Methode zur Verringerung der Bauteilbeeinflussung bei der Hartzerspanung
Final Report Abstract
Die erzielten Ergebnisse dieses Projekts stellen eine Erweiterung des derzeitigen Wissens über die Werkzeugtechnologie für das spanende Verfahren Hartdrehen dar. Es wird gezeigt, inwieweit die geometrische Gestalt der Werkzeugecke und der Freifläche das Einsatzverhalten beeinflussen und inwieweit die Randzone des Bauteils in Form von Eigenspannungszuständen und Gefügeveränderungen beeinflusst wird. Die wesentlichen grundlegenden Ergebnisse sind, dass mit abnehmender Größe des Eckenradius bei einer unverschlissenen Schneide zunehmende Spannungswerte und plastische Dehnung an der Bauteiloberfläche auftreten, die zu hohen Druckeigenspannungswerten in der Randzone des Werkstücks führen. Grund hierfür ist die Zunahme der mittleren Spanungsdicke und die lokalisierte Wirkung des Prozesses. Gleichzeitig erhöht sich die maximale Temperatur an der Schneidkante, was zu einem schnelleren Verschleiß des Werkzeugs führt. Durch den Einsatz großer Eckenradien hingegen wird das in der Prozesszone auftretende thermo-mechanische Belastungskollektiv auf einen größeren Kontaktbereich verteilt, so dass geringere Druckeigenspannungen im Werkstück, eine geringere Rauheit der Bauteiloberfläche und insbesondere ein günstigeres Verschleißverhalten des Werkzeugs erzielt werden. Der Einsatz asymmetrischer Eckengeometrien bewirkt in Relation zu dem Herstellungsaufwand der Geometrie keinen signifikanten Vorteil beim Hartdrehen. Gleiches gilt für die Verwendung neuartiger, gefaster Schneideckengeometrien der Werkzeuge beim Hartdrehen. Darüber hinaus wird gezeigt, dass die Kombination einer Eckengeometrie mit einem Freiflächenrücksatz möglich ist und durch eine geeignete, präzise Fertigung des Rücksatzes eine signifikante Erhöhung der Standzeit sowie konstante Randzoneneigenschaften über eine lange Einsatzzeit des Werkzeugs möglich sind. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das in dieser Arbeit präsentierte Modell zur Berechnung der Prozesskräfte ein weiterer Fortschritt. Dieses basiert auf einer breiten Datenbasis der geometrischen Prozesseinstellgrößen beim Hartdrehen und dem Kraftmodell nach Altintas. Konventionelle Ansätze zur Berechnung der Prozesskräfte basieren auf dem nominellen Spanungsquerschnitt. Das neue Modell hingegen berücksichtigt die effektiven Eingriffsverhältnisse im Bereich des Eckenradius. Durch die Bestimmung der Kraft- und Reib-Koeffizienten wird eine gute Vorhersage der Schnitt-, Passiv- und Vorschubkraft für sehr unterschiedliche Einstellungen des Vorschubs, des Eckenradius und der Schnitttiefe ermöglicht. Hiermit kann zudem eine gute Abschätzung der mechanischen Belastung der Werkstückrandzone während des Prozesses erfolgen. Aus Anwendungssicht besteht der Fortschritt zunächst darin, dass die verschiedenen Werkzeug- und Prozesseinstellgrößen beim Hartdrehen zu sehr verschiedenen Einsatzergebnissen und Bauteileigenschaften führen. Dieses war nach dem bisherigen Stand der Technik nicht exakt vorhersagbar. Darüber hinaus können die grundlegenden Erkenntnisse für die Entwicklung und das Design von Zerspanwerkzeugen verwendet werden. Beispielsweise ist es möglich, Hochvorschub-Drehwerkzeuge weiterzuentwickeln, um die Zerspanleistung und die Effizienz von Prozessen zu erhöhen und die hierbei auftretenden Prozesskräfte abzuschätzen. Interessante Folgeuntersuchungen betreffen einerseits die grundsätzlichen Entstehungsmechanismen und die präzisere Vorhersage der Eigenspannungszustände in der Werkstückrandzone beim Hartdrehen. Andererseits ist es von großem Interesse, Verfahren zur Serienfertigung von zurückgesetzten Freiflächen von Wendeschneidplatten in Dimensionen kleiner 100 µm zu entwickeln. Während der Durchführung des Projekts haben sich weitere Fragestellungen ergeben, die in Folgeprojekten zu erforschen sind. Aufgrund des hohen Potenzials dieser neuen Werkzeuggeometrie und mit dem jetzigen Kenntnisstand ist es weiterhin nötig, die Umsetzung in die Praxis voranzutreiben. Die wichtigsten Fragestellungen und Zielrichtungen für zukünftige Arbeiten und Projekte sind • die grundlegende mechanische und physikalische Analyse der Entstehungsmechanismen von Eigenspannungen durch Fertigungsprozesse • die Weiterentwicklung des variablen Rücksatzes in Abhängigkeit von der Größe und Form des Spanungsquerschnitts • die Übertragung des Prinzips des Freiflächenrücksatzes auf andere Verfahren, wie bspw. Hartfräsen • die Verwendung der zurückgesetzten Geometrie bei der Zerspanung nicht gehärteter Werkstoffe • die Entwicklung industrieller und für die Großserie geeigneter Herstellungsverfahren von zurückgesetzten Freiflächen auf Basis der pulvermetallurgischen Formgebung von Wendeschneidplatten Das Lösen eines Teils dieser Fragestellungen und die systematische Verwertung werden bereits vom IFW geplant und vorangetrieben. Dieses erfolgt bspw. durch ein Forschungsvorhaben, welches der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) zur Begutachtung vorliegt. Darüber hinaus wird es angestrebt, die guten Verbindungen des IFW zu Werkzeugherstellern zu nutzen, um Verfahren zur Herstellung von zurückgesetzten Werkzeugfreiflächen zu entwickeln.
Publications
- Hartbearbeitungswerkzeug für die spanende Bearbeitung gehärteter Stähle. Patentschrift DE 10 2006 020 613 B4, Deutsches Patent- und Markenamt, 2009
Denkena, B.; Ben Amor, R.
- Modification of the Tool-Workpiece Contact Conditions to Influence the Tool Wear and Workpiece Loading during Hard Turning. In: 4th CIRP International Conference on High Performance Cutting, HPC 2010, 24-26th October 2010, Nagaragawa Convention Center, Gifu, Japan, 2010
Denkena, B.; de Leòn, L.; Meyer, R.
- Modifizierte Schneidengeometrien für die Hartbearbeitung. In: Seminar Werkzeuge für die Zerspanung, 10./11. Februar 2010, Garbsen / Hannover, 2010
Denkena, B.; Meyer, R.; Bassett, E.
- Beeinflussung des Werkzeug-Einsatzverhaltens beim Hartdrehen mittels neuartiger Werkzeuggeometrien. GETPRO 3. Kongress zur Getriebeproduktion der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA), 29./30. März 2011, Congress Centrum Würzburg, 2011
Denkena, B.; Köhler, J.; Meyer, R.