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Untersuchung höherer Lernleistungen von Nutztieren und Auswirkungen kognitiver Umweltanreicherung auf Verhalten, Umweltflexibilität und Wohlbefinden

Antragsteller Dr. Jan Langbein
Fachliche Zuordnung Tierzucht, Tierernährung, Tierhaltung
Förderung Förderung von 2009 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 98444866
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Nutztiere sind in der intensiven Landwirtschaft vielen Änderungen in ihrer Umgebung ausgesetzt. Dazu zählen neben neuen Haltungssyslemen z.B. auch die Konfrontation mit neuem Futter oder die wiederholte Neugruppierung mit unbekannten Artgenossen. Darüber hinaus stellt auch die steigende Automatisierung in der Tierhaltung immer höhere kognitive Anforderungen an die Nutztiere. Lernprozesse spielen bei diesen Anpassungsprozessen eine wesentliche Rolle, da erfolgreiches Lernen dazu beiträgt, die Ungewissheit in neuen Situationen zu reduzieren, die Vorhersagbarkeit der Umwelt zu erhöhen und das Belohnungssystem wiederholt stimuliert wird. Durch die Aneignung von Kenntnissen über kognitive Lernleistungen von Nutztieren und deren Berücksichtigung bei der zukünftigen Gestaltung von Haltungsumwelten können diese im Sinne von verbessertem Wohlbefinden der Tiere positiv beeinflusst werden. Im vorliegenden Projekt wurde am Beispiel der Afrikanischen Zwergziege (Capra hircus) untersucht, ob die Tiere offene Kategorien auf der Basis von künstlichen, visuellen Symbole etablieren und ob sie in der Lage sind vom Wissen erfahrener Demonstratoren zu profitieren (soziales Lemen). Außerdem sollten die Auswirkungen von struktureller und kognitiver Umweltanreicherung auf die Lernleistung und das Verhalten der Zwergziegen in extemen Belastungssituationen untersucht werden. In allen drei Projektabschnitten stand den Tieren ein in die Haltungsumwelt integrierter automatischer Lemautomat 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Bei erfolgreicher Bewältigung der angebotenen visuellen vierfach-Diskriminationsaufgaben erhielten die Ziegen als Belohnung Trinkwasser. Die Verwendung dieses 'closed-economy approach' ist einmalig in der Lernforschung bei Nutztieren. Der Lernautomat als kognitive Umweltanreicherung bot den Tieren individuelle Lernbedingungen in der gewohnten sozialen Gruppe ohne menschliche Einflussnahme. Mit Hilfe dieses Versuchsdesigns war es möglich, das individuelle Lernverhallen größerer Gruppen von Zwergziegen gleichzeitig zu untersuchen. Nach einem Training von acht Diskriminationsaufgaben mit Symbolen, die zwei unterschiedlichen Kategorien zugeordnet werden konnten, zeigte sich in den anschließenden Transfer-Tests, dass Zwergziegen in der Lage sind, offene Kategorien unter Verwendung künstlicher visueller 2D-Symbole zu etablieren sowie auch über neue Symbole zu generalisieren. Die Ergebnisse weisen außerdem darauf hin, dass die trainierten Kategorien bereits nach wenigen Trainingsaufgaben etabliert wurden. Das soziale Lernen von visuellen Diskriminationsaufgaben durch Beobachtung erfahrender Demonstratoren konnte durch den durchgeführten Ansatz nicht eindeutig nachgewiesen werden. In Untersuchungskomplex 2 zeigte sich, dass langanhaltende strukturelle Umweltanreicherung zu einer Verbesserung der Lernleistung führt. Außerdem verbesserte sich infolge struktureller als auch kognitiver Umweltanreicherung die Verhaltenskompetenz von Ziegen in externen Belastungssituationen. Strukturelle Umweltanreicherung hatte dabei einen positiven Einfluss auf die generelle Aktivität in einer unbekannten Umgebung, kognitive Umweltanreicherung hatte eine offensive Auseinandersetzung mit