Ring-Anlagen in Südwestnorwegen (2. - 4.Jh.). Archäologische Zentralplatzforschung in Nord- und Mitteleuropa mit einem norwegischen Fallbeispiel.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der Gegenstand der Arbeit waren archäologische Zentralplatzforschungen am Beispiel der südwestnorwegischen Ring-Anlagen, d.h. radial um einen Platz angeordneter Hausgruppen aus dem l .12. bis 5. Jh.n.Chr. Diese Häuser wurden ausweislich der archäologischen Untersuchungen ausschließlich zur Unterbringung von Menschen vor und nach den Versammlungen innerhalb des Hausrunds genutzt, nicht jedoch als Lagerräume, Werkstätten oder Ställe. Die Arbeitshypothese des Vorhabens schrieb den Ring-Anlagen eine Funktion als Zentralplatzindikator zu. Danach dienten sie als Versammlungsplätze bei multifunktionalen Großhöfen/Herrschaftssitzen mit Wurzeln in der römischen Kaiserzeit. Jüngste norwegische Analysen zu den Ring-Anlagen (nur zum Teil auf Südwestnorwegen bezogen) haben demgegenüber das Bild einer in sich im wesentlichen gleichen kaiserzeitlichen Gesellschaft gezeichnet. Dieser Gegensatz (Ring-Anlagen: Anzeiger für eine gleiche oder ungleiche Gesellschaft? Kurz: Ring-Anlagen: Gleichheit oder Ungleichheit?) wurde als Leitmotiv der vorliegenden Studie gewählt, und die Arbeit setzte sich zum Ziel, diese Frage aus möglichst vielen Perspektiven zu erörtern. Die entstandene Studie setzt sich aus der gründlichen archäologischen Betrachtung der Ring- Anlagen sowie essayhaften Betrachtungen zu archäologischen Zentralplatzforschungen in Norwegen, Deutschland und England sowie zu den Ring-Anlagen vor einem internationalen Forschungshintergrund zusammen. In aller Kürze ist festzustellen, daß im jüngeren Zeitabschnitt der Ring-Anlagen (ca. 3.-5. Jh.) deutliche Anzeichen für ein Oberschichtmilieu und Herrschaftssitze nachzuweisen sind. Für den Erbauungszeitraum der Anlagen und den älteren Zeitabschnitt (ca. 1.-2. Jh.) können Indizien für eine soziale Schichtung benannt werden, vor einem südwestnorwegischen und einem internationalen Hintergrund. Die ermittelten Indizien sind jedoch nicht sicher erhärtbar, und aus diesem Grund wurde keine Entscheidung zugunsten des Gleichheits- oder Ungleichheitsmotivs getroffen. Das überraschendste Ergebnis der vorliegenden Untersuchung ist das Scheitern einer Zentralplatzperspektive für das l. und 2. Jahrhundert n.Chr. Dies gilt für Norwegen ebenso wie für das nur skizzenhaft betrachtete übrige Nordeuropa und den Kontinent nördlich vom Limes. Es bleibt damit die gewichtige Frage zu stellen, ob es bereits Großhöfe/ Herrschaftssitze von einiger Konstanz gab und ob sich diese in Nordeuropa bei den später gut belegbaren Plätzen befanden. Und wie verhielt es sich auf dem Kontinent, wo doch Großstämme und Königtümer für den genannten Zeitraum überliefert sind, nicht zuletzt ein Herrschaftssitz und eine nahegelegene Burg des Markomannenkönigs Marbod (Tacitus, Annales, 2,62)?
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Oliver Grimm, Tunanlegg pä Jahren og det europeiske kontinent In: Frä haug ok heiöni. Tidsskrift for Rogalands arkeologiske forening. Nr. 4/2006, S. 3-10