Grenzen und Möglichkeiten privatwirtschaftlicher Selbstregulierung im Rahmen von Global Governance
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt Unternehmen als Normunternehmer untersuchte, inwiefern und unter welchen Bedingungen privatwirtschaftliche Unternehmen zur Setzung und Weiterentwicklung von internationalen Standards für ihr eigenes Verhalten beitragen. Das in der IB-Forschung verbreitete Konzept des Normunternehmers wurde auf die Untersuchung von privatwirtschaftlichen Beiträgen zum Regieren jenseits des Staates angewandt, um die Aufmerksamkeit auf den Rollenwandel zu lenken, den Unternehmen in den vergangenen beiden Jahrzehnten durchlaufen haben. Im Zuge sich immer stärker internationalisierender Politik und immer tiefer in die nationalstaatliche Sphäre eingreifender internationaler Regulierungen sind Unternehmen immer weniger nur passive Empfänger und immer öfter aktive Gestalter von Politik. Insbesondere im Rahmen transnationaler Selbstregulierungsinitiativen engagieren sie sich als genuine Regelsetzer und etablieren Standards für ihr eigenes Verhalten. Sie schlüpfen dabei in die Rolle von Normunternehmern, die zur Etablierung neuer kollektiver Erwartungen an angemessenes Akteursverhalten beitragen. Nichtsdestotrotz bleibt der Kreis derjenigen Unternehmen, die sich pro-aktiv am transnationalen Regieren beteiligen, beschränk. Ein großer Teil der Wirtschaftsakteure, die im grenzüberschreitenden Raum sichtbar sind, verbleibt in der Rolle des passiven Regelempfängers. Das Projekt ‚Unternehmen als Normunternehmer‘ hatte sich zum Ziel gesetzt, diese Varianz im Unternehmensverhalten zu erklären sowie die Wünschbarkeit von privatwirtschaftlichem Normunternehmertum aus normativer Perspektive in den Blick zu nehmen und die Effektivität und Legitimität dieser neuen Form des Regierens zu analysieren. Die Fallstudien über besonders pro-aktive Unternehmen führten zu wichtigen und zum Teil überraschenden Befunden. Wenig überraschend bestätigt sich, dass auch Unternehmen als Normunternehmer grundsätzlich primär von Kosten-Nutzen Kalkülen getrieben bleiben: Notwenige Bedingungen für das Engagement eines Unternehmens als Normunternehmer sind dessen Einbettung in heterogene Regulierungsumfelder, die das rationale Interesse an der Etablierung eines ,level playing field‘ befördert, sowie ein Mindestmaß an Druck, der durch transnationale zivilgesellschaftliche Akteure ausgeübt wird und Unternehmen Reputationsverluste fürchten lässt. Wo diese Faktoren gegeben sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen zum Normunternehmer wird, was durch weitere Faktoren, insbesondere durch Sozialisation im Heimatstaat, durch eine entsprechende Kultur des Unternehmens sowie durch die Verwundbarkeit des Unternehmens befördert werden kann. Aus normativer Perspektive konnte im Hinblick auf die Effektivität von unternehmerischer Selbstregulierung insbesondere festgestellt werden, dass tatsächliche Verhaltensänderungen auf Seiten der Unternehmen sowie die tatsächliche Lösung der jeweiligen Governance-Probleme, aber auch Anforderungen an Responsivität und Verlässlichkeit nach wie vor problematisch bleiben und nur durch öffentliches Einwirken auf staatlicher und zwischenstaatlicher Ebene in den Griff zu bekommen sind.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2007). The UN Global Compact in Sub-Sahara Africa - Decentralization and Effectiveness. In: Journal of Corporate Citizenship 7: 28, S. 99-112
Rieth, Lothar/Zimmer, Melanie/Hamann, Ralph/Hanks, Jonathan
- (2008). Emerging Patterns of Global Governance: The New Interplay between the State, Business and Civil Society. In: Andreas Scherer und Guido Palazzo (Hrsg.): Handbook of Research on Global Corporate Citizenship, Cheltenham: Edward Elgar, S. 225-248
Wolf, Klaus Dieter
- (2009). Global Governance und Corporate Social Responsibility. Opladen: Budrich UniPress
Rieth, Lothar
- (2010). The Role of Business in Global Governance. Corporations as Norm-Entrepreneurs. Basingstoke: Palgrave Macmillan
Flohr, Annegret, Lothar Rieth, Sandra Schwindenhammer und Klaus Dieter Wolf
- (2010). Variations in Corporate Norm-Entrepreneurship: Why the Home State Matters. In: Morten Ougaard und Anna Leander (Hrsg.): Business and Global Governance, London: Routledge, S. 235-256
Flohr, Annegret/Rieth, Lothar/Schwindenhammer, Sandra/Wolf, Klaus Dieter
- (2011). CSR aus politikwissenschaftlicher Perspektive: Empirische Vorbedingungen und normative Bewertungen unternehmerischen Handelns. In: Raupp, Juliana/Jarolimek, Stefan/Schultz, Friederike (Hrsg.): Handbuch CSR. Kommunikationswissenschaftliche Grundlagen, disziplinäre Zugänge und methodische Herausforderungen, Wiesbaden: VS-Verlag, S. 395-418
Rieth, Lothar