neuen Objekten zur Folge. Beide Formen der Umweltanreicherung halten weder einen Einfluss auf den Cortisolgehalt im Speichel (Stressreaktivität), noch auf die Lernleistung der Zwergziegen in einem anderen Kontext (räumliche Lernen). Durch die Kenntnis der kognitiven Fähigkeiten von Nutztieren können automatische Systeme in der Tierhaltung speziell für die jeweilige Tierart angepasst werden, um Stress und Frustration zu vermeiden. Dadurch lässt sich nicht nur das Management der Tiere verbessern. Die Bereitstellung von angemessenen und lösbaren Lernaufgaben bietet den Tieren auch eine verbesserte Kontrolle über zumindest einige Aspekte ihrer Haltungsumwelt. Dadurch werden einerseits die kognitiven Fähigkeiten der Tiere angesprochen und Reizarmut in der Haltung verringert, andererseits wirken sich wiederholte positiv-affektive Zustände im Zusammenhang mit der erfolgreichen Bewältigung der gestellten kognitiven Herausforderungen infolge der wiederholten Aktivierung des Belohnungssystems nachweisbar positiv auf das tierische Wohlbefinden aus. Die vorliegende Arbeit leistet einerseits einen Beitrag zur Grundlagenforschung über kognitive Fähigkeiten von Nutztieren und zeigt andererseits die positiven Auswirkungen von Umweltanreicherungen im Stallalltag auf. Erkenntnisse aus diesem Projekt konnten bereits erfolgreich auf andere Versuchsanstellungen und andere Tierarten übertragen werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010). Kognitive Umweltanreicherung bei Zoo- und Nutztieren - Implikationen für Verhalten und Wohlbefinden der Tiere. Berl. Münch. Tierärztl. Wschr. 123, 446-456
    Meyer, S.; Puppe, B.; Langbein, J.
  • (2010). Zum Einfluss von Lateralität auf Lernen, Erinnern und Umkehrlernen im Y-Labyrinth bei Zwergziegen. KTBL-Schrift 482, 115-126
    Langbein, J., Thiede, N.
  • (2010). „Dumme Ziege?" - Kategorielernen bei Zwergziegen (Capra hircus). KTBL-Schrift 482, 104-114
    Meyer, S.; Puppe, B.; Langbein, J.
  • Cognitive abilities of farm animals: "Stupid goats" (Capra hircus) are able to form open-ended categories. Proceedings of the 44th Congress of the International Society for Applied Ethology, Uppsala, Sweden, 2010
    Langbein, J.; Meyer, S.
  • (2011). Auswirkungen von struktureller und kognitiver Umweltanreicherung auf Lernleistung und Verhalten von Afrikanischen Zwergziegen (Capra hircus). KTBL-Schrift 489, 23-33
    Meyer, S.; Langbein, J.
  • (2011). Autonomie reactions indicating positive affect during acoustic reward learning in domestic pigs. Anim. Behav., 81,481-489
    Zebunke, M., Langbein, J., Manteuffel, G., Puppe, B.
  • (2011). Kognitive Fähigkeiten von Nutztieren und kognitive Umweltanreicherung - Implikationen für Haltung und Wohlbefinden. 2. Tagung der Plattform Österreichische Tierärztinnen für Tierschutz. Tagungsbericht, Wien 2011, S. 15-23. lSBN-978-3-9502915-1-3
    Langbein, J.; Meyer, S.; Puppe, B.
  • Impact of environmental and cognitive enrichment on learning performance and behaviour of Nigerian dwarf goats (Capra hircus). Proceedings of the Joint East and West Central Europe ISEA Regional Meeting, Kostelec nad Cernymi Lesy, Czech Republic, 2011
    Meyer, S.; Langbein, J.
  • (2012). Investigations on training, recall and reversal learning of a Y-maze by dwarf goats (Capra hircus): The impact of lateralisation. Behav. Proc. 89, 304-310
    Langbein, J.
  • (2012). The cognitive capabilities of farm animals: categorisation learning in dwarf goats (Capra hircus). Anim. Cogn.
    Meyer, S., Nürnberg, G., Puppe, B., Langbein, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10071-012-0485-y)
 
 

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