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SFB 833:  Bedeutungskonstitution - Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen

Fachliche Zuordnung Geisteswissenschaften
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Förderung Förderung von 2009 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 75650358
 
Erstellungsjahr 2021

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der SFB 833 hat die Frage untersucht, wie Bedeutung entsteht. Dabei haben wir uns gezielt auf Satzbedeutung konzentriert und die kompositionale Semantik natürlicher Sprache ins Zentrum unserer Forschung gestellt. Unser Ziel war es, die formale bzw. kompositionale Semantik als relativ junge Teildisziplin der Linguistik einzubinden in Forschung zu dynamischen bzw. adaptiven Vorgängen in der Sprache. Wir haben drei Ebenen von Dynamik/Adaptivität unterschieden: (i) während der Sprachverarbeitung; (ii) im Kontext; (iii) auf der Ebene der Grammatik. Dies hat uns dazu geführt, semantische Kompositon in drei zuvor weniger untersuchten Zusammenhängen zu erforschen: (i) Der B-Bereich hat kombinatorische semantische Prozesse während des Sprachverstehens untersucht. Die Frage, wie Bedeutung entsteht, wird damit einerseits zu der Frage, wie ein Modell der inkrementellen Komposition während der Sprachverarbeitung aussieht. Andererseits stellt sich die Frage nach kognitiven Faktoren, die dieses Zustandekommen von sprachlicher Bedeutung beeinflussen. (ii) Der A-Bereich hat sich der Frage gewidmet, wie Bedeutung im Kontext der Äußerung entsteht. Hierunter fallen kombinatorische Anpassungsmechanismen, aber auch Anreicherung oder Desambiguierung und Diskurseinbettung. (iii) Der C-Bereich stellte die Frage nach dem Entstehen sprachlicher Bedeutung auf der Ebene der Einzelsprache bzw. -grammatik. Dynamik wird hier als Sprachwandel verstanden, Adaptivität als der Möglichkeitsspielraum, der sich dafür bietet, bzw. als die Frage nach zwischensprachlicher Variation und Nicht-Variation. Die drei Teilbereiche wurden orthogonal zusammengehalten durch unsere Schnittstellenfragen I Kognition: ‚Wie ist das Sprachsystem in menschliche Kognition eingebettet?‘ und II Komposition: ‚Wie ist das Kompositionalitätsprinzip zu einer überprüfbaren Theorie zu spezifizieren?‘. Alle Teilaspekte unserer übergreifenden Fragestellung ‚Wie entsteht Bedeutung?‘ haben in den vergangenen zwölf Jahren im Fächerverbund eine signifikante Entwicklung erfahren. Beispielhaft seien hier die Entwicklung der formalen diachronen Semantik genannt (vgl. z.B. die neue Workshopreihe ‚Formal Diachronic Semantics‘ seit 2016) sowie die experimentelle Forschung zu Interpretation (z.B. das DFG-Netzwerk XPRAG 2014-2020). Der SFB 833 hat zu dieser Entwicklung primär wie folgt beigetragen: (i) B-Bereich: Aus dem SFB 833 sind erste Vorschläge für Modelle der inkrementellen Komposition hervorgegangen, in die zahlreiche Einzelergebnisse u.a. aus dem B-Bereich eingeflossen sind. Zur kognitiven Fundierung hat der SFB 833 z.B. die Erkenntnis beigesteuert, dass auf Satzebene sowohl sensomotorische Repräsentationen als auch amodale Repräsentationen eine Rolle spielen. Satzbedeutung scheint aber primär über amodale Repräsentationen erschlossen zu werden. (ii) A-Bereich: Die konkrete Spezifizierung des Kompositionalitätsprinzips speziell im Angesicht kompositionaler Herausforderungen war ein Schwerpunkt der Arbeit im SFB. So zeigen Bücking & Maienborn (2019) für den Bereich der Modifikation, dass Anpassungsmechanismen im Lexikon angelegt und in den kompositionalen Bedeutungsaufbau integriert sind. Ähnlich bieten Maienborn & Herdtfelder (2017) eine Fallstudie dazu, wie konzeptuelles Wissen in klassische Kompositionsmechanismen integriert werden kann, ohne Kompositionalität aufzugeben. Desweiteren konnte der A-Bereich in zahlreichen Fallstudien die Schnittstelle zwischen Diskurs und Satzbedeutung beleuchten. (iii) C-Bereich: Semantische Variation ist in den letzten Jahren zunehmend über die Einzelsprache hinaus sprachvergleichend untersucht worden. Hier hat der SFB ein programmatisches Papier beigetragen, das dem aktuellen Kenntnisstand entspricht. Die C-Projekte haben thematisch vielfältig Variation und Wandel im Tandem untersucht. Über die Projektbereiche hinaus liegt ein wichtiger Forschungsbeitrag des SFB 833 in der Verbindung unterschiedlicher Forschungsfelder. Sprachvergleichende Forschung zu Sprachverarbeitung konnte durch den SFB einen Impuls erfahren. Die interdisziplinäre Verbindung von Linguistik und Literaturwissenschaft wurde durch innovative Pionierarbeit im SFB vorangetrieben. Die Zusammenarbeit zwischen Psychologie und Linguistik war während der gesamten Laufzeit eine tragende Säule des SFB 833 und brachte zahlreiche Publikationen hervor. Diese Arbeiten demonstrieren, wie wir einen Fortschritt bei unserem Kernanliegen, die kompositionale Semantik in der sie umgebenden Forschungslandschaft zu verankern, erzielen konnten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2009). Crosslinguistic variation in comparison constructions. Linguistic Variation Yearbook, 9, 1-66
