Volkskunde als 'Heimatwissenschaft': Region und Ethnos am Beispiel Schleswig-Holsteins 1920-1980
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Volkskundliches Wissen trug in Schleswig-Holstein in den 1920er und 1930er Jahren wesentlich dazu bei, im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Abtretung Nordschleswigs den Prozess der kulturellen Landnahme Nordschleswigs über die Konstruktion eines volkskundlich definierten Wissensraumes zu initiieren und zu begleiten. Die Untersuchung der jeweiligen Wissensformate hat gezeigt, dass vor allem zwei unterschiedliche Milieus mit jeweils prominenten Einzelakteuren und zentralen Zeitschriften diesen Prozess bestimmten. Zum einen ist dies das politisch geprägte Milieu, aus dem heraus politisch agitiert und kulturelle Forderungen zur Bewahrung des deutscher Kultur und Identität erhoben wurden. Zum anderen ist es das volkskundlich-heimatkundliche Milieu, das gemäß seinem Selbstverständnis mit rückwärtsgewandtem Sammeln und Bewahren jenes Wissen bereit stellte oder es als solches deklarierte, mit dem in beiden Milieus „deutsches Volkstum" ausgemacht und seine Stärkung und Bewahrung auch im verloren gegangenen Nordschleswig eingefordert wurde. Der Wissenstransfer geschah vor allem durch einzelne Akteure, die in beiden Milieus agierten, in den unterschiedlichen Zeitschriftenformaten publizierten und so über Definitionsmacht verfügten, die es ihnen ermöglichte, eigene regionale Netzwerke zu konstruieren. Insgesamt konnte aufgezeigt werden, dass in Schleswig-Holstein volkskundliches Wissen zwar im Kontext klassisch bewahrender Volkskunde gesammelt und dokumentiert wurde, seine eigentliche Bedeutung aber im Kontext der Instrumentalisierung im Grenzkampf erhielt. Diese Verquickung des wissenschaftlichen Anspruches, wie er innerhalb des volkskundlich-heimatkundlichen Milieus ausgehandelt wurde, mit der politischen Nutzung von volkskundlichem Wissen in dieser Zeit trug zu einem sehr spezifischen Verständnis der Disziplin Volkskunde in Schleswig-Holstein bei.