Untersuchung der Geschichte des arabischen Fürstentums der Lahmiden in al-Hira (Irak) in der Grenzregion zwischen dem Sasanidenreich und Rom (3.-7. Jhd.).
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Gesamtprojekts war eine historische Gesamtdarstellung und Analyse des vorislamischen arabischen Fürstentums der LaÉmiden mit der Hauptstadt al- \Êra, das sich im Spannungsfeld der beiden Großmächte der Spätantike in Nahost befand, nämlich zwischen dem Römischen Reich und dem Sasanidenreich. Die zweite Arbeitsphase war der vertieften Untersuchung der bedeutenden christlichen Gemeinde in al-\Êra gewidmet, der eine zentrale Rolle im Kulturtransfer zukam, da sie überregionale Kontakte zu den in Syrien, Iran, Armenien, Byzanz und auch Arabien pflegte. Es ergab sich, dass die Kirchenstruktur in al-\Êra wohl aus dem 4. Jahrhundert stammte und sich ein Bischof seit 410 kontinuierlich nachweisen lässt, der dem Metropoliten von Ktesiphon/Seleuceia direkt untergeordnet war. Al-\Êra befand sich keinesfalls am Rande der persischen Kirche und nahm an den dogmatischen und kirchenorganisatorischen Entwicklungen der zunehmend eigenständig werdenden persischen Kirche als vollwertiges Mitglied teil. Die Lage am Steppenrand begünstigte ausserdem die Anwesenheit von Asketen und Anachoreten, die entscheidend zur Christianisierung der Araber beitrugen, vor allem auf dem Lande. Viele dieser Mönche hegten zudem monophysitische Sympathien, waren sie doch vor den Verfolgungen in Byzanz Anfang des 6. Jhd. Jahrhunderts geflohen. Insgesamt zeigte sich, dass sich das Gebiet im 6. Jhd. im Kreuzfeld lebhafter konkurriender Mission von Monophysiten und Nestorianern befand, was ein deutlicher Hinweis auf die Bedeutung ist, die dieser Region beigemessen wurde. Die Nestorianer gingen schließlich siegreich aus diesem Machtkampf hervor, da es ihnen gelang, den letzten Lahmidenkönig 590 zu bekehren. Name und Selbstverständnis der Christen al-\Êra zeigt, dass diese Gemeinschaft sehr alt war und auch mit besonderen politischen Privilegien ausgestatten war. Die Gemeinschaft der so genannten #Ib§d ("Diener" scil. "Gottes") verfügten über großen politischen und sozialen Einfluß in der Stadt und standen der Dynastie der L. sehr nahe. Die Ursprünge der christlichen Gemeinde wurzeln wohl einer manichäische Kerngemeinde aus dem dritten Jhd. Die Untersuchung hat gezeigt, dass zwar in al-\Êra wie in den meisten Städten des Nahen Ostens Vielsprachigkeit und Multikulturalität die Regel waren, aber nicht alle Bevölkerungsgruppen in gleicher Weise erfassten. Nur bestimmte "minorities in the middle" erfüllten eine Brückenfunktion, und diese Aufgabe übernahmen in al- \Êra die arabischen Christen, die als Medium für die Aneignung kultureller und religiöser Konzepte der angrenzenden spätantiken Kulturen fungierten. Zugleich waren sie trotz aller Anpassung Araber geblieben, sowohl was ihre Sprache wie auch viele Bereiche ihrer kulturellen Orientierung betraf. Gerade diese kulturelle und sprachliche Verwurzelung in der arabischen Kultur, ihr Selbstverständnis als Araber, ermöglichte es ihnen, als Mittler zu fungieren. Im 6. Jhd. hatte sich also in al-\Êra ein genuin arabisches städtisches Gemeinwesen entwickelt, das durch die fruchtbare Assimilation an die angrenzenden spätantiken Kulturen Byzanz und Persien in vielfacher Hinsicht Prozesse vorwegnahm, wie sie später aus der nachfolgenden islamischen Kultur bekannt sind. Die islamischen Eroberungen im 7. Jhd. bedeuteten auch die abrupte Unterbrechung einer Entwicklung, die vielleicht die Etablierung eines christlich-barbarischen Königreiches ähnlich wie unter den Merowingern zur Folge gehabt hätte Über den Kontakt mit dem \iƧz erreichten diese Neuerungen ohne Zweifel auch das mekkanische Milieu und beeinflussten Muhammad in seinem Kerygma. Folgenreicher war aber diese Entwicklung als Vorbild für die frühislamische Gesellschaft in Kufa, der Nachfolgestadt von al-\Êra und eines der wichtigsten kulturellen und politischen Epizentren des frühen Islam.