Inszenierungen des Bildes vom Krieg als Medialität des Gemeinschaftserlebens am Beispiel des Hollywood-Kriegsfilms und dessen Interdependenzen mit audiovisuellen Informationsmedien
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Projekt untersuchten wir die ästhetischen Strategien der Emotionalisierung am Beispiel des Hollywood-Kriegsfilms und dessen Wechselverhältnis mit Kriegsberichterstattung in anderen audiovisuellen Medien. Wir wollten prüfen, inwiefern sich eine solche Bilderzirkulation von fiktionalen und dokumentarischen Formen als ein Prozess der Inszenierung eines Bildes vom Krieg beschreiben lässt, dessen Verbindlichkeit sich wesentlich auf Inszenierungsweisen, ästhetische Strategien und rhetorische Figuren gründet, die den audiovisuellen Kompositionen des Genrekinos entstammen, und dessen Modi der Darstellung in allen Bereichen mit Blick auf die Organisation eines Gemeinschaftsempfindens wirksam sind. Die konkreten Arbeitsziele konnten wir im Antrag für die zweite Förderperiode folgendermaßen formulieren: Das erste Ziel bestand darin, eine Affektpoetik des Hollywood-Kriegsfilms zu entwickeln, der diesen gerade in der Dynamik seiner historischen Veränderungen begreift und beschreiben kann. Dies sollte es uns dann in einem zweiten Schritt ermöglichen, die ‚Bilder des Krieges’, die zwischen Wochenschau, Reportage und Genrekino (UP 1), zwischen Fernsehbericht und Kriegskinofilm (UP 2), zwischen audiovisuellen Online-Präsentationen und dokumentarischen und fiktionalen Kriegsfilmen im Kino oder Fernsehen (UP 3) zirkulieren, und die sich nie von den Fiktionalisierungen und Phantasmen reinigen lassen, die ihre mediale Produktion und Zirkulation begleiten, zu beschreiben. Eine dritte Säule bildete des Weiteren die Frage, inwieweit sich diese Politik des Ästhetischen entlang der im Fortsetzungsantrag skizzierten theoretischen Argumentationslinien (Cavell, Kant, Arendt) auf eine kollektive Affektökonomie bezieht, die wir mit dem Begriff des Sense of Commonality (Rorty) theoretisch kontextualisierten. Fasst man das Genrekino als ein offenes Ensemble ästhetischer Verfahren und generischer Pathosformen, die in je konkreten Poetiken das Selbstempfinden ihrer Zuschauer aktivieren und dieses auf eben jenen Gemeinsinn beziehen, so gilt es, will man dieses Kino gesellschaftspolitisch konturieren, die historischen Relationen zu rekonstruieren und zu untersuchen. In an drei distinkten (medien)geschichtlichen Konstellationen ausgerichteten Unterprojekten wurde diesen Fragen nachgegangen. Im Unterprojekt 1 ließen sich an der Ursprungskonstellation des Genres die affektdramaturgischen Muster und audiovisuellen Pathosformen, Narrative, Figuren und Ikonografien sinnfällig herausarbeiten. Diese konnten dann in allen drei Unterprojekten in analytischen Vergleichsstudien in ihren historischen Zirkulationen und Transformationen quer durch die unterschiedlichen medialen Formate des Korpus nachgezeichnet werden. In UP 1 konnten dabei zum einen verschiedene historische Modi des Rückbezugs auf vergangene Ereignisse und deren Medialisierung aufgezeigt, zum anderen die institutionellen, ideologischen und ästhetischen Verflechtungen im Hinblick auf die Medienproduktion des Zweiten Weltkrieges offengelegt werden. In UP 2 wurde offensichtlich, inwiefern das neue Medium Fernsehen durch seine Bildlichkeit auf die erwähnten Transformationen Einfluss nahm und die pathetischen Muster des Genres variierte. So konnten wir die Bildproduktion zum Vietnamkrieg als spannungsreichen Prozess nachzeichnen, in welchem vor allem in den audiovisuellen Raumkonstruktionen ein buchstäbliches Ringen um „anschaubare“ Formen für diesen Krieg als geteiltes historisches Ereignis sichtbar wird und beständig neue mediale Wahrnehmungsräume konstruiert und vermessen werden. In UP 3 konnten wir in den Analysen der Bildproduktion zum Irak-Krieg ebenfalls die tradierten Pathosformen des Genres als organisierende Strukturen nachweisen und darüber hinaus aufzeigen, wie die Funktion der Medientechnologien selbst für die Transformationsprozesse der affektiven Modalitäten des Genres gefasst werden kann. So konnten wir die audiovisuelle Bildproduktion zum Krieg konkret als eine kulturelle Praxis beschreiben, in der nicht nur institutionelle Kräfte wirksam sind, sondern in der durch unterschiedlichste Akteure beständig an der Reorganisation eines medial strukturierten Gemeinschaftsempfindens gearbeitet wird. Zusammenfassend machte die Projektarbeit deutlich, dass die Dynamik des Genrekinos sich nicht hinreichend im Bezugsfeld eines einzelnen Mediums oder Medienformats erfassen lässt. Der Medienwechsel vom Kino zum Fernsehen oder zum private tube ist vielmehr selbst Motor der Transformation des Genresystems Hollywoods und die Grenzverläufe zwischen dokumentarischem und fiktionalem Film geraten selbst als Funktionen dynamisch sich verändernder Genrepoetiken in den Blick. Die audiovisuelle Bildproduktion zum Krieg wird hier als ein „poetisches Machen“ greifbar, das darauf gerichtet ist, Wahrnehmungsformen und Erfahrungsmodi zu gestalten, welche den Krieg als Ereignis einer gemeinsam geteilten Welt sichtbar werden lassen und die es ermöglichen, sich im affektiven Grundgefüge des politischen Gemeinwesens dazu in Beziehung zu setzen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Mobilisierung der Sinne. Der Hollywood- Kriegsfilm zwischen Genrekino und Historie. Vorwerk 8, Berlin 2013
Kappelhoff, H./Gaertner D./Pogodda, C. (Hg.)
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Genre und Gemeinsinn. Hollywood zwischen Krieg und Demokratie. De Gruyter, Berlin/Boston 2016
Kappelhoff, Hermann
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Tickets to War. Propaganda, Kino und Mobilisierung in den USA von 1939–1945. Dissertation Freie Universität, Berlin 2016
Gaertner, David