Neuronale Mechanismen der Verarbeitung multipler Stimuli im menschlichen Gehirn
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt untersuchte die neuronale Dynamik im gesunden menschlichen Gehirn bei der Verarbeitung multipler visueller Stimuli auf der Grundlage der „biased competition“ Theorie und dem „feature-similarity gain“ Modell. Zwei experimentelle Linien mit unterschiedlichen Stimuli kamen dabei zum Einsatz. In beiden Experimentalserien haben wir die Stimuli flackernd für mehrere Sekunden dargeboten, um das so genannte Steady-state visuell evozierte Potential (SSVEP) im menschlichen EEG zu analysieren. Die neuronale Dynamik des „baised competition“ Modells untersuchten wir mit farbigen komplexen Bildern, die ebenfalls bei fMRI Experimenten von Sabine Kastner verwendet wurden. Im Gegensatz zu den fMRI Experimenten fanden wir: (1) dass die Darbietung der Stimuli an einem Ort bei kurzer räumlicher Distanz zu keiner Suppression der SSVEP Amplitude führte, (2) dass die kontinuierliche Veränderung der räumlichen Distanz bei einem Abstand der Stimuli von etwa 4 Grad visuellem Sehwinkel und weniger zu einer Suppression der SSVEP Amplitude führte und (3) dass die Beachtung eines Stimulus zur Ko- Amplifikation der SSVEP Amplitude des zu ignorierenden Stimulus führte wenn dieser eine räumliche Distanz von 4 Grad oder weniger zum beachteten Stimulus hatte. Mithilfe von flackernden farbigen Punkte- und Balkenwolken, die räumlich überlagert dargeboten wurden untersuchten wir zentrale Vorhersagen des „feature-similarity gain“ Modells. Wir waren die ersten die zeigen konnten, dass (A) die Beachtung eines Merkmals an einem Ort zur Anhebung der SSVEP Amplitude der Stimuli führte, die am nicht beachteten Ort das identische Merkmal hatten (im voll-faktoriellen Design), (B) die Beachtung einer Merkmalsverbindung (Farbe und Orientierung von Balken) zur Anhebung der SSVEP Amplitude derjenigen Stimuli führte, die ein gemeinsames Merkmal mit der beachteten Verbindung teilten, (C) sowohl Raum, als auch andere Merkmalsverbindungen führen zu additiven Aufmerksamkeitseffekten, (D) die Hinwendung zu einem Merkmal mit der deutlichen Suppression des zu ignorierenden Merkmals gekoppelt ist, und (E) entgegen der integrativen Objektverarbeitungshypothese ein Merkmal eines Objekts selektiv beachtet werden kann. Zusammenfassend kann das Projekt als großer wissenschaftlicher Erfolg bewertet werden, da die Ergebnisse auf der einen Seite zentrale Aussagen des „biased competition“ Modells in Frage stellen und eher einen „feature similarity gain“ Mechanismus unterstützen und auf der anderen Seite die neuronale Dynamik des „feature similarity gain“ Models zum ersten Mal im menschlichen Gehirn untersucht wurde. Diese Ergebnisse haben weit reichende Folgen, nicht nur beim Design neuer Studien mit der Darbietung multipler Stimuli, sondern auch bei der weiteren Theorienbildung wie etwa bei der visuellen Suche.