Detailseite
Projekt Druckansicht

Logen, Esoterik, 'Vernünftiges Christentum'. Halle als religionsgeschichtlicher Ort 1740 - 1800

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2004 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5470689
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Mit der detaillierten Untersuchung des ‚Personals‘ der Studie, das im betrachteten Zeitraum an der Universität Halle und deren weiterem akademisch geprägten Umfeld sowie in den halleschen Freimaurerlogen aktiv war, wurde eine prosopographische und bio-bibliographische Basis gelegt, auf die bei allen folgenden Arbeitsschritten zurückgegriffen werden konnte, denn der gesellschaftsund lokalhistorische Ansatz des Projekts war vor allem auf konkrete Personen und Gruppierungen fokussiert. An den im Weiteren exemplarisch behandelten, mehr oder weniger prominent hervorgetretenen und einflussreichen Personen und ihren Publikationen lässt sich nun zeigen, in welchem Maße der jeweilige amtliche und gesellschaftliche Kontext Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung der Schriften nahm: Im Rahmen der ‚diskreten‘ Logentätigkeit konnte durchaus anders gedacht, gesprochen und geschrieben werden, als es die öffentliche Position an der Universität und die aus dieser hervorgegangenen – gewissermaßen rein akademischen – schriftlichen Äußerungen erwarten ließen. Ein einzelner Autor, sei er nun Philosoph, Theologe oder Mediziner, konnte so – dies ist die Kernthese und zentrales Ergebnis der Projektarbeit – gleichzeitig unterschiedliche, scheinbar miteinander unvereinbare intellektuell-religiöse ‚Identitäten‘ in unterschiedlichen Räumen und Öffentlichkeiten vertreten. Dies ist insofern bemerkenswert, als die hierfür nötige intellektuelle und vor allem religiöse Unabhängigkeit auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch keineswegs als selbstverständlich gelten kann. Mehr noch als die akademische Bildung war der Glaube stark normiert und allenfalls überindividuellen Auseinandersetzungen um die gültige Richtung innerhalb der protestantischen Konfession unterworfen, wie sie sich im früheren 18. Jahrhundert in den Streitigkeiten um den Pietismus geäußert hatten. Bei dem Philosophen Andreas Weber zu Beginn des Untersuchungszeitraums war es der Versuch, im akademischen Rahmen die Theologie einer Revision mit den Mitteln der wolffianischen Philosophie zu unterziehen und zugleich in der Freimaurerloge das ‚Wahre Christentum‘ zu befördern. Wenige Jahrzehnte später bemühte sich Johann Salomo Semler um die Historisierung der Bibel als Grundlage seiner ‚Privatreligion‘ und wollte die historisch informierte Kritik als universelles Mittel einsetzen, mit dem unverstandenes Wissen, etwa dasjenige der Alchemie, für die moderne akademische Auseinandersetzung fruchtbar gemacht werden könne. Karl Friedrich Bahrdt schließlich ging zeitgleich mit Semler noch einen Schritt weiter und nahm nicht nur die Auslegung der Glaubenssätze für das Individuum in Anspruch, sondern machte auch die rechtmäßige Ausgestaltung der institutionalisierten Glaubenspraxis der ‚offiziell‘ sanktionierten Kirche und ihrem Bewahrer, dem Landesherrn, streitig. Spätestens an dieser Stelle, dem Umschlag der Individualisierung des Glaubens und der Privatisierung der Religion in Gesellschaftskritik, erhielt die zuvor weitgehend akademisch geführte Auseinandersetzung eine eminent politische Dimension.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung