Biologie der Aggression: verhaltensendokrinologische Untersuchungen an Serotonintransporter-Knock-Out-Mäusen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Aggression und Gewalt stellen zentrale Probleme unserer Gesellschaft dar. Viele Jahre lang wurden primär Umweltbedingungen und Sozialisationsprozesse für dieses antisoziale Verhalten verantwortlich gemacht. Neuere Erkenntnisse der Biowissenschaften haben allerdings dazu geführt, dass nun auch die biologische Basis aggressiven Verhaltens sowie deren Zusammenspiel mit Umweltfaktoren in den Fokus der Forschung rückt. Ziel unseres Projektes war es, den Zusammenhang von Angst und Aggression sowie deren Modifizierbarkeit durch Umweltsituation, Geschlecht und Erfahrung zu analysieren. Als Modellsystem fungierten Mausmutanten mit genetisch bedingtem Defizit und als Folge deutlich gesteigerter Ängstlichkeit: homozygote 5-HTT-/- und heterozygote 5- HTT+/- Mäuse, denen das Serotonintransporterprotein ganz oder teilweise fehlt. Das offensiv aggressive Verhalten dieser „genetisch bedingt ängstlichen“ Tiere wurde im Vergleich zu den entsprechenden, gentechnisch nicht veränderten Wildtypmäusen (5- HTT+/+) analysiert. In einem ersten Schritt untersuchten wir in dyadischen Interaktionstests den Einfluss der räumliche Konstellation (Interaktionen im eigenen Territorium, auf neutralem Gebiet oder im Territorium des Opponenten) und der Merkmale des Opponenten (friedlich/unterlegen oder aggressiv/dominant). Gegenüber einem friedlichen Opponenten resultierte das offensiv aggressive Verhalten der Männchen aus einem komplexes Zusammenspiel von rein genetischen Effekten, reinen Umwelteffekten und Gen- Umweltinteraktionen. Daraus ergaben sich unterschiedliche Verhaltensstrategien: Die (nicht-ängstlichen) Wildtypen verhielten sich immer sehr ähnlich, unabhängig von dem was der Gegner tat und wo die Interaktionen stattfanden. Die (mittelängstlichen) heterozygoten Tiere machten ihr Verhalten vor allem davon abhängig, ob sie sich im eigenen Territorium oder außerhalb des Territoriums befanden, nicht aber vom Verhalten des Gegners. Die (ängstlichen) homozygoten Knockout Tiere reagierten sowohl auf das Verhalten des Gegners als auch darauf, wo die Interaktion stattfand. Ein völlig anderes Bild ergab sich in Interaktionen mit einem dominant/aggressiven Gegner. Hier zeigten alle Männchen – unabhängig vom Genotyp - vor allem defensives, aber kein offensiv aggressives Verhalten. In einem zweiten Schritt untersuchten wir die Erfahrungsabhängigkeit offensiv aggressiven Verhaltens. Hier führte die wiederholte Erfahrung ein Gewinner zu sein, zu signifikant aggressiverem Verhalten im Vergleich zu Tieren, die eine wiederholte Verlierererfahrung gemacht hatten. Der 5-HTT Genotyp spielte keine Rolle. In einem dritten Schritt analysierten wir die maternale Aggression. Es zeigte sich ein strikt Genotyp-abhängiges Verhalten: Wurde zu laktierenden Weibchen ein fremdes Männchen gesetzt, so führten Wildtyp-Weibchen das höchste und homozygote Knockout-Weibchen das geringste Maß an aggressivem Verhalten aus. Zusammengefasst konnten wir mit diesem DFG-Projekt nachweisen, dass dem offensiv aggressiven Verhalten ein komplexes Zusammenspiel von genetischen, situativen und erfahrungsabhängigen Faktoren zugrunde liegt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2011. Away game or home match: The influence of venue and serotonin transporter genotype on the display of offensive aggression. Behavioural Brain Research 219: 291- 301
Jansen F, Heiming RS, Kloke V, Kaiser S, Palme R, Lesch KP, Sachser N
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2011. The winner and loser effect, serotonin transporter genotype, and the display of offensive aggression. Physiology & Behavior 103: 565-574
Kloke V, Jansen F, Heiming RS, Palme R, Lesch KP, Sachser N