    Beck, S., Krasikova, S., Fleischer, D., Gergel, R., Hofstetter, S., Savelsberg, C., Vanderelst, J., & Villalta, E.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1075/livy.9.01bec)
  • (2010). Left-right coding of past and future in language: The mental timeline during sentence processing. Cognition, 117(2), 126-138
    Ulrich, R., & Maienborn, C.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cognition.2010.08.001)
  • (2011). Root versus roof: Automatic activation of location information during word processing. Psychonomic Bulletin & Review, 18, 1180-1188
    Lachmair, M., Dudschig, C., de Filippis, M., de la Vega, I., & Kaup, B.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3758/s13423-011-0158-x)
  • (2012). Location, existence, and possession: A constructional-typological exploration. Linguistics, 50(3), 533-603
    Koch, P.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/ling-2012-0018)
  • (2013). Syntactic base positions for adjuncts? Psycholinguistic studies on frame and sentence adverbials. Questions and Answers in Linguistics, 1(2), 57-72
    Störzer, M., & Stolterfoht, B.
  • (2014). Acquisition of comparison constructions. Language Acquisition, 21(3), 215-249
    Hohaus, V., Tiemann, S., & Beck, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/10489223.2014.892914)
  • (2014). On the meaning of fictional texts. In D. Gutzmann, J. Köpping & C. Meier (Eds.), Approaches to Meaning (pp. 250-275). Leiden: Brill
    Bauer, M., & Beck, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1163/9789004279377_012)
  • (2015). Do we map remembrances to the left/back and expectations to the right/front of a mental timeline? Space-time congruency effects with retrospective and prospective verbs. Acta Psychologica, 156, 168-178
    Maienborn, C., Alex-Ruf, S., Eikmeier, V., & Ulrich, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.actpsy.2014.11.006)
  • (2015). Effects of processing on the acceptability of ‘frozen’ extraposed constituents. Syntax, 18(4), 464-483
    Hofmeister, P., Culicover, P. W., & Winkler, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/synt.12036)
  • (2015). On the temporal interpretation of present participles in German. Journal of Semantics, 32(3), 477-523
    Rapp, I.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/jos/ffu005)
  • (2015). The cross-linguistic processing of aspect: An eyetracking study on the time course of aspectual interpretation in Russian and German. Language, Cognition and Neuroscience, 30(7), 877-898
    Bott, O., & Gattnar, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/23273798.2015.1029499)
  • (2015). The diachronic semantics of English again. Natural Language Semantics, 23, 157-203
    Beck, S., & Gergel, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11050-015-9111-2)
  • (2018). Automatic focus annotation: Bringing formal pragmatics alive in analyzing the information structure of authentic data. In Proceedings of the 2018 Conference of the North American Chapter of the Association for Computational Linguistics: Human Language Technologies (NAACL-HLT) (pp. 117-128)
    Ziai, R., & Meurers, D.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.18653/v1/N18-1011)
  • (2020). Towards automatically generating Questions under Discussion to link information and discourse structure. In Proceedings of the 28th International Conference on Computational Linguistics (COLING) (pp. 5786-5798)
    De Kuthy, K., Kannan, M., Ponnusamy, H. S., & Meurers, D.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.18653/v1/2020.coling-main.509)
  • (2016). The sounds of sentences: Differentiating the influence of physical sound, sound imagery, and linguistically implied sounds on physical sound processing. Cognitive, Affective, and Behavioral Neuroscience, 16(5), 940-961
    Dudschig, C., Mackenzie, I. G., Strozyk, J., Kaup, B., & Leuthold, H.
    (Siehe online unter https://psycnet.apa.org/doi/10.3758/s13415-016-0444-1)
  • (2016). Transition-based dependency parsing with topological fields. In Proceedings of the 54th Annual Meeting of the Association for Computational Linguistics (ACL, Volume 2: Short Papers) (pp.1-7). Berlin, Germany, August 2016 [ACL 2016 Outstanding Paper]
    de Kok, D., & Hinrichs, E.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.18653/v1/P16-2001)
  • (2017). An event semantics with continuations for incremental interpretation. Journal of Semantics, 34(2), 201-236
    Bott, O., & Sternefeld, W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/jos/ffw013)
  • (2017). Eventive vs. stative causation: The case of German causal vonmodifiers. Linguistics and Philosophy, 40, 279-320
    Maienborn, C., & Herdtfelder, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10988-016-9201-8)
  • (2017). Evidential adverbs in German: Diachronic development and present-day meaning. In S. Cruschina & E.-M. Remberger (Eds.), Rise and Development of Evidential and Epistemic Markers (Journal of Historical Linguistics, 7(1/2)), 9-47
