Das Sabbatjahr für Lehrerinnen und Lehrer. Motive, Gestaltung, Wirkung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Warum entscheiden sich Lehrerinnen und Lehrer für ein Sabbatjahr? Was kennzeichnet die Nutzer? Sind es eher die besonders Belasteten oder gar die Ausgebrannten, die einen hohen Erholungsbedarf aufweisen und für die das Sabbatjahr eine Interventionsmaßnahme zum Zwecke der Regeneration und Auffrischung der individuellen Ressourcen darstellt? Und wie wirkt sich die langfristige Unterbrechung der Lehrertätigkeit überhaupt unter anderem auf die berufliche Beanspruchung, die Berufs- und Lebenszufriedenheit sowie gesundheitsrelevante arbeitsbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen aus? Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Untersuchung zu den Motiven, der Gestaltung und Wirkung des Sabbatjahrs für Lehrerinnen und Lehrer erstmals in Deutschland im Längsschnitt untersucht. Befragt wurden 126 Lehrerinnen und Lehrer ein halbes Jahr vor, während und ein halbes Jahr nach dem Sabbatjahr. Im Ergebnis deuten die Befunde zunächst darauf hin, dass die Sabbatical-Lehrerinnen und Lehrer insgesamt keine Gruppe innerhalb der Lehrerschaft darstellen, die sich durch ein ausgeprägtes Beanspruchungserleben im Beruf oder besonders hohe Anteile riskanter Verhaltens- und Erlebensweisen auszeichnen. Für die Inanspruchnahme des Sabbatjahrs ist auf Seiten der Lehrkräfte zudem in aller Regel nicht ein einzelnes Motiv ausschlaggebend, sondern vielmehr unterschiedliche Motivkombinationen (Bsp.: „Zeit für meine eigenen Kinder haben und etwas für meine Gesunderhaltung tun, damit ich den Gesamtstress auf die Dauer durchhalten kann … – für meine Familie und meinen Beruf.“). Die Funktion, aber auch die Beurteilung der Wirkung des Sabbatjahrs lässt sich generell damit nicht auf der Basis eines einzelnen Motivs wie etwa dem Ziel der Regeneration als Reaktion auf die berufliche Beanspruchungssituation erfassen. Wird nach der Wirkung gefragt, so erweist sich das Sabbatjahr durchaus als wirksame Maßnahme zur Verbesserung des Gesundheitszustands, zur Belastungsreduktion sowie zur Steigerung der Lebenszufriedenheit und zur Reduktion der Risikomuster arbeitsbezogenen Verhaltens und Erlebens. Die zum Teil deutlichen Effekte beschränken sich im Wesentlichen jedoch auf die identifizierten Veränderungen im Sabbatjahr, während sich nach der Wiederaufnahme der Berufstätigkeit die befindensrelevanten Variablen und Verhaltens- und Erlebensstile wieder dem Ausgangsniveau vor dem Sabbatjahr angleichen. Bezogen auf die Frage, welche Lehrkräfte vom Sabbatjahr in besonderem Maße profitieren gilt, dass die Wirkung schlicht abhängig vom Erholungsbedarf der Lehrkräfte ist. Es sind insbesondere die Lehrerinnen der Stichprobe sowie die Sabbatical-Lehrkräfte, die ihre allgemeine und berufsspezifische Selbstwirksamkeit als personale, selbstregulative Ressource gering einschätzen und die dem Risikomuster B (in Anlehnung an das Burnout-Syndrom) zuzuordnen sind, die von der langfristigen Unterbrechung der Berufstätigkeit profitieren, ohne dass in der Regel die positiven Effekte jedoch von Dauer sind. Die weitgehend ausbleibende langfristige Wirkung kann schließlich damit erklärt werden, dass das Sabbatjahr für Lehrerinnen und Lehrer zum einen eine nachhaltige und dauerhafte Veränderung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse letztlich nicht ermöglicht und zum anderen allein durch die bloße Unterbrechung der Berufstätigkeit das individuelle Bewältigungsverhaltens und die selbstregulativen Fähigkeiten nicht gleichsam automatisch beeinflusst werden, sodass die Lehrkräfte beim Widereinstieg in den Beruf mit ihren bereits zuvor vorhandenen Kompetenzen und Einstellungen den weitgehend stabilen Bedingungen ihrer Tätigkeit gegenüber stehen. Aufgrund des singulären Charakters kommt dem Sabbatjahr für Lehrerinnen und Lehrer letztlich die Funktion einer langandauernden, aber zugleich zeitlich befristeten Atempause zu. Voraussetzung für eine langfristige, stabile Wirkung wäre eine Nutzung nicht allein zum Zwecke einer größtmöglichen Distanzierung vom Beruf, sondern in Teilen – nicht vollständig! – zum Zwecke der der Fort- und Weiterbildung bezogen etwa auf das Bewältigungsverhalten berufsbedingter Beanspruchungen, um die Herausforderungen des Berufsalltags dauerhaft erfolgreich und ressourcenschonend meistern zu können. Nach dem Vorbild anderer Länder wie Israel wären solche Fort- und Weiterbildungsangebote im Rahmen des Sabbatjahrs für Lehrerinnen und Lehrer zu etablieren, soll der identifizierte Effekt nach der Freistellung nicht einfach wieder verpuffen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009). „Große Pause!“. Das Sabbatjahr für Lehrer(innen). Die Grundschulzeitschrift, 23 (227), 4-9
Rothland, M.
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(2010). Ich bin dann mal weg! Was wissen wir über die Nutzung und Wirkung des Sabbatjahrs für Lehrerinnen und Lehrer? In A. Feindt, Th. Klaffke, E. Röbe, M. Rothland, E. Terhart & K.-J. Tillmann (Hrsg.), Lehrerarbeit – Lehrer sein. (Friedrich Jahresheft XXVII, S. 80- 82). Seelze: Friedrich Verlag
Rothland, M.
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(2010). Warum entscheiden sich Lehrerinnen und Lehrer für das Sabbatjahr? Empirische Befunde einer Längsschnittstudie. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 13 (4), 661-681
Rothland, M.
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(2011). Berufsbezogene Verhaltensstile von Sabbatical-Lehrkräften: Hinweise auf einen erhöhten Bedarf der Entlastung, Regeneration und Ressourcenstärkung? Unterrichtswissenschaft, 39 (2), 173-192
Rothland, M.
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(2011). Das Sabbatjahr für Lehrerinnen und Lehrer. Begründungskomponenten, Forschungsperspektiven und erste empirische Befunde einer Längsschnittstudie. Erziehungswissenschaft und Beruf, 59 (1), 31-42
Rothland, M.
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(2012). Ein Jahr Ferien! Erfahrungsbasierte Hinweise zur Planung und Gestaltung eines Sabbatjahrs sowie zum Wiedereinstieg in den Beruf. Pädagogik, 64 (6), 36-40
Rothland, M. & Moser, K.