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Gruppenkoordination bei Rotstirnmakis (Eulemur fulvus rufus)

Fachliche Zuordnung Biologie des Verhaltens und der Sinne
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 68892116
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gruppenlebende Tiere profitieren in vielfältiger Weise von der Vergesellschaftung mit anderen. Um die Gruppenkohäsion trotz individueller Interessenkonflikte zu gewährleisten, müssen die Aktivitäten einzelner Gruppenmitglieder durch gemeinsame Entscheidungen miteinander koordiniert werden. Diese Konsensentscheidungen können auf Grundlage der Interessen einiger weniger oder aller Gruppenmitglieder gefällt werden, wobei oftmals einzelne Individuen als Anführer fungieren, die den Rest der Gruppe rekrutieren. In den letzten Jahren wurden in zahlreichen Studien einzelne Aspekte der Gruppenkoordination am Beispiel von Gruppenbewegungen untersucht. Allerdings erschweren bislang uneinheitliche Begriffsdefinitionen und teils widersprüchliche Konzepte die Vergleichbarkeit einzelner Forschungsergebnisse. Auch die art‐ und umweltabhängigen Determinanten von Koordinationsprozessen und gemeinsamer Entscheidungsfindung unter natürlichen Bedingungen sind bislang wenig verstanden. In der vorliegenden Dissertation habe ich beide der oben genannten Aspekte bearbeitet. Zunächst habe ich dargelegt, warum Bewegungen nicht‐menschlicher Primaten ein ausgezeichnetes Modell darstellen, um Gruppenkoordination zu untersuchen, und zusammengefasst, was bislang in diesem Kontext erforscht wurde. Von dieser Datenbasis ausgehend, habe ich den Schwerpunkt auf die Bewertung von Begriffen, Methoden und Konzepten verlagert und aufgezeigt, wie die Vergleichbarkeit zwischen einzelnen Studien in Zukunft erleichtert werden kann. Insbesondere empfehle ich die Verwendung von artspezifischen Gruppenbewegungs‐ Definitionen und eine klare konzeptionelle Trennung von Studien, die Prozesse auf der Ebene des Individuums (Entscheidungsfindung) bzw. auf der Ebene der Gruppe (Anführerschaft) behandeln. Im zweiten Teil dieser Arbeit habe ich Gruppenbewegungen bei Rotstirnmakis (Eulemur rufifrons) untersucht. Der Forschungsansatz umfasste (i) die Analyse zeitlich‐räumlicher Bewegungsmuster mit Hilfe von GPS‐Halsbändern, (ii) die Beobachtung von Koordinationsprozessen in unterschiedlichen sozio‐ökologischen Kontexten sowie (iii) Beobachtungen und Videoaufnahmen von Koordinationsprozessen und Konsequenzen von Gruppenentscheidungen im Rahmen eines Feldexperiments mit manipuliertem Konfliktpotential. Unter natürlichen Bedingungen führten ganzjährig überwiegend adulte Weibchen die Gruppen an, vermutlich als Folge enger affiliativer Netzwerk‐Beziehungen durch weibliche Philopatrie. Allerdings hatten männliche Initiatoren denselben Rekrutierungserfolg wie weibliche, was als Konsequenz der egalitären Sozialstruktur bei Rotstirnmakis verstanden werden kann. Der Rekrutierungserfolg war generell während der Trockenzeit höher, womöglich eine Folge von erhöhtem Prädationsrisiko. Adulte Weibchen initiierten auch die meisten Bewegungen während des Experiments. Allerdings wurden die Anführer in 67% der Fälle überholt. Dementsprechend bestimmten weder die Startreihenfolge noch Geschlecht oder Alter die Ressourcenaufnahme, sondern allein die Ankunftsreihenfolge. Zudem teilte sich die Gruppe in 11% der Fälle in Subgruppen auf, wodurch mehr Individuen gleichzeitig von der experimentellen Ressource profitierten. Zusammengefasst weisen die Ergebnisse dieser Arbeit darauf hin, dass Koordinationsprozesse innerhalb einer Art in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen stark variieren können. Zudem scheint bei Arten mit egalitären Sozialbeziehungen der Rekrutierungserfolg geschlechtsunabhängig zu sein, und Gruppenmitglieder können unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialem Rang alternative Verhaltenstaktiken zu Konsensentscheidungen wählen (Überholen, temporäre Gruppenteilung), um die individuelle Ressourcenaufnahme zu optimieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010) Collective mobbing of a boa by a group of red‐fronted lemurs (Eulemur rufifrons). Lemur News 15:15‐17
    Pyritz L, Andrianjanahary T
  • (2010) Conceptual and methodological issues in the comparative study of collective group movements. Behavioural Processes 84: 681‐684
    Pyritz LW, Fichtel C, Kappeler PM
  • (2011) Coordination of group movements in non‐human primates. In Boos M, Kolbe M, Kappeler PM, Ellwart T (eds) Coordination in human and primate groups. Springer, Heidelberg, pp 37‐56
    Fichtel C, Pyritz LW, Kappeler PM
  • (2011) Reaching a consensus: terminology and concepts used in coordination and decision‐making research. International Journal of Primatology
    Pyritz LW, King AJ, Sueur C, Fichtel C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10764-011-9524-9)
 
 

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