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Der sowjetische Afghanistankrieg und sein traumatisches Erbe. Das PTSD-Konzept in Russland, in der Ukraine und Litauen

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 541470053
 
Das Projekt untersucht, wie das in den USA für die Veteranen des Vietnamkriegs entwickelte Konzept der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) auf die sowjetischen Afghanistan-Veteranen übertragen wurde und die zuvor angewandten Diagnosen und Therapien der sog. sozialen Adaption ersetzte. Im Fokus stehen Russland, die Ukraine und Litauen. Der Blick richtet sich auf prominente Protagonist*innen und Institutionen, die mit ihren Studien und Netzwerken die Anwendung von PTSD in der medizinischen Praxis maßgeblich beförderten. Mit seinem sozialkonstruktivistischen und erfahrungsgeschichtlichen Zugang geht es dem Projekt darum, zu verdeutlichen, wie eng die medizinische Fachdebatte mit den politischen sowie gesellschaftlichen Diskussionen verbunden war. Das wirft die Frage auf, wie es zur Popularisierung der für PTSD entwickelten medizinisch-psychologischen Termini kam und wie diese von den Betroffenen für die eigene Leidkommunikation genutzt wurden. Das Projekt ist darauf ausgelegt, das Wechselspiel zwischen Wissen, Diskursen und Praktiken zu erfassen. Dazu wird die medizinische Fachdebatte anhand der einschlägigen Zeitschriften, Dissertationen, Handbücher und Studien sorgfältig untersucht, um anschließend die breite öffentliche Rezeption von PTSD zu thematisieren. Das Projekt wird das zur Geschichte von PTSD bestehende Desiderat ausfüllen und mehrere relevante Forschungsfragen aufgreifen: 1. Gesellschaftsanalyse: Fiel dem PTSD-Konzept über seine Bedeutung als medizinische Therapie hinaus nicht auch die Funktion zu, auf dem Weg zur postindustriellen Gesellschaft einem neuen Menschen- und Weltbild zu mehr Akzeptanz zu verhelfen? 2. Professions- und Medizingeschichte: Lässt sich anhand der Geschichte von PTSD ein ausgewogenes Bild der medizinisch-psychologischen Professionen und Einrichtungen in spät- und postsowjetischer Zeit zeichnen? 3. Kriegserfahrung: Wie integrierten die Afghanistan-Veteranen PTSD in ihr Selbstkonzept? Wirkte sich die „Opferidentität“ auf ihre männliche Selbstwahrnehmung und Selbstpräsentation aus? Welche Folgen hatten die Umwertung des Afghanistankriegs und die verstärkten gesellschaftspolitischen Aktivitäten der Veteranenverbände? 4. Transfergeschichte: Kann das Projekt mit seinem Fokus auf PTSD eigene Akzente in der wissenschaftlichen Verflechtungsgeschichte setzen? 5. Zeitgeschehen: Wie ist PTSD über die Afghanistan-Veteranen hinaus auf andere kriegsbedingte Patientengruppen angewandt worden? Haben die postsowjetischen Kriege dem PTSD-Thema neue Bedeutung verliehen? Wie hat sich das Konzept und die Behandlung von PTSD in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verändert?
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich Professor Dr. Dietrich Beyrau
 
 

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