Partizipation und Parteiendemokratie im Wandel: Die Deutsche Parteimitgliederstudie 2008
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Deutsche Parteimitgliederstudie 2009 untersuchte die sozialstrukturelle, psychographische und aktivitätsbezogene Zusammensetzung der Mitgliedschaft der deutschen Parteien sowie die Motive des Parteibeitritts, der innerparteilichen Aktivität und des Parteiaustritts. Als Teilreplikation der Potsdamer Parteimitgliederstudie aus dem Jahr 1998 standen dabei insbesondere das dynamische Moment des Wandels über den Zeitraum eines Jahrzehnts sowie dessen Auswirkungen auf die Entwicklung der Parteiendemokratie in der Bundesrepublik im Vordergrund. Theoretisch orientierte sich die Deutsche Parteimitgliederstudie 2009 maßgeblich am so genannten General-Incentives-Modell einem erweiterten Rational-Choice-Modell, das die verschiedenen Motive des Parteibeitritts und der innerparteilichen Aktivität systematisiert. Mithilfe einer postalischen Befragung einer Zufallsstichprobe von 17.000 Mitgliedern der sechs im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien sowie einer telefonischen Befragung von jeweils 800 Mitgliedern, ehemaligen Mitgliedern und Bürgern ohne jede parteipolitische Erfahrung wurde im Rahmen des Projekts eine Datenbasis für die Beantwortung der zentralen Forschungsfragen geschaffen. Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum März bis Mai 2009. Die Rücklaufquote der schriftlichen Befragung betrug 57,6 Prozent. Die deutschen Parteimitglieder unterscheiden sich in ihrer sozialstrukturellen Zusammensetzung systematisch von der Gesamtbevölkerung: Unter den deutschen Parteimitgliedern überrepräsentiert sind Männer, Menschen mittleren und gehobenen Alters, Hochgebildete, Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sowie Menschen aus der mittleren und gehobenen Mittelschicht. Die Mitgliedschaften der verschiedenen Parteien haben sich in dieser Hinsicht außerdem weitgehend aneinander angeglichen. Nur der Linken gelingt im nennenswerten Umfang die Mobilisierung von Menschen aus einfachen sozialen Schichten. Bürger werden Mitglied in Parteien, weil sie sich für Politik interessieren, sich selbst für kompetent halten und glauben, politisch etwas bewegen zu können. Eine besondere Rolle spielt dabei das Interesse an der Kommunalpolitik. Die Ursachen für Unzufriedenheit mit der Parteimitgliedschaft sind in der Regel in konkreten politischen Sachentscheidungen zu suchen, die in den Augen der Mitglieder im Widerspruch zu den politischen Grundsätzen ihrer jeweiligen Partei stehen. Parteiaustritte resultieren häufig daraus, dass das betreffende Mitglied das Gefühl entwickelt hat, in der Partei mit seinen Anliegen und Wünschen kein angemessenes Gehör zu finden. Parteimitglieder begrüßen vor allem solche Reformen, die den Einfluss der Basis gegenüber den Parteieliten stärken und mehr direkte Einflussmöglichkeiten schaffen. Die Parteiarbeit in den Parteien wird letztlich von nur 22 Prozent der Parteimitglieder, den ämterorientierten Aktiven getragen. Parallel zu den rückläufigen Mitgliederzahlen steigt im Zeitverlauf der Anteil dieser aktiven Mitglieder innerhalb der Parteien an: Die durch Tod oder Austritt ausscheidenden Mitglieder sind tendenziell eher weniger aktiv, während die neu eintretenden Mitglieder eine höhere Aktivitätsbereitschaft aufweisen. Man kann folglich einen Prozess beobachten, in dessen Verlauf die Mitgliederbasis der deutschen Parteien auf einen harten, aktiven Kern zusammenschmilzt. Die absolute Zahl der aktiven Parteimitglieder kann dabei ungeachtet der sinkenden Zahl nomineller Parteimitglieder durchaus konstant bleiben. Der Mitgliederrückgang der deutschen Parteien stellt folglich auch nicht zwingend eine Bedrohung ihrer Funktionsfähigkeit dar.