Prävention der Bildung von Thaumasit und Ettringit bei der Sanierung von historischem Mauerwerk
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Sanierung von gipshaltigem Mauerwerk mit hydraulischen Bindemitteln hat teilweise zu schwerwiegenden Schäden geführt. Bei einem Kontakt der ausgehärteten Bindemittel mit dem im Mauerwerk vorhandenen Gips können Ettringit und Thaumasit entstehen. Diese sekundäre Reaktion kann Treiberscheinungen und Risse nach sich ziehen. Bei einigen Bauwerken haben massive Schäden durch diese Reaktion zum Abriss des historischen Gebäudes geführt. Für die Planer von Sanierungsarbeiten besteht die schwierige Aufgabe, Maßnahmen zu konzipieren, die derartige Spätschäden vermeiden. Leider werden auf dem Markt mehrere Baustoffe angeboten, die als resistent im Kontakt mit Gips beworben werden- diese Eigenschaft jedoch nicht erfüllen. Die Fachliteratur empfiehlt deshalb, auf hydraulische Bindemittel bei der Sanierung von Gipsmauerwerk zu verzichten. Noch komplizierter ist die Situation für bereits fehlerhaft sanierte Bauwerke. Hier bestehen überhaupt keine gesicherten Informationen, welche Bindemittel eingesetzt werden können. Insofern besteht die Aufgabe, entsprechende theoretische und experimentelle Untersuchungen zu dieser Fragestellung durchzuführen. Mit Hilfe der in diesem Forschungsvorhaben erhaltenen Ergebnisse sollen gesicherte Empfehlungen abgegeben werden, welche Bindemittel bei der Sanierung der betroffenen Bauwerke tatsächlich verwendbar sind. Im engeren Sinne handelt es sich um die Fragestellung, welche Kombination von Hydratphasen sich als unempfindlich im Kontakt mit Gips zeigen kann, d.h. nicht zu Ettringit oder Thaumasit umgesetzt werden kann. Besonderes Interesse bestand an der Widerstandsfähigkeit der C-S-H Phasen gegen die Bildung von Thaumasit. Durch thermodynamische Berechnungen wurde untersucht, welche stabilen Phasen im System CaO-Al2O3-SiO2-H2O resistent gegen einen Umwandlung in Ettringit und Thaumasit sind. Dafür wurde die Änderung der Freien Reaktionsenthalpie bei einer Reaktion dieser Phasen mit Gips-Dihydrat und Calcit zu Ettringit und Thaumasit berechnet. Es zeigte sich, dass die meisten Phasen unter den genannten Bedingungen instabil sind. Lediglich für Aluminiumhydroxid und reines SiO2 in amorpher oder kristalliner Form kann eine Reaktion mit Calcit und Gips zu Ettringit und Thaumasit ausgeschlossen werden, sofern kein zusätzliches Calciumhydroxid vorhanden ist. Bei einer weiteren Phase konnte aufgrund von Unsicherheiten in den thermodynamischen Daten nicht sicher berechnet werden, ob eine Umwandlung in Thaumasit möglich ist. Es handelt sich dabei um C-S-H. Die Berechnungen haben gezeigt, dass die typischen Hydratationsprodukte des Portlandzementklinkers mit einen molaren Ca/Si-Verhältnis von etwa 1,8 in Thaumasit umgewandelt werden können. Durch die Senkung des Ca/Si-Verhältnisses und den Einbau von Fremdionen ist offensichtlich eine relative Stabilisierung möglich. Ob tatsächlich eine Resistenz von C-S-H gegen eine Reaktion mit Gips und Calcit erreicht werden kann, liegt jedoch im Unsicherheitsbereich der thermodynamischen Daten. Falls die Annahme zutrifft, dass calciumarme, fremdoxidreiche C-S-H Phasen stabil gegen eine Thaumasitbildung sind, existiert im System CaO-Al2O3-SiO2-H2O ein invarianter Punkt, welcher für die Formulierung von resistenten Bindemitteln geeignet wäre. Es handelt sich dabei um die Phasenkombination Al(OH)3-SiO2-calciumarme C-S-H. Weiterhin kann abgeleitet werden, dass alle anderen invarianten Punkte ungeeignet für derartige Bindemittel sind. Unter der oben genannten Voraussetzung kann also gefolgert werden, dass alle Bindemittel, bei deren Hydratation SiO2, calciumarme C-S-H und Al(OH)3 abgeschieden werden, geeignet für die Sanierung von gipshaltigem Mauerwerk sind. Dies umfasst Bindemittel mit einem sehr hohen Anteil an latent-hydraulischen und puzzolanischen Stoffen. Bei den parallel vorgenommenen experimentellen Untersuchungen wurden insgesamt 12 Bindemittelkombinationen geprüft, von denen 8 bei einem Kontakt mit Gips und Calcit versagten. Dazu zählten CEM III/B, CEM III/B mit Ca(OH)2, CEM III/B mit Steinkohlenflugasche, CEM I, CEM I mit Steinkohlenflugasche, CEM I-HS, CEM I-HS mit Steinkohlenflugasche, sowie zwei kommerziell erhältliche Bindemittel, die von den Herstellern als geeignet für die Sanierung von gipshaltigem Mauerwerk bezeichnet wurden. Resistent erwiesen sich bei den Untersuchungen über einen Zeitraum von mittlerweile 2,5 Jahren: Sulfathüttenzement, alkalisch aktivierter Hüttensand und ein kommerzielles Produkt. Die Zusammensetzung dieser Bindemittel entsprach dem oben genannten invarianten Punkt SiO2, calciumarme C-S-H und Al(OH)3 und unterstützt die getroffene Annahme, dass sich die C-S-H Phasen unter diesen Bedingungen als stabil erweisen. Zusätzliche Untersuchungen beschäftigten sich mit anderen Eigenschaften der Bindemittel: Festigkeitsentwicklung, Frostbeständigkeit, Phasenzusammensetzung nach der Hydratation. Es wurden darüber hinaus Testflächen an gipshaltigem Mauerwerk angelegt. Aus den hier berichteten Untersuchungen kann abgeleitet werden, wie ein Bindemittel zusammengesetzt sein muss, damit es sich bei einem Kontakt mit Gips und Calcit als stabil verhalten kann. Die Bindemittelkomponenten müssen hinsichtlich chemischer Zusammensetzung und Anteil im Bindemittel so ausgewählt werden, dass nach der Hydratation SiO2, calciumarme C-S-H und Al(OH)3 vorliegen. Periphere Phase wie Hydrotalkit und primärer Ettringit erweisen sich dabei nicht als störend. Allerdings sind diese Ergebnisse mit der Unsicherheit behaftet, dass die Stabilität der calciumarmen, fremdoxidhaltigen C-S-H Phasen bisher nicht thermodynamisch belegt werden kann. Der entsprechende Nachweis kann ergänzt werden, wenn bessere thermodynamische Daten für diese Verbindungen vorliegen. Weiterhin werden die noch vorhandenen Proben und die angelegten Testflächen über einen größeren Zeitraum weiter überwacht. Die Anwendung der erhaltenen Kenntnisse ist insbesondere hilfreich für die Herstellung und Auswahl von Bindemitteln für die Sanierung von gipshaltigem Mauerwerk und entsprechende Gespräche mit einem Hersteller wurden bereits geführt. Zusätzlich sind diese Bindemittel wichtig für Arbeiten bei der Gebirgssicherung, sowie der Verpressung und Stabilisierung von gipshaltigem Gestein und Boden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Patent 10 2009 024 200 „Anorganisches Bindemittel und dessen Verwendungen“
Frank Bellmann