Bürgerliche und adlige Räte in der friderizianischen Finanz- und Justizverwaltung. Aspekte eines sozialen und wirtschaftlichen Umschichtungsprozesses (1740-1806)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Untersuchung rückt die personelle Zusammensetzung der beiden Säulen der altpreußischen Verwaltung zwischen1740 und 1806, der Justiz- und Kameralverwaltung, in den Mittelpunkt, befasst sich dabei mit den Juristen und den Kameralisten der mittleren und höheren Hierarchieebenen in den maßgeblichen Zentral- wie Provinzialbehörden und vergleicht weit mehr als 1.000 Beamte unter drei leitenden Gesichtspunkten: ihre soziale und regionale Herkunft, ihre Ausbildung und ihre Laufbahn. Im Ergebnis ist zunächst für den Rekrutierungsprozess der friderizianischen Justiz- und Verwaltungsbeamten festzustellen, dass spätestens seit dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts der in der bisherigen Forschung unterstellte, mit unterschiedlichen sozialer Rekrutierungen und Bildungsgängen begründete Gegensatz von „alter“ und „neuer“ Bürokratie, also die Zweiteilung der preußischen Bürokratie in ein den ständisches Interessen verbundenes Beamtentum der Justizbehörden und ein dem aufsteigenden Macht- und Militärstaat entspringendes Beamtentum der Kameral- und Finanzbehörden, nicht mehr bestand. In ihrer regionalen Herkunft wie in ihrer Schul- und Universitätsausbildung unterschieden sich adlige und bürgerliche Räte kaum noch voneinander. Ferner geht die Studie den quantitativen Veränderungen nach, die es in den Landeskollegien der altpreußischen Monarchie zwischen adligen und bürgerlichen Beamten gegeben hat. Dominierten zumindest in der Justiz noch im 1750 die Edelleute, überwogen später hier wie im Kameralfach die bürgerlichen Räte. Unter den Gründen für den Bedeutungsverlust des ersten Standes ist in erster Linie die geringe Affinität des Adels zum Zivildienst anzuführen, geschuldet den seit der Durchsetzung des mehrstufigen Prüfungssystems gewachsenen Anforderungen an ausnahmslos alle Bewerber. Dazu kam im Ergebnis der Schlesischen Kriege das gestiegene Ansehen der Armee sowie das Insistieren Friedrichs des Großen darauf, dass die Edelleute ihr Glück nicht mit der Feder, sondern mit dem Schwert machen sollten. Am stärksten fiel ins Gewicht, dass es ihre Verschuldung vielen Gutsbesitzern nicht erlaubte, einem oder mehreren Söhnen den Universitätsbesuch zu finanzieren sowie während des Referendariats zu unterhalten. Der Unlust bzw. dem Unvermögen der Edelleute stand dagegen eine ständig größer werdende Zahl bürgerlicher Kandidaten aus dem beachtlichen Wirtschafts- und Bildungsbürgertum, aus Beamten-, Pfarrer- und Kaufmannsfamilien gegenüber, die sich nach dem Besuch von Gymnasien und Akademien voller Elan dem Zivildienst widmeten und von denen nicht wenige bis in die höchsten Ämter aufsteigen konnten. Denn selbst für die höheren und höchsten Leitungsposten in den Behörden erwies sich wiederholt das Reservoir befähigter Adliger als unzureichend, so dass den Königen nichts anders übrig blieb, als entgegen ihren theoretischen Maximen auf bürgerliche Räte zurückzugreifen. Die personalpolitische Lage war demnach prinzipiell dadurch gekennzeichnet, dass die von den Monarchen in sozialpolitischen Absichten begründete Befürwortung und Stärkung des ersten Standes in Widerstreit mit den fachlichen Anforderungen und Bildungsvoraussetzungen, die zur professionellen und effektiven Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe zunehmend als unverzichtbar angesehen wurden, gerieten. Der konstatierte Umschichtungsprozess zwischen Adel und Bürgertum setzte sich langfristig entgegen den ursprünglichen königlichen Absichten durch.