Politische Kenntnisse in der Bundesrepublik Deutschland, Verteilung, Struktur, Determinanten, Konsequenzen, 1949-2006
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Angesichts der Tatsache, dass das Wissen der Bevölkerung über Politik in Deutschland bislang kaum erforscht ist, war es das wesentliche Ziel des Projekts, eine „Vermessung“ der wahlberechtigten deutschen Bevölkerung hinsichtlich ihrer politischen Kenntnisstände und der damit in Zusammenhang stehenden zentralen Determinanten und Konsequenzen in längsschnittlicher Perspektive zu leisten. Zu diesem Zweck wurden alle im ZA/GESIS-Archiv verfügbaren repräsentativen Bevölkerungsumfragen der Jahre 1949-2009 auf Wissensfragen durchsucht, so aufbereitet, dass die darin enthaltenen Wissensfragen über die Zeit und über verschiedene Themenfelder verglichen werden konnten, und mit weiteren sozialstrukturellen Variablen, politischen Einstellungen und politischen Verhalten angereichert. Die Daten wurden einerseits in gepoolter Form auf der Mikroebene, andererseits in aggregierter Form und ergänzt durch methodische Informationen über die Befragung selbst auf der Makroebene bereitgestellt. Die zusammengestellten Datensätze sind nach unserem Kenntnisstand die umfassendsten Datenquellen zum diesem Thema für Deutschland – und deutlich umfangreicher als zu Projektbeginn angenommen. Die generierte Daten ermöglichen wichtige Vergleiche des politischen Wissens über die Zeit und Themenfelder hinweg sowie zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen. Für die Analyse der Daten wurde auf das Instrument der Integrierten Datenanalyse (IDA) zurückgegriffen, die eine Auswertung komplexer Datensätze in längsschnittlicher Perspektive ermöglicht. Die aus inhaltlicher Sicht hervorzuhebenden Hauptbefunde sind: Das Wissen der Bevölkerung ist gemessen an den Ansprüchen partizipatorischer Demokratietheorien gering. Dennoch ist das Pauschalurteil, die Deutschen sind uninformiert, nicht zutreffend, denn die Wissensunterschiede zwischen Individuen und zu verschiedenen Themen sind erheblich. Überraschenderweise ist keine wesentliche Veränderung des Wissensniveaus über die Zeit hinweg zu beobachten. Erklärt werden können individuelle Wissensbestände vor allem durch Ressourcen (Geschlecht, Bildung, Beruf) und Motivationen (Interesse, Kompetenzgefühle, interessanterweise nicht aber durch Medienrezeption). Bedeutsam sind auch die das Individuum umgebenden Kontextbedingungen. Mit Blick auf die Konsequenzen (fehlender) Politikkenntnisse zeigt sich ein deutlicher Einfluss von Wissen auf den Umfang, die Konsistenz und die Extremität politischer Einstellungen – also Variablen, die dem Wahlverhalten direkt vorgelagert sind.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009). Was die Bürger über Politik (nicht) wissen – und was die Massenmedien damit zu tun haben – ein Forschungsüberblick. In B. Pfetsch & F. Marcinkowski (Hrsg.), Politik in der Mediendemokratie. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften, 393-414
Maier, J.
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(2009). Was wissen Bürger über Politik? Zur Erforschung der politischen Kenntnisse in der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 2008. Zeitschrift für Parlamentsfragen 40, 561-578
Maier, J., Glantz, A. & Bathelt, S.
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(2013). Unbekanntes Europa? Eine vergleichende Analyse zu Verteilung und Determinanten von Kenntnissen über die Europäische Union. In S.I. Keil & S.I. Thaidigsmann (Hrsg.), Zivile Bürgergesellschaft und Demokratie. Aktuelle Ergebnisse der empirischen Politikforschung. Wiesbaden: Springer VS, 413-432
Maier, J. & Bathelt, S.