Neuronale Grundlagen des visuellen Lernens
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Ziel der im Rahmen dieses Projekts geförderten Forschungsarbeiten war es, Beiträge zum Verständnis lernabhängiger Veränderungen in der Enkodierung von Informationen in der Grosshirnrinde zu liefern. Der Fokus wurde auf Veränderungen in neuronalen Antwortmustern im Sehsystem gelegt, wobei sowohl sensorische Anteile des Sehsystems, als auch höherstufige Areale des visuellen Verarbeitungspfades untersucht wurden. Betreffend die Sehrinde, und insbesondere das Areal V4 des extrastriären Kortex konnte gezeigt werden, dass die Funktionsweise der Grosshirnrinde auffälligen lernabhängigen Veränderungen unterliegt. Um dies zu zeigen, wurden visuelle Musterreize mittels eines eigens entwickelten Verfahrens systematisch und graduell unkenntlich gemacht. Es zeigte sich, dass gelernte Muster auch bei höherem Verfälschungsgrad noch richtig erkannt und zugeordnet werden konnten, während dies für neue ungelernte Muster nicht galt. Die lernabhängigen Verbesserungen in der Wahrnehmungsleistung schlugen sich in neuronalen Aktivierungsmustern im Areal V4 der Sehrinde nieder, sodass ausschließlich bei bereits gelernten visuellen Mustern dieses kortikale Areal stark rekrutiert wurde, und zwar nur dann, wenn ein verfälschtes, nicht aber ein unverfälschtes erkannt werden musste. Diese Befunde unterstreichen die Wichtigkeit des extrastriären Kortex bei der rekurrenten Interaktion zwischen kortikalen Arealen, und lassen insbesondere darauf schließen, dass V4 eine integrative Rolle zwischen im Temporallappen enkodierten Informationen des Langzeitgedächtnisses und von der sensorischen Peripherie eingehenden Informationen innehat. Diese und ähnliche Befunde sind wichtig für die theoretische Modellbildung der Funktionsweise von Gedächtnis und Aufmerksamkeit. In einer weiteren Studie haben wir die Enkodierung visueller Informationen im Temporal-Lappen der Grosshirnrinde untersucht. Im Zentrum des Interesses stand die Frage, wie die Enkodierung von „komplexen“ visuellen Mustern der natürlichen Umgebung anhand der Enkodierung der Komponenten des visuellen Musters verstanden werden kann. Dazu wurden Musterbilder natürlicher Szenen in Teile zerlegt, wobei jeder Bildregion ein Wert zugeordnet wurde, je nachdem wie wichtig diese Bildregion für das Erkennen des jeweiligen Musters war. Durch Ableiten neuronaler Aktivität im ventralen Pfad des Temporallappens der Grosshirnrinde konnte eine hierarchische Verarbeitungsaufteilung beteiligter Hirnregionen nachgewiesen werden. Insbesondere konnte eine Dissoziation zwischen neuronaler Aktivität auf der Ebene der Einzelzellaktivität gegenüber von Summenpotentialen wie dem lokalen Feldpotential nachgewiesen werden. Dieses Ergebnis hat Auswirkungen auf die Interpretation von Summenpotentialen, und deutet darauf hin, dass in vielen Fällen funktionale Unterschiede in diesen Signalen bereits in Eingangssignalen vorhanden sein dürften, und somit keine Rückschlüsse auf lokale Berechnungen erlauben. Die neurophysiologischen Studien wurden durch eine Reihe von Verhaltensstudien komplementiert. Diese der Psychophysik zugeordneten Studien enthalten wichtige Details und Hintergrundinformationen zu den neurophysiologischen Arbeiten. Insgesamt haben die vorliegenden Arbeiten neue Einblicke in die Auswirkungen von Lernprozessen auf die visuelle Wahrnehmung und Gedächtnisbildung ermöglicht, und die zugehörigen neuronalen Prozesse umfassend charakterisiert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“Behavioral Flexibility and the Frontal Lobe”. Neuron 53, 321-323 (2007)
Rainer G.
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“Object Recognition: Similar Visual Strategies of Birds and Mammals”. Current Biology 17, R174-76 (2007)
Nielsen K.J., Rainer G.
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“Visual Neuroscience: Computational Brain Dynamics of Face Processing”. Current Biology 17, R933-R934 (2007)
Rainer G.
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“Visual neuroscience: face-encoding mechanisms revealed by adaptation. Current Biology 17, R20-2 (2007)
Sigala-Alanis R., Rainer G.
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„Capillary hydrophilic interaction chromatography-mass spectrometry for simultaneous determination of multiple neurotransmitters from monkey’s brain”. Rapid Communications in Mass Spectroscopy 22, 3621-3628 (2007)
Zhang X., Rauch A., Lee H., Xiao H., Rainer G., Logothetis N.K.
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“Localizing cortical computations during visual selection”. Neuron 57, 480- 81 (2008)
Rainer G.
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“Object features used by humans and monkeys to identify rotated shapes”. Journal of Vision 8(2):9, 1-15 (2008)
Nielsen K.J., Logothetis N.K., Rainer G.
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“The effect of a 5-HT1A agonist on primary visual cortex in non-human primates: Pharmaco-MRI combined with electrophysiology”. PNAS 105(18): 6759-6764 (2008)
Rauch A., Rainer G., Logothetis N.K.
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„Pharmacological MRI combined with electrophysiology in non-human primates: Effects of Lidocaine on primary visual cortex”. Neuroimage 40, 590-600 (2008)
Rauch A., Rainer G., Augath M., Oeltermann A., Logothetis N.K.