Die Rolle der Verwandtschaft in der Organisation von Insektenstaaten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Vorhabens war es, die Rolle der Verwandtschaft für die Entstehung und Lösung von Konflikten zwischen Individuen in Insektenstaaten aufzuklären. Modelle, die auf der Theorie der Verwandtenselektion basieren, sagen vorher, dass die genetischen Struktur von Insektenstaaten in entscheidendem Maße bestimmt, ob Arbeiterinnen im Beisein der Königin Eier legen oder nicht. In genetisch komplexen Staaten sollten Arbeiterinnen sich fortpflanzende Arbeiterinnen "bestrafen", indem sie ihre Eier fressen oder sie selbst attackieren ("worker policing"). In genetisch homogenen Staaten ist ein solches Verhalten alleine aufgrund der Verwandtschaftsverhältnisse nicht zu erwarten. Wir untersuchten die Rolle der Verwandtschaft durch Beobachtungen an manipulierten Staaten der Ameisengattung Temnothorax. In königinnenlosen Staaten produzieren Arbeiterinnen vieler Temnofftorax-Arten Männchen aus unbefruchteten Eiern, in Staaten mit Königinnen legen sie jedoch meist keine Eier. Die Muster kutikularer Kohlenwasserstoffe unterscheiden sich zwischen von Königinnen und von Arbeiterinnen produzierten Eiern, die Arbeiterinnen diskriminieren aber nicht zwischen in den Staaten transferierten Eiern unterschiedlicher Herkunft. "Worker policing" besteht daher fast ausschließlich aus Aggressionen gegen reproduktive Arbeiterinnen. Solche Attacken werden zumeist von hochrangigen Arbeiterinnen ausgeführt, die dadurch egoistisch ihre eigenen Chancen, beim Verlust der Königin Eier legen zu können, vergrößern. Zugefügte, von Arbeiterinnen produzierte Brut hat keinen negativen Einfluss auf die Gesamtproduktivität der Kolonie. Dass Arbeiterinnen der meisten 7emnof/7orax-Arten keine Eier legen, scheint daher auf die Kosten der aggressiven Interaktionen zurückzuführen zu sein. Variation in der genetischen Koloniestruktur, die bislang als wichtiger Faktor für die Entstehung von Konflikten in Insektenstaaten angesehen wurde, ist bei Temnothorax offenbar von untergeordneter Bedeutung: Arbeiterinnen von T. recedens legen Eier, die anderer Arten jedoch nicht, trotz gleicher genetischer Koloniestruktur. Weiterhin untersuchten wir, ob die Signale, die Reproduktion im Staat regeln, zwischen Arten übereinstimmen. Wir beobachteten, dass Arbeiterinnen nicht auf die Signale von Königinnen weniger verwandter Temnothorax-Men reagieren, die Signale zwischen den beiden Zwillingsarten T. crassispinus und T. nylanderi jedoch über die Artgrenzen hinweg wirksam sind.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Brunner E, Heinze J (2006) Hierarchy maintenance in the ant Temnothorax unifasciatus. XV Congress IUSSI proceedings, Washington, p 224
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Brunner E, Heinze J, Stroeymeyt N (2005) Reproductive patterns in insect societies. Verh Ges Ökol 35: 28
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Brunner E, Stroeymeyt N, Heinze J (2005) Conflict resolution in insect societies. Proc 3rd European Congress IUSSI, St. Petersburg, p 104
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Heinze J (2008) Conflict and conflict resolution in insect societies. Meeting Ethol. Gesellschaft, Regensburg
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Scharrer J, Brunner E, Heinze J (2007) Worker reproduction and dominance hierarchy in the ant Temnothorax recedens. 100th Annual Meeting DZG, Köln
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Stroeymeyt N, Brunner E, Heinze J (2006) Selfish policing controls worker reproduction in Temnothorax unifasciatus. XV Congress IUSSI proceedings, Washington, p 158
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Stroeymeyt N, Brunner E, Heinze J (2007) "Selfish worker policing" controls reproduction in a Temnothorax ant. Behav Evol Sociobiol 61: 1449-1457
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van Zweden J, Fürst M, Heinze J, D'Ettorre P (2007) Specialization in policing behaviour among workers in the ant Pachycondyla inversa. Proc R Soc Lond B 274: 1421-1428
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Walter B, Heinze J (2008) Life expectancy, fertility and foraging - new insights into evolution of labour division in insect societies. Meeting Ethol. Gesellschaft, Regensburg