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Monochromatische Kurzzeit-Radiometrie von Polymeren unter Bedingungen des Spritzgießens

Fachliche Zuordnung Polymermaterialien
Förderung Förderung von 2004 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5412243
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Spritzgießen von Thermoplasten ist ein hoch automatisiertes Urformverfahren, bei dem komplexe Bauteile in einem zyklischen Prozess in großer Stückzahl hergestellt werden können. Zur Beschreibung des Prozessverlaufs durch Modelle in einer numerischen Simulation ist die Kenntnis von rheologischen und mechanischen Kennwerten sowie thermischen Stoffdaten der eingesetzten Materialien erforderlich. Die Qualität dieser Stoffdaten bestimmt maßgeblich die Güte der Simulationsergebnisse, beispielsweise bei der Simulation von Schwindung und Verzug. Dabei ist die prozessnahe Bestimmung des spezifischen Volumens eine große Herausforderung, da beim Spritzgießen Drücke und Temperaturen in einem weiten Bereich variieren. Erschwerend kommt hinzu, dass das spezifische Volumen thermoplastischer Materialien nicht einzig durch Druck und Temperatur bestimmt wird, sondern vielmehr das Ergebnis der thermomechanischen Historie ist, die das Material durchlaufen hat. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wurde eine Messapparatur entwickelt, welche die Bestimmung des pvT-Verhaltens thermoplastischer Materialien unter spritzgießrelevanten Bedingungen, insbesondere unter Berücksichtigung unterschiedlicher Abkühlhistorien ermöglicht. Die physikalische Grundlage bildet das Röntgenabsorptionsgesetz, welches (bei konstantem Energiespektrum) die Schwächung der Strahlung als Funktion der Materialdichte beschreibt. Die Messapparatur ermöglicht die Durchstrahlung einer unter Druck stehenden Kunststoffschmelze mit Röntgenstrahlen und ist derart ausgelegt, dass die beim Wärmeentzug resultierenden Temperatur- und somit Dichtegradienten senkrecht zum Strahlengang verlaufen. Durch den Einsatz von Spaltblenden wird der Strahlquerschnitt reduziert, um die Temperatur- und somit Dichteunterschiede im durchstrahlten Bereich der Probe zu minimieren. Prinzipbedingt kann so der Erhöhung der Temperaturgradienten in der Probe bei Erhöhung der Abkühlgeschwindigkeiten durch eine Verkleinerung des Spaltmaßes entgegengewirkt werden. Die Messgenauigkeit wird daher lediglich durch die Stabilität der Strahlgeometrie, der Strahlenquelle und des Energiespektrums bestimmt. Dies ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber konkurrierenden Verfahren, bei denen eine hinreichend genaue Dichtebestimmung bei hohen Abkühlgeschwindigkeiten durch Reduzierung des Probenvolumens erreicht wird, was wiederum mit Schwierigkeiten im Bereich der Druckaufbringung oder messtechnischen Erfassung von Druck und Temperatur verbunden ist. In der ersten Förderperiode wurden Röntgenabsorptionsmessungen an drei amorphen und drei teilkristallinen Thermoplasten bei unterschiedlichen Abkühlgeschwindigkeiten zwischen 24 K/min und 240 K/min durchgeführt. Zur Bewertung der Messergebnisse wurde ein Vergleich mit einem alternativen Dichtemessverfahren durchgeführt. Die dabei eingesetzte Anlage vom Typ pvT-100, welche nach dem Kolbenprinzip arbeitet, lieferte pvT-Daten für geringe Abkühlgeschwindigkeiten von 5 K/min. Der Vergleich lieferte eine sehr gute Übereinstimmung im Schmelzebereich, allerdings Abweichungen bei dem spezifischen Volumen im Festkörperbereich von bis zu 2 %, welche nicht durch die unterschiedliche Abkühlhistorie begründet werden können. Abgesehen von dieser Fehlerbehaftung im Festkörperbereich konnte insbesondere bei den teilkristallinen Thermoplasten der Einfluss der Abkühlgeschwindigkeit auf den Verlauf des spezifischen Volumens beobachtet werden. Während bei niedrigen Abkühlgeschwindigkeiten ( T = 24 K/min) die Kristallisation in einem Bereich von 10 K erfolgte, wurde bei hohen Abkühlgeschwindigkeiten (T = 240 K/min) eine deutliche Vergrößerung des Kristallisationsintervals beobachtet. Darüber hinaus zeigte ein Vergleich des konventionellen Verfahrens mit der Röntgenabsorptionsmessung bei langsamer Abkühlung die Stärken der entwickelten Apparatur: Während die Röntgenabsorptionsmessung (Abkühlgeschwindigkeit T = 24 K/min) zeigt, dass die Kristallisation in einem Temperaturbereich von etwa 10 K abläuft, suggeriert, die konventionelle Messung bei einer niedrigen Abkühlrate (T = 5K/min) einen Kristallisationsbereich von 15 K. Dies zeigt, dass das konventionelle