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Biologischer Lebensstandard in Sachsen 1680-1850
Antragsteller
Professor John Komlos, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung
Förderung von 2002 bis 2006
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5394561
Das Forschungsprojekt befaßt sich mit dem Zusammenhang von Ernährungsstandard und wirtschaftlicher Entwicklung in Sachsen zwischen 1680 und 1850. Auf der Grundlage der Information über die Körpergröße der Soldaten der sächsischen Armee, aufgezeichnet in den Musterlisten der sächsischen Armee, kann auf den zeitlichen Verlauf der Körpergröße der männlichen Bevölkerung Sachsens von den Geburtskohorten der 1680er Jahre bis zu denen der 1850er Jahre geschlossen werden. Für den deutschen Sprachraum sind bisher keine so frühen Daten zu Körpergrößen verfügbar, im europäischen Vergleich lassen sich nur für Frankreich ähnlich zeitige Aufzeichnungen auswerten, welche verläßliche Daten für Geburtsjahre ab 1665 liefern. Damit ergibt sich die außergewöhnliche Möglichkeit, den biologischen Lebenstandard der Bevölkerung Sachsens nicht allein am Beginn und während der Industrialisierungsphase zu messen, sondern bereits im späten 17. Jahrhundert, also mehrere Generationen vor dem nachhaltigen demographischen und ökonomischen Aufschwung im späten 18. Jahrhundert. Diese Daten erlauben es in einzigartiger Weise, die langfristigen wirtschaftlichen und demographischen Folgen des 30-jährigen Krieges für und die Auswirkungen der wirtschaftlichen Kriste des späten 17. Jahrhunderts auf den biologischen Lebensstandard der Menschen untersuchen zu können. Da es für Deutschland keine früheren als die sächsischen Daten gibt und nur für Bayern bislang eine Untersuchung vorliegt, die sich auch auf Teile des 18. Jahrhunderts erstreckt, bietet die Auswertung der sächsischen Quellen die Möglichkeit, das Bild des Lebensstandards auf dem Gebiete des Alten Reiches um einen sehr wesentlichen Aspekt zu ergänzen: Da Sachsen eine wirtschaftlich bedeutsame Region Deutschlands gewesen ist, läßt sich an seinem Beispiel die Entfaltung und der Verlauf der Industrialisierung in Deutschland mit seinen Konsequenzen für den Lebensstandard der Menschen besonders anschaulich untersuchen. Die große Bedeutung der sächsichen Quellen für diese Fragestellung wird noch um einiges deutlicher dadurch, dass die ebenfalls vorhanden gewesenen preußischen Daten fehlen, weil dieses Material im 2. Weltkrieg zerstört worden ist. Die Datengrundlage der Musterlisten erlaubt es zudem, die geburtskohortenspezifische Größenentwicklung nach Beruf und Herkunftsregion der Soldaten zu differenzieren. Mit diesem anthropometrischen Forschungsansatz wird es somit möglich sein, die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher und demographischer Entwicklung Sachsens im 17, 18. und 19. Jahrhundert und der Entwicklung der Körpergröße als Indikator des biologischen Lebensstandards nachzuzeichnen und dabei auch die Auswirkungen der sich regional sehr verschieden entwickelnden Wirtschaftsstruktur auf den biologischen Lebensstandard sichtbar zu machen. Ein weiterer Aspekt der Datenauswertung wird der Zusammenhang zwischen Körpergröße und Familienbildung sein. Die Musterlisten geben ebenso Auskunft über Familienstand der Soldaten wir über das Geschlecht und teilweise auch über das Alter von deren Kindern. Damit wird es möglich werden, die Hypothese, die Körpergröße des Mannes diene als Zeichen für seine Qualifikation und Zuverlässigkeit als Vater bzw. Ernährer, einem empirischen Test anhand historischer Längsschnittdaten auszusetzen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen