Meiofauna in chemoautotrophen Bakterienmatten - Diversität, Ökologie und Dynamik in einem isolierten Höhlensystem
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die erst 1986 entdeckte Movile-Höhle im Südosten Rumäniens ist ein einzigartiges Grundwasser-Ökosystem, in dem alles Leben von der Produktion chemoautotropher Bakterien abhängt. Völlig isoliert von der Erdoberfläche schwimmen auf einem unterirdischen See 2-3 mm dicke mikrobielle Matten, die Lebensgrundlage für unzählige mikroskopisch kleine Tiere sind. Die meisten dieser Tiere sind rund 1 mm lange, bakterienfressende Fadenwürmer (Nematoden; individuenreichste Metazoengruppe der Welt), die wiederum von räuberischen Ruderfußkrebsen (Copepoden) gejagt werden. Anscheinend spielen diese gefräßigen Krebse eine wichtige Rolle im Nahrungsnetz der Höhle, da sie unter Laborbedingungen in nur 20 min bis zu 37 Nematoden fraßen, was 30% ihres eigenen Körpergewichtes entspricht. Experimente mit Ruderfußkrebsen aus Gewässern an der Erdoberfläche zeigten, dass Fadenwürmer möglicherweise weit öfter von Ruderfußkrebsen gefressen werden als bisher angenommen. Obwohl das vollständig sauerstofffreie, 21°C warme Grundwasser der Movile-Höhle hohe Konzentrationen von giftigem Schwefelwasserstoff enthält, fanden wir bis zu 2 Millionen ausschließlich weibliche Nematoden pro m2 Matte bei einer erstaunlich geringen Zahl von fünf Arten. Sowohl die Matten als auch ihre Tiere scheinen jedoch abhängig von atmosphärischem Sauerstoff zu sein, der von der Erdoberfläche in die Höhle gelangt. Untersuchungen zum Lebenszyklus zeigten unterschiedliche Strategien bei zwei Nematodenarten; Panagrolaimus spec. bevorzugt hohe Bakteriendichten als Nahrung, ist bereits nach 10 Tagen geschlechtsreif, und legt höchstens 18 Tage lang Eier, während Poikilolaimus spec. niedrige Bakteriendichten bevorzugt, erst nach 20 Tagen geschlechtsreif wird, aber bis zum Tod (maximal nach 70 Tagen) Eier legt. Obwohl Panagrolaimus mit insgesamt 64 Eiern deutlich weniger Nachkommen produziert als Poikilolaimus (108 Eier), hat er aufgrund seiner kurzen Entwicklungszeit ein relativ schnelles Populationswachstum. Dies ist überraschend, da Grundwasser- und Höhlentiere gewöhnlich sehr lange Lebenszyklen und niedrige Reproduktionsraten haben. Solche Eigenschaften, die mit der Nahrungsarmut der meisten unterirdischen Lebensräume zusammenhängen, sind in der hochproduktiven Movile-Höhle anscheinend überflüssig. Durch gezielte Manipulation der Atmosphäre in Experimentalgefäßen konnten wir mikrobielle Matten künstlich kultivieren und die Entwicklung ihrer hochspezialisierten Fauna über ein Jahr verfolgen. Die relative Häufigkeit einzelner Nematodenarten variierte dabei sehr stark mit der Zeit. Anscheinend begünstigt eine Sukzession abnehmender Nahrungsdichten in den alternden Matten jeweils andere Arten der bakterienfressenden Nematoden. Über Aspekte dieses Projektes wurde in den Femsehdokumentationen Kreaturen der Finsternis (arte, 2006) und Meister der Extreme (ZDF: Abenteuer Wissen, 2006) berichtet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2007): Cave meiofauna in chemoautotrophic microbial mats - trophic and life-cycle dynamics in a self-contained ecosystem. Thirteenth international Meiofauna Conference (THIRIMCO) - July 29 - August 3, 2007, Recife, Brazil
Muschiol, D., Traunspurger, W. & O. Giere
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(2007): Life cycle and calculation of the intrinsic rate of natural increase of two bacterivorous nematodes, Panagrolaimus sp. and Poikilolaimus sp. from chemoautotrophic Movile Cave, Romania. Nematology 9(2): 271-284
Muschiol, D. & W. Traunspurger
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(2008): Predator-prey relationship between the cyclopoid copepod Diacyclops bicuspidatus and a free-living bacterivorous nematode. Nematology 10(1): 55-62
Muschiol, D., Markovic, M., Threis, I & W. Traunspurger
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(2008): Predatory copepods can control nematode populations: A functional-response experiment with Eucyclops subterraneus and bacterivorous nematodes. Fundamental and Applied Limnology 172(4): 317-324
Muschiol, D., Markovic, M., Threis, I. & W. Traunspurger