SFB 833: Bedeutungskonstitution - Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der SFB 833 hat die Frage untersucht, wie Bedeutung entsteht. Dabei haben wir uns gezielt auf Satzbedeutung konzentriert und die kompositionale Semantik natürlicher Sprache ins Zentrum unserer Forschung gestellt. Unser Ziel war es, die formale bzw. kompositionale Semantik als relativ junge Teildisziplin der Linguistik einzubinden in Forschung zu dynamischen bzw. adaptiven Vorgängen in der Sprache. Wir haben drei Ebenen von Dynamik/Adaptivität unterschieden: (i) während der Sprachverarbeitung; (ii) im Kontext; (iii) auf der Ebene der Grammatik. Dies hat uns dazu geführt, semantische Kompositon in drei zuvor weniger untersuchten Zusammenhängen zu erforschen: (i) Der B-Bereich hat kombinatorische semantische Prozesse während des Sprachverstehens untersucht. Die Frage, wie Bedeutung entsteht, wird damit einerseits zu der Frage, wie ein Modell der inkrementellen Komposition während der Sprachverarbeitung aussieht. Andererseits stellt sich die Frage nach kognitiven Faktoren, die dieses Zustandekommen von sprachlicher Bedeutung beeinflussen. (ii) Der A-Bereich hat sich der Frage gewidmet, wie Bedeutung im Kontext der Äußerung entsteht. Hierunter fallen kombinatorische Anpassungsmechanismen, aber auch Anreicherung oder Desambiguierung und Diskurseinbettung. (iii) Der C-Bereich stellte die Frage nach dem Entstehen sprachlicher Bedeutung auf der Ebene der Einzelsprache bzw. -grammatik. Dynamik wird hier als Sprachwandel verstanden, Adaptivität als der Möglichkeitsspielraum, der sich dafür bietet, bzw. als die Frage nach zwischensprachlicher Variation und Nicht-Variation. Die drei Teilbereiche wurden orthogonal zusammengehalten durch unsere Schnittstellenfragen I Kognition: ‚Wie ist das Sprachsystem in menschliche Kognition eingebettet?‘ und II Komposition: ‚Wie ist das Kompositionalitätsprinzip zu einer überprüfbaren Theorie zu spezifizieren?‘. Alle Teilaspekte unserer übergreifenden Fragestellung ‚Wie entsteht Bedeutung?‘ haben in den vergangenen zwölf Jahren im Fächerverbund eine signifikante Entwicklung erfahren. Beispielhaft seien hier die Entwicklung der formalen diachronen Semantik genannt (vgl. z.B. die neue Workshopreihe ‚Formal Diachronic Semantics‘ seit 2016) sowie die experimentelle Forschung zu Interpretation (z.B. das DFG-Netzwerk XPRAG 2014-2020). Der SFB 833 hat zu dieser Entwicklung primär wie folgt beigetragen: (i) B-Bereich: Aus dem SFB 833 sind erste Vorschläge für Modelle der inkrementellen Komposition hervorgegangen, in die zahlreiche Einzelergebnisse u.a. aus dem B-Bereich eingeflossen sind. Zur kognitiven Fundierung hat der SFB 833 z.B. die Erkenntnis beigesteuert, dass auf Satzebene sowohl sensomotorische Repräsentationen als auch amodale Repräsentationen eine Rolle spielen. Satzbedeutung scheint aber primär über amodale Repräsentationen erschlossen zu werden. (ii) A-Bereich: Die konkrete Spezifizierung des Kompositionalitätsprinzips speziell im Angesicht kompositionaler Herausforderungen war ein Schwerpunkt der Arbeit im SFB. So zeigen Bücking & Maienborn (2019) für den Bereich der Modifikation, dass Anpassungsmechanismen im Lexikon angelegt und in den kompositionalen Bedeutungsaufbau integriert sind. Ähnlich bieten Maienborn & Herdtfelder (2017) eine Fallstudie dazu, wie konzeptuelles Wissen in klassische Kompositionsmechanismen integriert werden kann, ohne Kompositionalität aufzugeben. Desweiteren konnte der A-Bereich in zahlreichen Fallstudien die Schnittstelle zwischen Diskurs und Satzbedeutung beleuchten. (iii) C-Bereich: Semantische Variation ist in den letzten Jahren zunehmend über die Einzelsprache hinaus sprachvergleichend untersucht worden. Hier hat der SFB ein programmatisches Papier beigetragen, das dem aktuellen Kenntnisstand entspricht. Die C-Projekte haben thematisch vielfältig Variation und Wandel im Tandem untersucht. Über die Projektbereiche hinaus liegt ein wichtiger Forschungsbeitrag des SFB 833 in der Verbindung unterschiedlicher Forschungsfelder. Sprachvergleichende Forschung zu Sprachverarbeitung konnte durch den SFB einen Impuls erfahren. Die interdisziplinäre Verbindung von Linguistik und Literaturwissenschaft wurde durch innovative Pionierarbeit im SFB vorangetrieben. Die Zusammenarbeit zwischen Psychologie und Linguistik war während der gesamten Laufzeit eine tragende Säule des SFB 833 und brachte zahlreiche Publikationen hervor. Diese Arbeiten demonstrieren, wie wir einen Fortschritt bei unserem Kernanliegen, die kompositionale Semantik in der sie umgebenden Forschungslandschaft zu verankern, erzielen konnten.
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