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Sprechmotorisches Lernen bei Sprechapraxie: Vergleich unterschiedlicher Lerneinheiten

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2003 bis 2007
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5415607
 
Erstellungsjahr 2007

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem vorliegenden Projekt wurden zwei Lernstudien bei Patienten mit Sprechapraxie durchgeführt. In der ersten Studie wurde das Lernen einzelner Phoneme dem Lernen von Silben gegenübergestellt. Neben unmittelbaren Übungseffekten wurden hier Transfereffekte auf größere sprachliche Einheiten (Silben, zweisilbige Items) überprüft. Es handelte sich dabei um die erste Untersuchung, in der ein strikt segmentales Vorgehen mit dem Training ganzer Silben verglichen wurde. Anhand der zweiten Lernstudie wurde untersucht, ob sich durch ein Lernen strukturell einfacher Silben auch komplexe, phonologisch relationierte Silben verbessern. Grundlage für die Materialerstellung beider Lernstudien bildeten sublexikalische Frequenzdatenbanken, die auf der Basis der CELEX-Datenbank generiert wurden. Dabei wurden Frequenzen für die Einheiten Phonem, Biphonem, Silbenonset, Silbenreim und Silbe ermittelt. Des Weiteren wurde im Rahmen des Projekts eine Software entwickelt, das die automatisierte Konstruktion und Analyse von Sprachmaterial nach verschiedenen linguistischen Parametern (z.B. Wortfrequenz und sublexikalische Frequenzen, Silbenanzahl und -Struktur) ermöglicht. Die erste Lernstudie (Segmentales und silbisches Lernen: Erhebung von Lern- und Transfereffekten) wurde mit vier Patienten mit schwerer Sprechapraxie durchgeführt. Es zeigte sich, dass das silbische Lernen dem segmentalen Lernen deutlich überlegen war. Während unmittelbar nach dem segmentalen Lernen nur ein Patient Lerneffekte zeigte, profitierten drei Patienten von dem silbischen Lernen. Transfereffekte nach dem Lernen einzelner Phoneme in den Silbenkontext zeigte kein Patient. Dagegen war bei zwei Patienten ein Transfer nach dem silbischen Training in den zweisilbigen Kontext zu beobachten. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass die Silbe eine grundlegende, natürliche sprechmotorische Einheit darstellt, die nicht nur im normalen Spracherwerb, sondern auch für den sprechmotorischen "Wiedererwerb" von zentraler Bedeutung ist. Dagegen könnten fehlende Lerneffekte nach dem segmentalen Lernen darauf zurückgeführt werden, dass es sich hierbei um eine artifizielle Bedingung handelte, die vermutlich zu kontrollierten Planungsprozessen und möglicherweise sogar zum Anstoß nichtsprachlicher Bewegungsmuster geführt hat. Hinsichtlich der Transfereffekte kann angenommen werden, dass die koartikulatorischen Anforderungen, die innerhalb einer Silbe notwendig sind, ohne Übung nicht geleistet werden können. Planungsprozesse oberhalb silbischer Repräsentationen wirken sich dagegen weniger stark auf die Fehler sprechapraktischer Patienten aus. In der zweiten Lernstudie (Transfereffekte von phonologisch einfachen Silben auf komplexe Zielsilben) nahmen acht Patienten mit leichter bis mittelschwerer Sprechapraxie sowie zwei Patienten mit aphasisch-phonologischer Störung teil. Bei den sprechapraktischen Patienten zeigten sich sowohl unmittelbare als auch verzögerte Transfereffekte nach dem Training einfacher Übungssilben auf untrainierte, phonologisch relationierte, komplexe Zielsilben. Die modelltheoretischer Annahme holistisch gespeicherter sprechmotorischer Silbenprogramme ist mit den Ergebnissen nicht vereinbar. Stattdessen liefert die Studie zusätzliche Evidenz für alternative Hypothesen zur sprechmotorischen Enkodierung, die von einer internen Strukturierung phonetischer Programme ausgehen. Da auch die Patienten mit postlexikalisch aphasisch-phonologischer Störung Transfereffekte zeigten, kann davon ausgegangen werden, dass die Methode sowohl auf der Ebene der phonologischen Enkodierung als auch auf der Ebene der sprechmotorischen Programmierung wirksam ist. Aus den vorliegenden Ergebnissen entwickelte sich das Konzept für eine weitere Lernstudie mit sprechapraktischen Patienten, die Aufschluss über die Fragestellung liefern soll, welche subsilbischen Einheiten (z.B. Silbenonset, Silbenreim) auf der Ebene der phonetischen Enkodierung repräsentiert sind.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Aichert, I (2007). Die Bausteine der phonetischen Enkodierung: Untersuchungen zum sprechmotorischen Lernen bei Sprechapraxie. Dissertation. Humanwissenschaftliche Fakultät, Universität Potsdam

