Die Biographie naturbezogener Raumbilder: Zur Bedeutung von Institutionen und Policy-Netzwerken des EU-Mehrebenensystems am Beispiel der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Nordrhein-Westfalen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Forschungsprojekt „Die 'Biographie' naturbezogener Raumbilder" analysierte in einer interdisziplinären Zusammenführung anthropogeographischer und politikwissenschaftlicher Ansätze die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG; FFH-Richtlinie) unter besonderer Berücksichtigung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Die FFH-Richtlinie gilt, gemeinsam mit der europäischen Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) als Kernstück europäischer Umweltpolitik. An ihrem Beispiel wurden Genese und Wandel unterschiedlicher Vorstellungen von Raum und Natur und die daraus folgenden divergierenden Raumnutzungsinteressen studiert und zu sogenannten „Biographien naturbezogener Raumbilder" verdichtet, um Erkenntnisse zur Bedeutung von Institutionen und Policy-Netzwerken des EU- Mehrebenensystems zu erlangen. Ziel war es, den bisherigen Fokus auf policyorientierte Implementationsstudien im umweltpolitischen Bereich durch Berücksichtigung des Spannungsfeldes räumlicher, institutioneller und diskursiver Einflüsse eines transnationalen Mehrebenensystems zu erweitern. Das Projektteam erarbeitete über die Analyse der relevanten Rechtsdokumente, bestehender wissenschaftlicher Arbeiten und „grauer Literatur" sowie über die Durchführung von qualitativen Hintergrundinterviews mit vierundzwanzig in den FFH- Prozess involvierten Akteuren bzw. Akteursgruppen eine umfangreiche Daten- und Materialbasis zum FFH-Prozess und den institutionellen Akteursverflechtungen. Auf dieser Grundlage aufbauend konnten die umfassende Nachzeichnung des komplexen Verfahrens und eine „Chronologie" der Richtlinie vollzogen werden, welche von der Formulierungsphase bis zur Umsetzungsphase und von der europäischen bis zur lokalen Ebene reicht. Auf Grundlage dieser Studie wurde unter Rückbindung auf die im Vorhaben fortgeführte Verknüpfung konstruktivistischer und Institutionen-theoretischer Ansätze ein Set konkurrierender Raumbilder abgeleitet, die in den Formulierungen der Richtlinie angelegt und im Laufe des FFH-Prozesses aufgegriffen und ausgehandelt wurden. Hierbei konnte ein biozentrisch-expertokratisches Raumkonzept, begleitet von den entsprechenden Raumbildern (etwa: ,vor dem Menschen zu schützende Feuchtgebiete') als besonders nachhaltig wirksam identifiziert werden. Diese Konzepte (und Bilder) jedoch wurden dann infolge eines auf die unteren politischen Ebenen im FFH-Prozess ausgeübten Konkretisierungsdrucks und durch eine erhebliche Emotionalisierung der politischen Abläufe zugunsten pragmatischkonsensualer Lösungsansätze (und entsprechender Raumbilder, etwa: 'Feuchtgebiete in Ko-Existenz mit behutsamen touristischen Nutzungen') relativiert bzw. ersetzt. Als entscheidende Bruchstelle in der Entwicklung naturbezogener Raumbilder im FFH-Prozess wurde somit der Übergang von der politischen nationalen Ebene auf die regionale (Länder-) Ebene identifiziert, durch welchen die auf höchster europäischer Ebene entwickelte und nachfolgenden institutionell verankerte, ökozentrische Vorstellung von Natur eine erhebliche Abschwächung bzw. diskursive Umdeutung zugunsten einer anthropozentrischen Sichtweise erfuhr. Mit seinen Ergebnissen zum vielschichtigen FFH-Prozesses und mit der Rekonstruktion naturbezogener Raumbilder konnte im Forschungsvorhaben sowohl eine erweiterte Perspektive zur Erklärung raumwirksamer Konflikte in einer disziplinenübergreifenden Herangehensweise eröffnen, als auch weiterführende Ansätze zu Wirksamkeit und Wirkungsweise politischer Paradigmen im politischen EU-Mehrebenensystem aufzeigen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2005): Competing policy ideas and the implementation of European environmental policy (8.-10.9. 2005, 3rd ECPR Conference, Budapest)
Scholl, B.
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(2005): Competing policy ideas and the implementation of European environmental policy - discursive constructions of 'Nature1 and 'Space' within the multi-level implementation process of the Habitats Directive. Paper for the 3rd ECPR-Conference, Budapest, September 2005
Scholl, B. und T. Chilla
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(2005): Die 'Biographie' naturbezogener Raumbilder. Das Beispiel der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Nordrhein Westfalen (28.-29.1 2005, Arbeitskreis Neue Kulturgeographie II: Sprachen & Zeichen - Macht & Raum, Münster)
Chilla, T. und D. Soyez
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(2005): Die Umsetzungsproblematik europäischer Naturschutzpolitik. Zur Bedeutung von Raumkonzepten im Politikprozess, Platz 1 des Posterwettbewerbs anlässlich des 55. Deutschen Geographentages in Trier zum Thema: "Die politische Relevanz der Geographie"
Chilla, T. und B. Scholl
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(2005): EU-Richtlinie Fauna-Flora-Habitat: Umsetzungsprobleme und Erklärungsansätze. DISP 163 (4): 28-35
Chilla, T.
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(2005): Raumbezogene Naturbilder und ihre Bedeutung im Politikprozess (6.10.2005, Arbeitskreis Geographie und Gesellschaftstheorie im Rahmen des 55. Deutschen Geographentags, Trier)
Chilla, T.
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(2005): The Implementation of the ED Habitats Directive in the German Laender. The challenge to enforce ecological aims and the risk of top-downprocedures, in: Sustainable Regions: Making Regions work - Conference proceedings of the Regional Studies Association - Annual Conference, London, November 2005: 104-105
Chilla, T.
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(2005): The implementation of the EU Habitats Directive in the German Laender. The challenge to enforce ecological aims and the risks of top-downprocedures (24.11.2005 Annual Conference der Regional Studies Association, London)
Chilla, T.
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(2005): The Social Construction of Nature (19.4.2005, Gastvortrag am Department of Human and Economic Geography Gothenburg, Schweden)
Chilla, T.
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(2006): Bericht über das Web-Projekt "Die Biographie naturbezogener Raumbilder im Jahresbericht 2005 des ZAIK/RRZK der Universität zu Köln, 260-263
Reiners, W.
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(2006): Constructing and institutionalising 'Sustainability'. The concept's relevance from an economic and political geography perspective (9.3.2006, Annual Meeting of the Association of American Geographers, Chicago)
Chilla, T. und C. Schulz
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(2006): Der Feldhamster und die Milliardeninvestitionen: Naturschutz und die Bedeutung von Diskursen. Natur und Landschaft 81 (6): 327-331
Chilla, T.
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(2007): Zur politischen Relevanz raumbezogener Diskurse. Das Beispiel der europäischen Naturschutzpolitik, Erdkunde 61 (1)
Chilla, T.