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Integrative Methoden der Rückfallprognose bei jugendlichen und heranwachsenden Sexual- und Gewaltstraftätern

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2008 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 68647921
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Anliegen der Studie war die Evaluation aktueller Methoden zur Rückfallprognose junger Gewaltstraftäter mit gravierenden Anlassdelikten und die Erkundung der Möglichkeiten ihrer Integration im Rahmen komplexer Prognosebeurteilungen. Dabei ging es insbesondere auch um die Frage der Nützlichkeit einer komplexen klinisch-idiographischen Beurteilungsmethodik, wie sie das deutsche Strafrecht erfordert, im Vergleich und in Ergänzung zu standardisierten Methoden. Das Projekt versteht sich als Abschluss einer Serie von Studien, mit denen dieses Anliegen an unterschiedlichen relevanten Tätergruppen – nunmehr junge Gewalttäter an der Schwelle ins Erwachsenenalter – untersucht wurde. Die Studie war retrospektiv angelegt, die Beobachtungszeit zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von Risikoeinschätzungen betrug 8 bis 11 Jahre nach Haftentlassung der Pbn. Die Einschätzungen erfolgten aktenbasiert durch blinde (hinsichtlich der weiteren Entwicklungen nach Haftentlassung) Fachpsychologinnen für Rechtspsychologie mit langjähriger praktischer und wissenschaftlicher Erfahrung mit Kriminalprognosen. Einbezogen wurden vollstandardisierte Prognoseinstrumente der zweiten, dritten und vierten Generation, strukturierte klinische Einschätzmethoden nach dem SPJ-Ansatz und die idiographische Einzelfallmethodik. Die erprobten Methoden erzielten für unterschiedliche Rückfallereignisse und Beobachtungszeiträume nahezu durchgängig bedeutsame prognostische Gütewerte. Sie lagen für kurz- bis mittelfristige Prognosezeiträume etwa auf dem Niveau, wie sie im Rahmen früherer Studien auch für erwachsene Gewalttäter gefunden wurden. Für langfristige Zeiträume fielen sie gegenüber den Erwachsenen hingegen zunehmend zurück. Moderatoranalysen deuteten jedoch darauf hin, dass dieser Effekt nachlassender Prognosegüte bei längeren Prognosezeiträumen auf junge Täter mit Migrationshintergrund sowie auf junge Späteinsteiger (Erstdelikt erst im Heranwachsendenalter) zurückzuführen war. Im Vergleich und bei der Integration der verschiedenen methodischen Prognoseansätze fand sich eine Überlegenheit der klinisch-idiographischen Einschätzungen, insbesondere der Gewaltpotentiale der Täter. Dabei vermochten die Prognostikerinnen die prognostischen Potentiale aktuarischer Risikoskalen in ihre idiographischen Beurteilungen einzubeziehen. Verbliebene relevante Varianzanteile der Skalen zur Erfassung von Schutzfaktoren deuteten indessen darauf hin, dass die risikosenkenden Potentiale von Resilienzfaktoren hierbei aber offenbar vernachlässigt wurden. Einige ergänzende Auswertungen ergaben Hinweise auf leichte, aber inkrementelle prognostische Potentiale von Veränderungen dynamischer Risikofaktoren im Haftverlauf gegenüber ihrer bloßen Niveauerfassung zu Haftende. Weiterhin ließen sich Verhaltensprobleme der Probanden im Haftverlauf mittels standardisierter Prognosemethodik (hier LSI-R und YLS/CMI zu Haftbeginn) sowie, in Fällen von Reststrafaussetzungen zur Bewährung, der Bewährungserfolg vorhersagen. Neben den prognostischen Einschätzungen erwies sich schließlich die Qualität der Entlassungsvorbereitung und des Entlassungsumfeldes als guter Prädiktor des Legalverhaltens innerhalb von zwei Jahren nach Haftentlassung. Probleme: Die Zeitplanungen im Projekt erwiesen sich in Anbetracht der Komplexität der Daten und Auswertungen als sehr knapp bemessen, da sie kaum Spielräume beließen. Indessen traten Probleme durch einen nicht absehbaren Umzug des Instituts auf, der den Zugang zu den Materialien zeitweise blockierte. Verzögerungen traten aber vor allem in der Projektphase der komplexen prognostischen Einschätzungen durch die Schwangerschaft und die anschließende Mutterschutzzeit einer der Projektmitarbeiterinnen auf. Da die Projektzwecke ihre Expertise benötigten, war sie auch nicht durch die Vertretung einer Berufsanfängerin zu ersetzen. Auch bei der Fortsetzung des Projekts nach Ende des Mutterschutzes ergaben sich Verzögerungen durch erneute Schwanger- und Mutterschaft, so dass die Auswertungen letztlich nicht abgeschlossen werden konnten. Von 261 auswertbaren Fällen konnten letztlich 152 Pbn vollständig prognostisch beurteilt und in die Validierungsauswertungen einbezogen werden. Dies ist für das eigentliche Kernanliegen des Vorhabens eine hinreichende Größe, für komplexe multivariate Moderatoranalysen – hier insbesondere die Frage der möglichen Interaktion der vorgefundenen Moderatoreffekte – wäre eine größere Stichprobe wünschenswert gewesen. Da es sich bei den hiesigen Probanden jedoch um die letzten Entlassungsjahrgänge der Jugendstrafanstalt Berlin vor Einrichtung einer Sozialtherapeutischen Abteilung handelt und diese neue Einrichtung derzeit evaluiert wird, sollen die noch nicht ausgewerteten Fälle zu einem späteren Zeitpunkt noch ausgewertet und als Vergleichsgruppe einbezogen werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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