    Axel-Tober, K., & Müller, K.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1075/jhl.7.1-2.02axe)
  • (2017). From a focus particle to a conjunction. German zumal: Diachronic and synchronic analysis. Language, 93(2), e66-e96
    Eberhardt, I.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1353/lan.2017.0031)
  • (2017). Incremental generation of answers during the comprehension of questions with quantifiers. Cognition, 166, 328-343
    Bott, O., Augurzky, P., Sternefeld, W., & Ulrich, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cognition.2017.05.023)
  • (2018). Heavy NP shift does not cause freezing. Canadian Journal of Linguistics / Revue Canadienne de Linguistique, 63(3), 454-464
    Konietzko, A., Winkler, S., & Culicover, P. W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1017/cnj.2017.56)
  • (2018). Is German discourse-configurational? Experimental evidence for a topic position. Glossa: A Journal of General Linguistics, 3(1), 20, 1-24
    Störzer, M., & Stolterfoht, B.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5334/gjgl.122)
  • (2018). The Russian perfective present in performative utterances. In D. Lenertová, R. Meyer, R. Šimík & L. Szucsich (Eds.), Advances in Formal Slavic Linguistics 2016 (pp. 127-146). Berlin: Language Science Press
    Gattnar, A., Heininger, J., & Hörnig, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5281/zenodo.2545517)
  • (2018). Towards a model of incremental composition. Proceedings of Sinn und Bedeutung, 21(1): 143-161
    Beck, S., & Tiemann, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.18148/sub/2018.v21i1.129)
  • (2019). Accompaniment by participation: The interpretation of mit as a free particle in German. Glossa: A Journal of General Linguistics, 4(1), 1-41
    Bücking, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.5334/gjgl.734)
  • (2019). Aspectuality: An Onomasiological Model Applied to the Romance Languages. Berlin/New York: de Gruyter
    Dessì Schmid, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110562088)
  • (2019). Coercion by modification – The adaptive capacities of event-sensitive adnominal modifiers. Semantics and Pragmatics, 12, 1-39 (no.9)
    Bücking, S., & Maienborn, C.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3765/sp.12.9)
  • (2019). No word is an island: A transformation weighting model for semantic composition. Transactions of the Association for Computational Linguistics, 7, 437-451
    Dima, C., de Kok, D., Witte, N., & Hinrichs, E.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1162/tacl_a_00275)
  • (2019). Pragmatic processing: An investigation of the (anti-)presuppositions of determiners using mouse-tracking. Cognition, 193, no.104024
    Schneider, C., Schonard, C., Franke, M., Jäger, G., & Janczyk, M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cognition.2019.104024)
  • (2019). The Decathlon Model. In A. Kertész, C. Rákosi & E. Moravcsik (Eds.), Current Approaches to Syntax: A Comparative Handbook (pp. 155-186). Berlin: Mouton de Gruyter
    Featherston, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110540253-006)
  • (2019). The space-time congruency effect: A metaanalysis. Cognitive Science, 43(1), e12709
    von Sobbe, L., Scheifele, E., Maienborn, C., & Ulrich, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/cogs.12709)
  • (2020). Activation of literal word meanings in idioms: Evidence from eye-tracking and ERP. Language & Speech
    Kessler, R., Weber, A., & Friedrich, C. K.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0023830920943625)
  • (2020). Context and complexity in incremental sentence interpretation: An ERP study on temporal quantification. Cognitive Science, 44(11), e12913
    Augurzky, P., Hohaus, V., & Ulrich, R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1111/cogs.12913)
  • (2020). Immediate sensorimotor grounding of novel concepts learned from language alone. Journal of Memory and Language, 115, no.104172
    Günther, F., Nguyen, T., Chen, L., Dudschig, C., Kaup, B., & Glenberg, A. M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.jml.2020.104172)
  • (2020). Linguistics Meets Literature: More on the Grammar of Emily Dickinson. Berlin: de Gruyter
    Bauer, M., Beck, S., Riecker, S., Brockmann, S., Zirker, A., Bade, N., Dörge, C., & Braun, J.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/9783110646825)
  • (2020). Semantic parameters and universals. In D. Gutzmann, L. Matthewson, C. Meier, H. Rullmann & T. E. Zimmermann (Eds.), The Wiley Blackwell Companion to Semantics
    Beck, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/9781118788516.sem010)
  • (2021). (No) variation in the grammar of alternatives. Linguistic Variation
    Howell, A., Hohaus, V., Berezovskaya, P., Sachs, K., Braun, J., Durmaz, S., & Beck, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1075/lv.19010.how)
 
 

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