreibung“ des Anthropologen Clifford Geertz und einer Wendung gegen den „methodologischen Nationalismus” inspirieren. Die Wendung gegen einen methodologischen Nationalismus äußert sich etwa im Vorsatz, die häufig auch noch in wissenschaftlicher Literatur zu beobachtende Dichotomie zwischen kurdischem Proto-Nationalismus und Osmanismus zu vermeiden und der bereits in anderen Zusammenhängen analysierten Erkenntnis, dass sich hier stattdessen ein Layering-Prozess identitärer Gleichzeitigkeiten beobachten und beschreiben lässt, Rechnung zu tragen. Die Bedirhani-Familie in osmanischer Zeit wird daher in Anlehnung an jüngere Forschung als „(collective) imperial biography“ mit einem methodischen Werkzeugkasten avisiert, der sich der Erkenntnisse von Autobiographie- und Gedächtnisforschung bedient. In diesem Zusammenhang wird auch die Notwendigkeit der Historisierung und De-Essentialisierung des Identitätsbegriffs und der Konzeption von Ethnizität sowie die Definition von Selbstzeugnissen diskutiert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“A passionate Ottoman in late 19th century Damascus: Mehmed Salih Bedirhan’s autobiographical writing in the context of the Ottoman-Kurdish Bedirhani family.” In: Martin Aust & F. Benjamin Schenk (eds.): Imperial Subjects. Autobiographische Praxis in den Vielvölkerreichen der Romanovs, Habsburger und Osmanen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Köln: Böhlau Verlag, 2015, pp. 233-254
Barbara Henning
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“Kürt Öncüler ve Osmanlı Serüvenleri. Osmanlı’nın Son Döneminde Bedirhan Ailesi.” In: Kürt Tarihi 20 (Eylül – Ekim 2015), pp. 15-17
Barbara Henning
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„Mehmed Salih Bedirhan: ‚Aufzeichnung meiner Taten‘. Osmanisch-kurdisches Selbstverständnis im spätosmanischen Syrien“, In: Lale Behzadi et al. (eds.): Bamberger Orientstudien, Bamberg: Bamberg Univ. Press, 2015, pp. 381-413
Barbara Henning
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“Narratives of the History of the Ottoman-Kurdish Bedirhani Family in Imperial and Post-Imperial Contexts: Continuities and Changes.” Ph. Diss., University of Bamberg, 2017
Barbara Henning