Rhetorik und Recht - zur juristischen Methode in Papinians Quaestiones
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das wissenschaftliche Hauptwerk des spätklassischen Juristen Aemilius Papinianus mit dem Titel Quaestiones galt als unzugängliches und „dunkles“ Werk. Es war daher bisher in seiner Gesamtheit nur von dem Humanisten Cujas gewürdigt worden, dessen Standards einer modernen Betrachtung der römischen Quellen trotz vieler Verdienste nicht entsprechen. Erstmals liegt nun eine umfassende Auseinandersetzung mit einem wichtigen Werk der sog. Spätklassik, d.h. der Zeit der Severer, vor. Aufgrund des fragmentarischen Charakters der Überlieferung – die Werke der römischen Juristen sind bis auf eine Ausnahme nur durch die Kompilation Justinians, d.h. in Bruchstücken auf uns gekommen –, knüpft die Auseinandersetzung an möglichst lange und daher möglicherweise unversehrte Katenen an. Sie zeigen die Makrostruktur der juristischen Argumentation, in der rhetorische Technik und rechtliches Argument kunstvoll miteinander verwoben sind. So baut der römische Jurist seine Erörterungen zu Konstitutionen nach dem Schema der ratiocinatio auf, während das Streitgespräch mit anderen Juristen als dialektisches Duell strukturiert sind, und die eigenen Problemerörterungen der dialektischen Suche folgen. Die rhetorische Prägung gilt auch für die kleineren Fragmente, für die sich die weiteren Zusammenhänge nicht mehr erschließen lassen, die aber durch bestimmte Schlüsselworte auf ein spezifisches Argument weisen. Aus der Kombination der Exegesen zu den Katenen und der Gesamtschau der Fragmente ergibt sich ein Gesamtbild der papinianischen Argumentation. Sie ist getragen vom Dialog, der sich schon im Titel Quaestiones andeutet, und der an das antike Lehrgespräch erinnert. Dabei erinnern Stil und Art der Gesprächsführung an die außerjuristisch bekannte Diatribe, d.h. die predigthafte Unterweisung des Schülers zur Verbesserung der Lebensführung. Zum ersten Mal wird damit ein Zusammenhang zwischen juristischer und nicht-juristischer Literatur erkennbar, der bisher entweder geleugnet oder aufgrund der fragmentarischen Überlieferung schlicht ausgeblendet wurde. In vielen einzelnen Exegesen ergeben sich nicht nur neue Erkenntnisse zu Papinians Werk, seinem Argumentationsstil und den Verbindungen zwischen Recht und Rhetorik. Vielmehr sind inhaltlich vor allem Neubewertungen im Recht der Fideikommisse, der Legate und des Personenrechts (Mitgift) zu beobachten, die teilweise auf die Innovationsfreude des Spätklassikers weisen, teilweise aber auch durch einen neuen Blick auf die Quellen zustande kommen. Überraschend war im Projektverlauf die Schwierigkeit, die sich bei einzelnen Exegesen aufgrund fehlender Vorarbeiten stellte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- „Kommentare des Kaiserrechts in Papinians Quaestiones“, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, romanistische Abteilung 126 (2009) 156-186
Ulrike Babusiaux
- „Papinians Quaestiones – Zur rhetorischen Methode eines spätklassischen Juristen“, Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und Antiken Rechtsgeschichte, Band 103, 2011, ca. 340 S. (= überarbeitete Fassung der Habilitationsschrift Universität des Saarlandes, 570 S., Saarbrücken 2009)
Ulrike Babusiaux