Analyse von latenten nichtlinearen Effekten in Strukturgleichungsmodellen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ein wesentliches Ziel unserer Forschungstätigkeit war die Klassifizierung der Verfahren zur Analyse von latenten nichtlinearen Modellen anhand ihrer speziellen Charakteristika und Schätzeigenschaften sowie der Vergleich der Leistungsfähigkeit dieser Verfahren. Zwei Klassen von Verfahren konnten identifiziert werden: Die "Verteilungsanalytischen Verfahren" Latent Moderated Structural Equations (LMS; Klein & Moosbrugger, 2000) und Quasi-Maximum Likelihood (QML; Klein & Muthén, 2007) können einer eigenen Klasse zugeordnet werden, die sich dadurch auszeichnet, dass sie die Verteilung der Kriteriumsvariablen analysieren. Sie nutzen die aus diesem Typ von Modellen resultierende Schiefverteilung der Kriteriumsvariablen für die Parameterschätzung explizit aus und verwenden dafür eigens entwickelte Maximum-Likelihood-Methoden, welche nur die Voraussetzung von normalverteilten Prädiktoren haben. Eine zweite Klasse bilden die "Produkt- Indikator-Verfahren", z. B. die LISREL-Verfahren "Constrained Approach" (Jöreskog & Yang, 1996) und "Unconstrained Approach" (Marsh, Wen & Hau, 2004), die im Gegensatz zu den verteilungsanalytischen Verfahren die Bildung von Produkten aus den manifesten Messmodellgleichungen zur Messung der latenten Produktterme benötigen. Diese zweite Klasse von Verfahren verwendet eine Maximum-Likelihood-Methode, die bei linearen Modellen angemessen ist, so dass die immanente Annahme der multivariaten Normalverteilung durch den Produkt-Indikator-Ansatz verletzt wird. Ein Vergleich der verteilungsanalytischen Verfahren mit den Produkt-Indikator-Verfahren zeigt, dass die Leistungsfähigkeit der Verfahren wesentlich von der Multikollinearität im Modell abhängt. Während bei unkorrelierten Prädiktoren alle Verfahren zu vergleichbaren Schätzergebnissen kommen, zeigt sich bei Multikollinearität eine deutliche Überlegenheit von LMS und QML gegenüber den Produkt-Indikator- Verfahren, da diese die Standardfehler z.T. erheblich unterschätzen, so dass bei diesen Verfahren keine zuverlässige Signifikanztestung der Parameter möglich ist. LMS und QML erzielen dagegen gute und effiziente Schätzergebnisse. Theoretisch erwartete Unterschiede zwischen den beiden verteilungsanalytischen Verfahren konnten wir unter praxisrelevanten Bedingungen nicht finden: LMS und QML bringen nahezu identische Schätzungen hervor und sind somit beide gleichermaßen gut geeignet für die Analyse von latenten nichtlinearen Modellen mit mehreren nichtlinearen Effekten. Die guten Schätzeigenschaften der verteilungsanalytischen Verfahren konnten wir auch anhand von komplexen Modellen mit maximal sechs nichtlinearen Effekten sowie bei latenten nichtlinearen Mediatormodellen nachweisen. Anhand einer theoretischen Analyse der methodischen Probleme von nichtlinearen Modellen konnten wir aufzeigen, dass bei der Analyse von Moderatoreffekten immer auch alle theoretisch möglichen quadratischen Effekte mitanalysiert werden sollten. Wir konnten zeigen, dass in der Population nicht vorhandene Effekte korrekt auf null geschätzt werden; fehlspezifizierte Modelle hingegen, die gegenüber dem Populationsmodell zu wenige nichtlineare Effekte enthalten, können im Ergebnis zu Scheineffekten führen. Ein weiteres wesentliches Ergebnis unserer Forschungstätigkeit besteht darin, dass wir herausfinden konnten, dass die Schiefverteilung von Prädiktorindikatoren zwei Ursachen haben können, welche die Güte der Parameterschätzungen maßgeblich beeinflussen: Liegt die Ursache in der Schiefverteilung der latenten Konstrukte (Beispiel: Depressivität), so ist das verteilungsanalytische Verfahren QML relativ robust gegenüber der Verletzung der Normalverteilungsannahme. Eine Transformation zur Normalisierung der Prädiktorindikatoren wäre in diesem Fall kontraindiziert, weil sie zu erheblichen Verzerrungen der Parameterschätzungen führt. Liegt die Ursache hingegen in der Schiefverteilung der Fehler, was z.B. bei Decken- oder Bodeneffekten vorkommen kann, so verbessert eine normalisierende Transformation der Prädiktorindikatoren (Yeo-Johnsson- Transformation) die Güte der Parameterschätzungen drastisch gegenüber der Verwendung von keiner Transformation. Zur Überprüfung der Modellgüte wurden erste Untersuchungen vorgenommen. Da es bisher aber noch keine adäquaten Gütemaße gibt, sollte dieses Problem zukünftig grundsätzlicher angegangen werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Schermelleh-Engel, K., Rudnick, C. & Moosbrugger, H. (2008). Logarithmic transformation of observed variables in nonlinear structural equation models (Arbeiten aus dem Institut für Psychologie, Heft 1/2008). Frankfurt am Main: Institut für Psychologie der J. W. Goethe-Universität.