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Die funktionelle Bedeutung der mentalen Simulation zur Vorhersage von biologischer und nichtbiologischer Bewegung

Antragstellerin Waltraud Stadler, Ph.D.
Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2007 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 54924707
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In diesem Projekt wurde anhand von Verhaltensexperimenten zur Handlungsvorhersage und neuronalen Korrelaten der Handlungsbeobachtung die Bedeutung der internen Handlungssimulation nicht-menschlicher Stimuli untersucht. Im Zeitalter von Fantasy-Filmen und Computerspielen mit schier grenzenlosen Möglichkeiten der Animationstechnik und den absurdesten Charakteren scheint die Aussage trivial zu sein, dass auch Wesen ohne oder mit nur teilweise menschlichen Eigenschaften simuliert werden können. Den vorliegenden Resultaten sind dazu zwei wichtige Botschaften zu entnehmen: (i) Hinsichtlich der Simulationsgenauigkeit lassen die Verhaltensstudien zur Handlungsvorhersage eine Abstufung von menschlichen zu nicht-menschlichen Handlungen erkennen, die darauf hinweist, dass menschliche Handlungen genauer simuliert werden können als nicht-menschliche Handlungen. (ii) Die Beobachtung von menschlichen bzw. bekannten Handlungen war in allen bisher fertiggestellten Studien mit reduzierter sensomotorischer Aktivität assoziiert, sodass sich, entgegen der Befunde einiger früherer Studien, das Verhältnis menschlich < nicht-menschlich bzw. bekannt < nicht-bekannt zeigte. Eine wesentliche Voraussetzung für die relativ höhere Aktivierung v.a. prämotorischer Regionen bei nichtmenschlichen Stimuli scheint die kognitive Aufgabe darzustellen, in deren Rahmen Handlungsstimuli präsentiert werden. Die hier eingesetzten Versuchsaufgaben erforderten durchweg eine aufmerksame Bearbeitung (meist Vorhersage) des Handlungs- bzw. Bewegungsablaufes, wozu auch bei nicht-menschlichen Handlungen die aktive Simulation erforderlich war. Vorausgesetzt der Annahme, dass Simulationen von dynamischen Bewegungsabläufen auf Basis sensomotorischer (Vorhersage-)Prozesse generiert werden, sollten Simulationen unbekannter / nicht-menschlicher Stimuli einen Mehraufwand verursachen, der dadurch entsteht, dass wenig vertraute Bewegungen und Handlungen nur lückenhaft mit Prozessen im Bewegungsrepertoire des Beobachters übereinstimmen und im Gegensatz dazu bekannte Handlungen ressourcensparend verarbeitet werden können. Zusätzlich zu diesen Punkten wurden einige interessante Beobachtungen gemacht: Durch visuelles Training konnte bei nicht-menschlichen und bei unbekannten menschlichen Bewegungen eine Verbesserung der raumzeitlichen Vorhersage erreicht werden, was auf eine Steigerung der Simulationsgenauigkeit zurückgeführt werden kann, die durch trainingsbedingte Aktivierungsreduktionen in sensomotorischen Regionen untermauert wurde. In direkten Vergleichen zwischen verschiedenen kognitiven Aufgaben stellte sich die Versuchsaufgabe als ein modulierender Faktor der sensomotorischen Beteiligung heraus. Diesen Ergebnissen zufolge muss neben der Bewegungserfahrung auch die kognitive Aufgabe, in die ein Stimulus eingebettet ist, als wesentlich für die Bestimmung der Effektrichtung beim Vergleich nicht-menschlich vs. menschlich in Betracht gezogen werden. Entsprechend zeigte sich, dass es während der aufmerksamen Verfolgung einzelner Punkte in einer Bewegungstracking-Aufgabe keinerlei menschlicher Eigenschaften bedurfte, um prämotorische Aktivität auszulösen. Überraschend war der Befund, dass bei exakter Übereinstimmung der raum-zeitlichen Bewegungscharakteristiken zweier Wesen, die sich aber in ihrer körperlichen Erscheinung unterschieden (Roboter und Android), eine sehr unterschiedliche Leistung bei der Vorhersage raum-zeitlicher Handlungsabläufe beobachtet wurde. Dieser Befund weist auf einen beträchtlichen Einfluss der körperlichen