Platzspezifische Reaktivität der Si(001)-Oberfläche
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Reaktivität von Siliziumoberflächen ist in der Regel sehr platzspezifisch, da sie in erster Linie durch gebrochene Bindungen der obersten Lage, den dangling bonds, bestimmt wird. Sind diese passiviert, etwa mit Wasserstoff, reagiert die Oberfläche an diesen Stellen nicht oder die Reaktion erfordert zumindest eine hohe Aktivierungsenergie. Wie im Rahmen dieses Projekts anhand mehrerer Beispiele mit dem Rastertunnelmikroskop gezeigt werden konnte, kann aber auch die Wahrscheinlichkeit, mit der molekulare Adsorbate an freien dangling bonds der Si(100)-Oberfläche dissoziieren und binden, sehr starke lokale Unterschiede aufweisen. Diese Platzspezifizität entsteht dadurch, dass die elektronische Struktur der dangling bonds durch Adsorbate in der Nachbarschaft stark beeinflusst wird. Für eines der einfachsten organischen Adsorbate, Ethen (C2 H4 ), führt die Voradsorption von atomaren Wasserstoff beispielsweise dazu, dass die Reaktion auf zwei benachbarten Dimeren fast 50-mal so häufig auftritt wie auf der unbedeckten Oberfläche. Dieser sogenannte Interdimer-Reaktionspfad wird dadurch zum Majoritätspfad der Reaktion von C2 H4 mit Si(100) und nicht der sonst dominierende Intradimer-Pfad, bei welchem die Reaktion auf nur einem Dimer stattfindet. Zusammen mit der Oberflächendiffusion hat diese Art der Platzspezifizität der Reaktivität von Siliziumoberflächen einen erheblichen Einfluss sowohl auf die kontrollierte Nukleation der ersten Schichtfolge von Verbindungshalbleitern mit Hilfe der metall-organischen Gasphasenepitaxie, als auch für die direkte Abscheidung organischer Moleküle auf Silizium. Im letzteren Fall sind sowohl den Aufdampfraten als auch den Temperaturen viel engere Grenzen gesetzt als beim Aufwachsen anorganischer Halbleiter. Dem Zusammenspiel von lokaler Reaktivität und Diffusion kommt deshalb bei der Funktionalisierung von Silizium mit organischen Molekülen eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Dabei haben unsere Experimente gezeigt, dass zum einen die Art der funktionellen Gruppen des Moleküls den Adsorptionsprozess und das Wechselspiel zwischen Diffusion und Adsorption erheblich beeinflusst. Während Ethen und Tetrahydrofuran offensichtlich über einen Zwischenzustand absorbieren, der im Falle von Ethen zusätzlich sehr mobil ist, konnte für Cyclooctin mit seiner durch die Dreifachbindung stark verzerrten Geometrie kein Zwischenzustand nachgewiesen werden. Zum anderen beeinflusst die lokale elektronische Struktur der Oberfläche die Reaktivität je nach Molekül unterschiedlich stark. So wurde z. B. für Ethen der beschriebene Wechsel von Majoritäts- und Minoritätsspezies beobachtet, ein vergleichsweise starker Effekt, während vergleichbare H-Konfigurationen auf Si(001) für Cyclooctin keinen nennenswerten Einfluss auf die Reaktivität zeigten. Mit den im Rahmen dieses Projekts an verschiedenen Adsorbaten durchgeführten Experimenten und der systematischen Modifikation der Oberfläche konnte somit ein grundlegendes Verständnis für die Korrelation von lokaler elektronischer Struktur der Oberfläche und Funktionalität der Moleküle in Bezug auf die Reaktivität erreicht werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Real-space investigation of the high barrier diffusion pathway of hydrogen across the dimer rows of Si(001). Physical Review B 80, 085317 (2009)
C. H. Schwalb, M. Dürr, and U. Hüfer
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Site-selective reactivity of ethylene on clean and hydrogen precovered Si(001). Chemical Physics Letters 483, 209 (2009)
G. Mette, C. H. Schwalb, M. Dürr, and U. Hüfer
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High-temperature investigation of intradimer diffusion of hydrogen on Si(001). Physical Review B 82, 193412 (2010)
C. H. Schwalb, M. Dürr, and U. Hüfer
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Second-harmonic microscopy for fluence-dependent investigation of laser-induced surface reactions. Physical Review B 83, 125116 (2011)
K. Klass, G. Mette, M. Dürr, and U. Hüfer