Verfahren bei dieser, auf den Spritzgießprozessveriauf bezogenen, geringen Abkühlgeschwindigkeit bereits an seine Einsatzgrenzen stößt. In der zweiten Förderperiode wurden Optimierungen am apparativen Aufbau durchgeführt und ein weiteres teilkristallines Material untersucht. So wurde der Monochromator der Röntgenquelle von der Beeinflussung des Kühlgases entkoppelt und die Positionierung von Thermoelementen korrigiert. Mittels eines ortsauflösenden CCD-Flachendetektors konnten gemutmaßte Intensitatsänderungen durch Totalreflektion der Strahlung im Werkzeugkanal während der Abkühlung als vorhandener aber unbedenklicher Effekt eingestuft werden. Das dabei untersuchte Polypropylen Homopolymer vom Typ HD120MO wurde zuvor von van der Beek et al. eingesetzt, welche eine auf einem volumetrischen Messprinzip basierende Apparatur zur Bestimmung von pvT-Daten bei hohen Abkühlgeschwindigkeiten entwickelten. Ferner wurde zusätzlich der Verlauf des spezifischen Volumens über der Temperatur mit einem Quecksilberdilatometer ermittelt, da Vergleiche zwischen Messungen mit der zuvor genannten, nach dem Kolbenprinzip arbeitenden Anlage und Densitometermessungen eine Diskrepanz zeigten. Es zeigte sich abschließend sowohl qualitativ als auch quantitativ eine gute Übereinstimmung mit den von van der Beek et al. ermittelten Daten. Auch der Vergleich mit den Quecksilberdilatometermessungen bei geringen Abkühlgeschwindigkeiten war stimmig. Einzig im Festkörperzustand wurden leichte Fehlweisungen deutlich, welche einem konstruktiv bedingten Druckabfall beim Übergang in den Festkörperzustand geschuldet sind. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens zeigen, dass eine Bestimmung des spezifischen Volumens von Thermoplasten durch Röntgenabsorptionsmessungen möglich ist. Die entwickelte Apparatur erlaubt die Ermittlung dieser Materialeigenschaft für einen weiten Druck-, Temperatur- und Abkühlgeschwindigkeitsbereich. Dabei werden zahlreiche charakteristische Effekte, wie etwa die Verbreiterung des Temperaturbereichs, in dem die Kristallisation statt findet, bei Erhöhung der Abkühlgeschwindigkeit bereits qualitativ gut wiedergegeben. Die gewonnen Erkenntnisse sollten genutzt werden, um das Verfahren weiterzuentwickeln. Dabei steht eine Erhöhung der Abkühlgeschwindigkeiten im Vordergrund. Dafür müsste ein neuer apparativer Ansatz verfolgt werden, da bei der im Rahmen dieses Forschungsvorhabens entwickelten Apparatur die Wärmekapazität des Werkzeugs die erzielbaren Abkühlgeschwindigkeiten nach oben beschränkt. Ein möglicher Ansatz ist die Anwendung der Röntgenabsorptionsmessung zur Dichtebestimmung direkt im Spritzgießprozess. Dies erlaubt die Abdeckung der für den Spritzgießprozess relevanten Bereiche von Druck, Temperatur und Abkühlgeschwindigkeit. Im Weiteren sollte eine Bewertung des Potenzials der so ermittelten pvT-Daten zur Verbesserung der Simulation des Spritzgießprozesses, insbesondere der Simulation von Schwindung und Verzug, erfolgen. Es ist denkbar das Verfahren der Röntgenabsorptionsmessung auch für die qualitative und quantitative Dichtebestimmung nicht thermoplastischer Materialien, etwa Elastomere oder Duroplaste, einzusetzen. Eine Bewertung beispielsweise des Vernetzungsvorgangs könnte auf diesem Wege erfolgen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Bestimmung des pvT-Verhaltens bei hohen Abkühlgeschwindigkeiten mittels Röntgenabsorptionsmessungen. Fachbeiratssitzung Spritzgießen, Institut für Kunststoffverarbeitung. RWTH Aachen, 7. bis 08.11.2006
    Michaeli, W.; Lingk, O.
  • Ermittlung von pvT-Daten bei hohen Abkühlgeschwindigkeiten durch Röntgenabsorptionsmessungen. Kunststofftechnisches Seminar, 26. Juli 2006, Aachen
    Lingk, O.
  • A novel approach for measuring the specific volume of (semicrystalline) polymers at elevated pressures and cooling rates. Conference Proceedings of the 65th Annual Technical Conference (ANTEC) of the Society of Plastic Engineers, 06.-11.05.2007, Cincinnati, USA
    Michaeli, W.; Hentschel, M. P.; Lingk, O.
  • Determination of the Specific Volume of Polymers at Elevated Cooling Rates by X-ray Absorption Measurements. 6th Annual Polymer Colloquium, University of Wisconsin, 11.5.2007, Madison, USA
    Lingk, O.
  • Ermittlung von prozessnahen pvT-Daten als Beitrag zur Verbesserung der Spritzgießsimulation. 24. Internationales Kunststofftechnisches Kolloquium des IKV, 20. bis 21.2.2008, Aachen
    Michaeli, W.; Lingk, O.
 
 

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