  • Aichert, I. & Ziegler, W. (2005). Is there a need to control for sublexical frequencies? Brain and Language, 95, 170-171.

  • Aichert, I. & Ziegler, W. Learning a syllable from its parts: cross-syllabic transfer effects in a patient with apraxia of speech. Science of Aphasia VII. Sardinien / Italien. Vortrag, September 2006.

  • Aichert, I. & Ziegler, W. Segmenfa/es und Silbisches Lernen bei Sprechapraxie: eine Studie zur Erhebung von Lern- und Transfereffekten. "7. Jahrestagung der Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung. Idstein. Vortrag, November 2007.

  • Aichert, I. & Ziegler, W. Segmentales und Silbisches Lernen bei Sprechapraxie: eine Studie zur Erhebung von Lern- und Transfereffekten. 36. Jahreskongress des dbl. Karlsruhe. Vortrag, Juni 2007.

  • Aichert, I. (2005). Sublexikalische Frequenzen- ein neuer Schauplatz in der Neurolinguistik? Patholink, 6, 6-9.

  • Aichert, l. & Ziegler, W. Is there a need to control for sublexical frequencies? The Academy of Aphasia 43th Annual Meeting. Amsterdam / Niederlande. Vortrag, October 2005,

  • Aichert, l. & Ziegler, W. Segments and syllables as target units in the treatment of apraxia of speech; An fnvesf/gaffon of learning and transfer effects. Science of Aphasia VIII. Monopol! / Italien. Vortrag, September 2007

  • Ziegler, W. (2005). A nonlinear model of word length effects in apraxia of speech. Cognitive Neuropsychology, 22, 603-623.

  • Ziegler, W. Apraxia of Speech: Psychoiinguistic and Motor Theories. 24th European Workshop on Cognitive Neuropsychology. Bressanone. Eingeladener Vortrag, Januar 2006.

  • Ziegler, W. Die Bausteine des Sprechens: Phoneme oder Silben? Internationaler Fachkongress Logopädie. Wien. Oktober 2007.

  • Ziegler, W. Die Struktur phonetischer Repräsentationen. Graduiertenkolleg "Universalität und Diversität". Leipzig. April 2006.

  • Ziegler, W. Perspectives on Apraxia of Speech. Clinical Aphasiology Conference. Gent. Eingeladener Vortrag, Mai 2006.

  • Ziegler, W. The Internal Structure of Phonetic Representations: Neurophonetic Evidence. Auditory Processing Workshop. Utrecht. Eingeladener Vortrag, Januar 2006.

  • Ziegler, W. The Structure of Phonetic Representations. 5th International Speech Motor Conference. Nijmegen. Juni 2006.

  • Ziegler, W. What Disordered Articulation may Tell us About Phonetic Plans. 4th International Workshop on Language Production. September 2007.

  • Ziegler, W. Zur inneren Struktur phonetischer Repräsentationen: Neurophonetische Evidenz. Neurolinguistisches Kolloquium, Universität Erfurt. Erfurt. Februar 2006.

 
 

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