Erscheinung auf die Handlungssimulation hin, möglicherweise hinsichtlich der Selektion des Simulationsmodelles. Für anwendungsorientierte Forschung könnten die Resultate impulsgebend sein, indem sie darauf hinweisen, dass Nutzer virtueller Umgebungen mit menschlicher Kinematik möglicherweise besser und komfortabler interagieren können als mit zeitlich präzise ablaufender künstlicher Bewegung. Erste Resultate zu Lern- und Assistenzprogrammen der Neurorehabilitation liegen neuerdings vor. Zudem hat das Projekt mit dem Vergleich zwischen Mensch und Tier einen neuen Weg beschritten. Mit dem Repertoire an aufeinander abgestimmten Pointlight-Animationen von Hunden und Menschen ist es möglich, neuronale Korrelate der Beobachtung eines Tieres auf der Handlungsebene zu untersuchen. Die Handlungssequenzen des Hundes stellen Stimuli dar, mit denen nicht-menschliche aber biologische Bewegung und Form kontrolliert untersucht werden kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2009). Action Prediction and the Premotor Cortex. Proceedings of the 50th Annual Meeting of the Psychonomic Society, Boston, MA, USA
    Stadler, W., Springer, A., Ott, D., Schütz-Bosbach, S., Schubotz, R., & Prinz, W.
  • (2009). Visual sensitivity to manipulations of human kinematics in point-light characters. Perception, 38 (Supplement ECVP 09 Abstracts), 84
    Stadler, W., Parkinson, J., Springer, A., & Prinz, W.
  • (2011). Manipulating Human Movement Characteristics: Effects on Action Prediction and Cortical Activation. Beiträge zur 53. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TEAP 2011), Halle, Germany, March 2011. In Bittrich, K., Blankenberger, S., Lukas, J. (Eds.) Beiträge zur 53. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TEAP 2011), Halle, Germany, March 2011. Lengerich: Pabst, p. 170
    Stadler, W., Springer, A., Cross, E.S., Parkinson, J., Schubotz, R.I., Prinz, W.
  • (2012). Movement kinematics affect action prediction: comparing human to non-human point-light actions. Psychological Research, 76(4), 395-406
    Stadler, W., Springer, A., Parkinson, J., & Prinz, W.
  • (2012). Predicting human action with human and non-human movement kinematics: behavioral and fMRI findings. Klinische Neurophysiologie, 48 (Abstracts of the 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN 2012), p.108
    Stadler, W., Springer, A., Parkinson, J., Cross, E.S., Schubotz, R.I., Prinz, W.
  • (2012). Representing others' actions: the role of expertise in the aging mind. Psychological Research, 76(4), 525-41.
    Diersch, N., Cross, E. S., Stadler, W., Schütz-Bosbach, S., & Rieger, M.
  • (2012). Robotic movement preferentially engages the action observation network. Human Brain Mapping. 33, 2238-54
    Cross, E. S., Liepelt, R., de C Hamilton, A. F., Parkinson, J., Ramsey, R., Stadler, W., & Prinz, W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/hbm.21361)
  • (2012). The role of appearance and motion in action prediction. Psychological Research, 76(4), 388-394
    Saygin, A. P., & Stadler, W.
  • (2013). Action Prediction in Younger versus Older Adults: Neural Correlates of Motor Familiarity. PLoS ONE 8(5): e64195
    Diersch, N., Mueller, K., Cross, E.S., Stadler, W., Rieger, M., Schuetz-Bosbach, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0064195)
  • (2013). Prediction Processes During Multiple Object Tracking (MOT): Involvement of Dorsal and Ventral Premotor Cortices. Brain and Behavior
    Atmaca, S., Stadler, W., Keitel, A., Ott, D., Lepsien, J., Prinz, W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/brb3.180)
  • (2013). The influence of visual training on predicting complex action sequences. Human Brain Mapping, 34, 467–486
    Cross, E. S., Stadler, W., Parkinson, J., Schütz-Bosbach, S., & Prinz, W.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1002/hbm.21450)
 
 

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