Perioperative Überwachung von Ventilation und Perfusion der Lunge mittels der elektrischen Impedanztomographie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die kontinuierliche Überwachung der Lungenfunktion, des Gasaustauschs und der hämodynamischen Situation des Patienten ist eine sinnvolle Ergänzung zur Standard- Betreuung in der perioperativen Medizin. Die elektrische Impedanztomographie (EIT) bietet die Möglichkeit, nicht nur die globale, sondern auch die regionale Belüftung (Ventilation) und vermutlich die Durchblutung (Perfusion) der Lunge nichtinvasiv direkt am Patientenbett zu ermitteln. Die gesammelten Daten werden hierbei in hoher zeitlicher Auflösung in Form von tomographischen Leitfähigkeitsbildern dargestellt. Diese Informationen können helfen, optimale Beatmungseinstellungen während Vollnarkosen oder für schwerstlungenkranke Patienten mit akutem Lungenversagen zu finden. Dies betrifft vor allem die Einstellung des notwendigen Ausatemgegendruckes PEEP, welcher die Lungen vor dem Kollaps und damit vor Verletzungen schützt. Suboptimale Beatmungseinstellungen beeinträchtigen unter Umständen den lebensnotwendigen Gasaustausch des Patienten, was sich nachteilig auf den Krankheitsverlauf auswirken kann (längere Liegezeiten, höhere Komplikationsrate, etc.). Derzeit existiert kein Standard-Verfahren, mit dem eine kontinuierliche, nichtinvasive und vor allem räumliche Darstellung von Ventilation und Perfusion in der Lunge möglich ist. Diese wäre allerdings für die optimale Patientenversorgung von Vorteil. Die bisherigen Verfahren sind meist sehr kostenintensiv und aufwändig (nicht am Patientenbett durchführbar) und belasten den Patienten häufig entweder durch Röntgenstrahlung oder radioaktiven Kontrastmitteln. In den letzten Jahren wurde die EIT bzgl. ihrer Fähigkeit erforscht, sowohl Ventilation als auch Perfusion bildlich darzustellen, wobei vor allem bei der Erforschung der Ventilationsdarstellung gute Ergebnisse erzielt worden sind. Die Darstellung der Perfusion ist bei weitem noch nicht so ausgereift und bedarf meist einer Mittelung über bis zu 100 Herzzyklen, sodass dynamische Betrachtungen unmöglich sind. Eine große Schwierigkeit besteht in der Trennung von Ventilations- und Perfusionsanteilen im EIT-Datensignal, die bisher noch nicht zufriedenstellend gelöst ist. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten wurden aus diesem Grund zwei neue leistungsstarke Algorithmen im Bereich der Signal- und Bildverarbeitung entwickelt, die den Perfusionsanteil vom Ventilationsanteil im EIT-Signal auch unter schwierigen Bedingungen in Echtzeit trennen können. Allein durch Anbringung von 16 Elektroden rund um den Thorax und durch die Einspeisung ungefährlicher, nicht wahrnehmbarer Wechselströme können nun dynamische Ventilations- und Perfusionsvorgänge beobachtet werden. Die Validierung der Methoden in groß angelegten Studien steht noch aus. Es konnten allerdings bereits erste grundlegende Untersuchungen durchgeführt werden, die das Potential der Algorithmen eindrucksvoll belegen. Neu war hierbei, dass erstmalig schwerstlungenkranke Versuchstiere untersucht worden sind und selbst unter diesen erschwerten Umständen eine signifikante Korrelation zwischen dem Schlagvolumen des Herzens und mittels EIT berechneten Schätzwerten gefunden wurde. Zudem wurde in einer größeren Patientenstudie gezeigt, dass die EIT in der Lage ist, den negativen Einfluss von zu niedrigen PEEP-Niveaus intraoperativ zu erkennen und zu quantifizieren, was den Arzt zukünftig möglicherweise in die Lage versetzen wird, diesen Einflüssen zeitnah zu begegnen. Aufwändige und gesundheitsschädigende CT-Untersuchungen wären somit nur noch in Ausnahmefällen notwendig. Ein weiterer Teil des Forschungsvorhabens beschäftigte sich mit der Bewertung der Homogenität der Lungenbeatmung, ein wichtiger Parameter zur Bewertung der Lungenschonung. Es konnte gezeigt werden, dass ein ebenfalls neu entwickelter Index namens "Regional Ventilation Delay" in hervorragender Weise in der Lage ist, durch Atelektasenbildung (d.h. regionalen Lungenkollaps) hervorgerufene Inhomogenitäten in der Lunge zu identifizieren. Diese treten sowohl während Vollnarkosen bei Lungengesunden als auch bei Patienten mit akutem Lungenversagen auf und verlängern oder verhindern unter Umständen gar die Genesung. Zu diesem Themenfeld wurden auch Simulationen mit Thorax-Modellen auf Basis der Finite-Elemente-Methode (FEM) durchgeführt. Es konnte gezeigt werden, dass die schwerkraftabhängige Atelektasenbildung mit Hilfe der EIT sehr gut identifiziert werden kann. Im Rahmen der Forschungsarbeit durchgeführte, aufwändigen tierexperimentelle Studien geben zudem Hinweise darauf, dass die in den letzten Jahren propagierten Beatmungsmethoden bei Patienten mit akutem Lungenversagen in Bezug auf die optimale Schonung der schwerkranken Lungen durch den Einsatz der EIT möglicherweise weiter verbessert werden können. Um hochgenaue und schnelle EIT-Messungen zu ermöglichen, wurde außerdem ein vorhandenes EIT-System bezüglich der Messgenauigkeit und Datenrate optimiert. Es erlaubt nun die Erstellung von mehr als 50 EIT-Bildern pro Sekunde mit nachfolgender Echtzeitauswertung, sodass auch schnelle dynamische Änderungen beobachtet werden können. Während Operationen mit Vollnarkose treten häufig Atelektasen in der Lunge auf, was die Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe empfindlich stören kann. Die Vermeidung dieser Atelektasen wird erst dann zuverlässig möglich, wenn diese zeitnah und ohne großen Aufwand erkannt werden können. Dies wird möglicherweise mit Hilfe der EIT zukünftig perioperativ möglich und würde dem behandelnden Arzt ganz neue Perspektiven eröffnen. Insbesondere bei einer möglichen kontinuierlichen Überwachung von Ventilation und Perfusion der Lunge könnte die Patientenversorgung deutlich sicherer und individueller gestaltet werden. Gerade die einfache und vergleichsweise günstige Anwendung der EIT ohne Katheter oder schädigende Strahlung direkt am Krankenbett oder möglicherweise auch im Krankenwagen verspricht vielseitige Anwendungsmöglichkeiten und eine bessere Versorgung von akut lebensbedrohten Patienten. Das Hauptaugenmerk der weiteren Forschung wird vor allem auf der noch zu validierenden Quantifizierung der regionalen Perfusion im Vergleich zu anerkannten Referenzverfahren liegen. Zudem muss untersucht werden, ob eine ortstreue räumliche Abbildung vorliegt. Sollte dies erfolgreich sein, so wird die Möglichkeit bestehen, den regionalen Gasaustausch in der Lunge nichtinvasiv und schnell zu bewerten.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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H. Luepschen, D. van Riesen, L. Beckmann, K. Hameyer and S. Leonhardt, "Modeling of Fluid Shifts in the Human Thorax for Electrical Impedance Tomography", IEEE Transactions on Magnetics, Vol. 44, No. 6, pp. 1450-3, Juni 2008
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J. Deibele, H. Luepschen und S. Leonhardt , "Dynamic separation of pulmonary and cardiac changes in electrical impedance tomography", Physiol Meas, Vol. 29, No. 6, pp. S1-S14, Juni 2008
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J. Karsten, A. Jedmowski, H. Luepschen, S. Quast, M. Grossherr, C. Eckmann, S. Leonhardt, H. Gehring, T. Meier, "Effekt der PEEP-Beatmung auf die intra- und postoperative Ventilation - Eine randomisierte, kontrollierte Patientenstudie mit der elektrischen Impedanztomographie (EIT)". (Abstractband Deutscher Anästhesie Congress, Nürnberg), April 2008
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T. Meier, H. Luepschen, J. Karsten, M. Grossherr, C. Eckmann, H. Gehring, S. Leonhardt, "Evaluation of homogeneity of alveolar ventilation with electrical impedance tomography during anaesthesia and laparoscopic surgery", Crit Care, Vol. 12 (Suppl 2): P315, März 2008
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T. Muders, H. Wrigge, J. Zinserling, U. Günther, H. Luepschen, C. Putensen, "PEEP Optimizing using electrical impedance tomography", Int Care Med, Vol. 34 Suppl 1: S107, ESICM Lissabon, September 2008